Autoren-Beiträge Agenturen und die Jagd nach Mitarbeitern: Leben Totgesagte doch länger?

Krueger Birgit 2Agenturen zahlen miserabel, behandeln ihre Leute schlecht und machen in Punkto Mitarbeiter sowieso alles falsch. Was oft genug geschrieben steht, ist automatisch wahr? Wir alle wissen, dass Vereinfachung veranschaulicht. Diese Diskussion jedenfalls ist in meinen Augen ein Beispiel für den Versuch, eine komplexe Situation zu einfach zu erklären.
Um mal einen Faktor heraus zu greifen: Agenturen brauchen Nachwuchs, der leidenschaftlich rechts und links schaut, neugierig und experimentierfreudig ist. Dieser Anspruch auf Arbeitgeberseite trifft auf ein hochgradig verschultes System, das Studierende heute durchlaufen. Viele Studenten verlernen aufgrund enger und voller Zeitpläne, sich eine eigene Agenda zu setzen. Vielmehr lernen sie, sich tapfer durch alles durchzukämpfen, was man ihnen vorsetzt – weil genau das von ihnen im Studium verlangt wird.

Danach haben die hochmotivierten, zum Teil noch sehr jungen Absolventen im Wesentlichen drei Optionen:

  1. Ihr erster Job führt sie in ein Unternehmen. Dort erleben sie meistens eine Fortführung dessen, was sie während des Studiums erfahren haben: Viele Vorschriften, klare Vorgaben, wenig Gestaltungsspielraum und meist noch weniger Entscheidungsfreiheit. Also ein eng definierter Rahmen, der viel Sicherheit verspricht. Strahlt dann noch der Glanz einer großen Marke auf das eigene Sein, reicht das Vielen als Entschädigung für einen Posten als besserer Sachbearbeiter. Wenn dann noch das Schmerzensgeld (= Gehalt) passt – perfekt.
  2. Die Freigeister fühlen sich von Start-ups angezogen.
    Denn eines ist dort sicher: Niemand sagt, wie es geht und was man zu tun und zu lassen hat. Oft besteht volle Handlungsfreiheit, da sich ohnehin niemand im Unternehmen besser auskennt mit Kommunikation als ein frischgebackener Absolvent unserer Branche. Dieses Modell „Jugend forscht“ hat den Vorteil, dass niemand einem Vorschriften macht – und den Nachteil, dass die Beteiligten das Rad gerne mal neu erfinden. Da nun schon mehrere Wellen Start-up-Euphorie über mich hinweggeschwappt sind, weiß ich, dass die Geschäftsmodelle an sich neu sein mögen, die Mechanismen der Kommunikation aber meist ähnlichen Regeln folgen.  
  3. Die dritte Option sind Agenturen.
    Wo man dann im Bewerbungsgespräch zu hören bekommt, dass man trotz jahrelanger, lehrplanbedingter Schinderei bisher gar nichts kann und deshalb erst mal arbeiten lernen muss. Bei allerdings recht hoher Verantwortung mit Operation am offenen (Kunden-)Herzen und übersichtlichem Lehrgeld.

Ich stelle mir vor, ich stünde am Anfang und wäre auf der Suche nach einem ersten Job. Bei dieser Faktenlage würde ich mich für das Start-up entscheiden. Womit wir zu den echten Versäumnissen der Agenturszene kommen.

Studien zeigen: Jungen Leuten ist es besonders wichtig, viel zu lernen und ihr Umfeld mitgestalten zu können. Beides können wir als Agenturen bieten. Wir sind aber offensichtlich nicht in der Lage, dies ansprechend nach außen zu vertreten. Statt gemeinsam an einer differenzierten Wahrnehmung der Situation zu arbeiten, nehmen wir uns lieber gegenseitig in Sippenhaft. Und am Ende positioniert sich jeder gerne als das einzige helle Licht im bösen dunklen Agenturdschungel. Dabei kommt Agenturschelte immer auf den großen Haufen. Kein potentieller Mitarbeiter unterscheidet zwischen PR-, Werbe- oder Internetagenturen.

Das Employer Branding Budget aller Agenturen in Deutschland zusammengerechnet liegt mit ziemlicher Sicherheit weit unter der Summe, die z.B. BMW dafür ausgibt. Ohne das Markenbudget dazu zu rechnen, das sich ebenfalls erheblich auf die Arbeitgeberattraktivität auswirkt. Wir werden weder einzeln noch gemeinsam bis zu ähnlichen Dimensionen aufstocken können. Deshalb müssen wir eigene Wege finden. Es wird Zeit, gemeinsam danach zu suchen.

Über die Autorin: Birgit Krüger ist eine der Gründerinnen und Geschäftsführerinnen der Agentur consense communications GmbH aus München. Vor der Agenturgründung war die Diplom-Ingenieurin sowohl auf Agentur- als auch auf Unternehmensseite tätig. Seit April 2013 ist sie zudem im GPRA-Präsidium für Aus- und Weiterbildungsthemen zuständig.

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