Sasse Linda NeuseelandSnapchat LogoDie Bloggerinnen Vreni Frost und Masha Sedgwick haben es für sich entdeckt, unser Songcontest-Mädchen Lena Meyer-Landruth kann nicht die Finger davon lassen. Gleichzeitig mehren sich die Artikel über das kommunikative Potenzial des neuen Social Media Stars. Die Rede ist von Snapchat (siehe Logo), der Social App die es ermöglicht, Freunden Fotos und Videos zu senden, die dann nur einige Sekunden sichtbar sind.
Während es den Anschein macht, als würde Deutschland gerade auf den Zug aufspringen, gehört der gelbe Geist in Neuseeland schon seit Längerem ins Kommunikationsrepertoire. Und meine Überraschung darüber muss ich eingestehen. Denn bislang gehörte der kleine Inselstaat nicht zu den Ländern, die ich als kommunikativ besonders fortschrittlich im Kopf hatte. Aber sei es drum: Snapchat ist gerade in Deutschland Thema und wird heiß gehandelt. Für mich der perfekte Anlass, mich hier nach Einsatzbeispielen umzusehen, die vielleicht dem einen oder anderen als Inspirationsquelle dienen können.

Weltweit erste Snapchat road safety campaign
Mit der meiner Meinung nach pfiffigsten Kampagne wartet 2014 eine Behörde auf: die NZ Transport Agency. Sie sorgt in Neuseeland unter anderem für Sicherheit im Straßenverkehr und sieht sich zu diesem Zeitpunkt einer steigenden Unfallrate durch bekiffte jugendliche Autofahrer gegenüber. Über die Botschaft muss nicht lange nachgedacht werden („Autofahren unter Hasch-Einfluss hat fatale Folgen“), doch wie die Message an eine Zielgruppe bringen, die Meister im Ignorieren konventioneller Kommunikationsformate ist? Mit der weltweit ersten Snapchat Verkehrssicherheitskampagne.

Kreiert wird der Snapchat-Account „TinnyVision”, als dessen Sender nicht die Behörde auftritt, sondern exakt die Zielgruppe, die man erreichen möchte: eine Gruppe Hasch rauchender Jugendlicher, quasi die „Freunde von nebenan“. Schnell machen die News über die witzigen Snaps der Truppe die Runde, die Zahl der Abonnenten steigt; begünstigt auch durch parallel laufende „spread-the-word“-Kooperationen mit lokalen Websites. Tausende fügen „TinnyVision“ als Snapchat-Freund hinzu – ahnungslos, wer tatsächlich hinter den Videos steckt.

Über einen Tag hinweg erhalten alle „TinnyVision“-Freunde Snaps der Gruppe, die von Video zu Video higher wird. Was witzig anmutet, verdeutlicht gleichzeitig: Mit zunehmendem Hasch-Konsum büßen die Jugendlichen ihre Reaktionsfähigkeit ein. Aber so kennt man es ja, kein Ding, einfach witzig anzusehen. Bis zum elften Snap, als sich die Gruppe mit dem Auto auf den Weg zum Imbiss um die Ecke macht. Von weitem kann man den Straßenübergang sehen. Für das Mädchen, das ihn überquert, wird der Haschrausch der Jugendlichen zum Verhängnis. Die Reaktionsfähigkeit des Autofahrers ist zu sehr beeinträchtigt, er erwischt sie frontal.

Zu diesem Zeitpunkt tappt das Publikum über die Intention der Clips völlig im Dunkeln. Für die Zuschauer ist das Video gezeigte Realität; bis einige Minuten später die Aufklärung folgt, in Form eines Snaps mit der einfachen Nachricht: „Stoned drivers are slower to react“.

Laut der NZ Transport Agency hat die Kampagne alle Ziele erreicht: 7.500 Leute haben „TinnyVision“ zu ihren Snapchat-Freunden hinzugefügt, 95 Prozent davon haben sich die gesamte Snap-Serie angeschaut und die abschließende Nachricht erhalten.

Wer möchte, kann sich die Snaps hier ansehen. Die kurzen Videos wurden übrigens nach Ende der Kampagne als Kinowerbung eingesetzt.

Marken, Unternehmen und Snapchat
Mit ihrer Kampagne hat die NZ Transport Agency den Zeitgeist getroffen, immerhin wird Snapchat als weltweit am stärksten wachsende Social App gehandelt. Und so verwundert es nicht, dass bis heute auch viele namhafte neuseeländische Marken und Unternehmen auf den Social Media Geisterzug aufgesprungen sind.

Zu ihnen gehört etwa die ASB Bank. Sie hat in den vergangenen Monaten „Scholarships“, also Stipendien, mit Hilfe von Snapchat verlost: von McDonalds-Gutscheinen bis zum einmaligen Gewinn von 10.000 Dollar. Wöchentlich verschickte die ASB zwei Aufgaben an ihre Snapchat-Community. Mit der richtigen Antwort wartete ein Platz im Lostopf auf alle Teilnehmer.

Die neuseeländische Telekom setzte Snapchat erstmals im vergangenen Jahr während ihres Re-Brandings von Telekom zu Spark (Infos gibt es hier) ein.

Auch Vodafone liebt den kleinen Geist. Snapchat kam hier zum Zuge, um einen klassischen Werbestandauftritt aufzupeppen und sich so von der Konkurrenz abzusetzen. Anlass gab die Erstsemester-Orientierungswoche an der University of Otago, wo kleine Rätsel-Snaps die Account-Follower zu einem geheimen Platz führten, an dem Gewinne warteten.

Last but not least: Der neuseeländische Radiosender „The Edge“ verbreitet via Snapchat Behind-the-Scenes Material, etwa von roten Teppichen oder einfach aus dem Studio.

Snapchat bietet viele aufregende Einsatzmöglichkeiten, und neuseeländische Kommunikationsexperten nutzen sie gerne. Für mich bleibt es weiterhin spannend zu beobachten, wie sich Deutschland gegenüber der Social App öffnet.


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