Autoren-Beiträge Kommunikation im Profi-Fußball: Gemischten Teams aus PR- und IR-Experten gehört die Zukunft

Rueckel Gerd CortentNiederlage für die Meister-Kicker von Bayern München: Im Januar 2015 löste der Tweet „Je suis Charlie“ einen mittelgroßen Shitstorm aus. Die gut gemeinte Solidaritätsbekundung für die Opfer von „Charlie Hebdo“ barg Zündstoff, weil sich die Bayern-Profis nur wenige Tage nach dem Tweet zu einem gut bezahlten Freundschaftsspiel in Saudi-Arabien befanden. Menschenrechtsorganisationen unterstellten den Bayern eine perfide Doppelmoral und feuerten scharf auf allen Kanälen. Die Attacke stand auf festem Fundament. Das Auswärtige Amt schreibt über Saudi-Arabien unter anderem: „Die Todesstrafe wurde 2014 mindestens 87 Mal vollstreckt …. Körperstrafen wie z.B. Stockhiebe werden regelmäßig vollzogen … Dissidenten werden inhaftiert … Frauen werden wesentliche Menschenrechte vorenthalten … die schiitische Minderheit im Osten des Landes wird diskriminiert“. - Die Niederlage jenseits des Fußballfelds zeigt: Pressearbeiter von Profi-Fußballvereinen spielen immer Champions League.

Sie müssen so unterschiedliche Mitspieler wie Fans, Fachpresse, Boulevard, Sponsoren, Kapitalgeber und interessierte Öffentlichkeit mit ordentlichen informativen Flanken versorgen. Die Inhalte, die die vielen Zielgruppen verlangen, könnten unterschiedlicher kaum sein: Während der Fan überwiegend über die sportliche Situation im Verein Bescheid wissen will, sucht der Boulevard gerne die Geschichte abseits des grünen Rasens. Kapitalgeber und Sponsoren wiederum interessieren sich für die harten und weichen Wirtschaftsfaktoren der von ihnen unterstützten Clubs – hier zählen wirtschaftlicher Erfolg genauso wie das Image. Steht der Club gut da, strahlt das auch auf die Sponsoren ab.

„Mia san mia“-Mentalität hat ihre Grenzen
Das Beispiel des Bayern-München-Tweets „Je suis Charlie“ zeigt dabei: Sportlicher Erfolg schützt nicht vor Angriffen von außen. Vielmehr sorgen die Mechanismen der medialen Welt dafür, dass mit jedem sportlichen Erfolg die Aufmerksamkeit steigt – zum Beispiel für politisch korrektes Handeln. Eine „Mia san mia“-Mentalität hat eben auch ihre Grenzen.

Tatsächlich hätte die Brisanz des Tweets den verantwortlichen Kommunikatoren bewusst sein können. Der Verein Bayern München befindet sich seit längerem in einem Interessenkonflikt, der kommunikativ wie ein rohes Ei zu behandeln ist. Über den Bayern-Sponsor Audi ist auch das Emirat Katar an dem Münchner Club beteiligt. Katar wiederum steht in der Kritik, den Zuschlag für die Fußball-WM 2022 auf nicht nur einwandfreien Wegen erhalten zu haben und beim Bau der Sportstätten menschenunwürdige Zustände zuzulassen.

Brückenschlag zwischen Glamour und Korrektheit
„Spaßbremsen“ nennen eingefleischte Fußballfans solche Themen. Doch so einfach dürfen sich das Fußballvereine aus strategischer Sicht nicht machen. Im Zeitalter von Corporate Governance und Compliance in Unternehmen hat politische Korrektheit auch im Profi-Fußball eine immer größere Bedeutung, wenn die Vereine ihre Sponsoren nicht verärgern wollen. Alle aktuellen Code-of-Conduct-Maßstäbe legen Sponsoren auch bei ihren Partnern an. Manager wie PR-Strategen in Fußballclubs müssen daher jeden Tag im Tagesgeschäft eine Brücke schlagen können zwischen Glamour, Unterhaltung und Folklore auf der einen und Finanzen, Wirtschaft und Politik auf der anderen Seite.

Transparent, fair und nachhaltig zu kommunizieren, ist eine Königsdisziplin, für die das entsprechende Personal vorgehalten werden muss – qualitativ und quantitativ. In den vergangenen Jahren hat das Gros der Profivereine diesen Nachholbedarf erkannt und nachgelegt. Oft aber liegt die Öffentlichkeitsarbeit noch allein in der Hand ehemaliger Sportjournalisten. Die haben sicher einen guten Draht zu Fans und Presse. Ein Gespür für sensible Themen, die harte und weiche Faktoren im Raster von Investoren und der Öffentlichkeit darstellen, muss nicht unbedingt zu ihrem Erfahrungsschatz zählen.

Experten für Investor Relations sind in den Kommunikationsabteilungen der Proficlubs beispielsweise kaum anzutreffen. Warum eigentlich nicht? Kapitalmarkt-Spezialisten kennen den Umgang mit kritischen Anteilseignern. Sie wissen damit um die Gefahren, die im Spannungsfeld zwischen Folklore und Finanzen, zwischen Unterhaltung und Unternehmertum entstehen können. Und sie kennen Antworten darauf.

Produkt Fußball – der Teufel steckt im Tagesgeschäft
Kommunikation für den Finanzmarkt oder den Fußballmarkt – die Regeln sind so unterschiedlich nicht: Unternehmen müssen am Kapitalmarkt seriös, verlässlich und vertrauenswürdig ankommen. Dazu müssen Unternehmen ordentliche Ergebnisse abliefern und glaubwürdig kommunizieren – auch und vor allem dann, wenn sie gesetzte Ziele nicht erreicht haben. Das ist im heutigen Profi-Clubsport nicht anders – mit dem „Produkt“ Fußballspiel, den „Werkzeugen“ Spieler, der Zielgruppe Fans sowie einem wertschöpfenden Geschäftsmodell aus Fernsehrechten, Sponsoring, Stadioneinnahmen und Merchandising.

Der Teufel steckt dabei nur selten in großer Menschenrechtspolitik, sondern viel öfter im Tagesgeschäft. Verlängert beispielsweise ein Schlüsselspieler seinen Vertrag um mehrere Jahre, dann ist stets vom „klaren, langfristigen Bekenntnis zum Verein“ die Rede. Auf diese Weise kreieren die Vereine Identifikationsfiguren. Diese werden im Profifußball immer seltener und stehen daher bei den Fans hoch im Kurs. Wenn nun mit solch einem „Bekenntnis“ aber eine versteckte Ausstiegsklausel einhergeht, kann der Schuss schnell nach hinten losgehen. Denn nichts anderes wäre es doch, wenn ein börsennotiertes Unternehmen einen Rekordgewinn vermeldet und sich dann herausstellt, dass dieser Gewinn doch nur auf einen außerordentlichen Ertrag zurückzuführen ist. Glaubwürdigkeit ade.

Spagat zwischen Spaß und Seriosität
Dass es auch anders geht, zeigt Borussia Dortmund. Mit einer überaus stringenten und transparenten Öffentlichkeitsarbeit wurde nach der Beinahe-Pleite wieder Vertrauen bei Sponsoren aufgebaut. Fundament dieser Arbeit ist – wen wundert es – das IR-Team. Denn die Borussen sind seit Oktober 2000 börsennotiert und müssen im Prime Standard hohe Transparenzpflichten erfüllen. Im Zuge dessen bewegen sich auch die Nachrichten für Fans und Boulevardpresse im Rahmen einer übergeordneten Kommunikationsstrategie. Das Beispiel belegt außerdem, dass eine Kommunikation, die den Anforderungen der Wirtschaft folgt, keinesfalls emotionslos sein muss.

Der Mehrzahl der Profivereine im deutschen Fußball ist dieser Spagat indes noch nicht gelungen. Wer eine gleichermaßen glaubwürdige Kommunikation zu Fans, Boulevard und Wirtschaft aufbaut, der besitzt im Werben um Sponsorengelder die besseren Karten. Aus PR- und IR-Spezialisten zusammengesetzten Kommunikationsteams gehört die Zukunft.

Über den Autor: Gerd Rückel ist Senior Consultant bei der Cortent Kommunikation AG in Frankfurt am Main. Der zertifizierte CEFA-Analyst und leidenschaftliche Fußballfan berät börsennotierte Unternehmen in allen Fragen der Finanzkommunikation.
Sein Beitrag entstammt „Echolot“, dem Newsletter der Cortent Kommunikation AG.

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