Autoren-Beiträge Präzise Texte im Wertewandel: Was versteckt sich in den Codes?

schebenmathias 2010Die Medien und die sie fütternden PR-Texter missachten und irritieren täglich den Verstand ihrer Rezipienten: Daher geplapperte Nachrichten und rasch runtergeschriebene Manuskripte mit falschem Deutsch, misslungener Semantik, stümperhafter Grammatik – das ist der Alltag. Auch Wolf Schneiders Einsatz hat daran leider nichts geändert. Ein oft vergessener Aspekt in dieser sprachschludernden Wirklichkeit ist die Tatsache, dass wir Wörter – vor allem Substantive, Adjektive, Adverbien – als Codes verstehen sollten. Als im Zeitlauf sich entwickelnde, für den Alltagsgebrauch als tauglich erkannte Anordnungen von Zeichen, die es uns ermöglichen sollen, uns zu erklären und die Welt zu verstehen.

Aber: Panta rhei, alles fließt. So auch die Bedeutung der Wörter – nicht aber die Zeichenfolge in den Codes. Wie unbesonnen gehen wir mit den tradierten Codes um, deren Decodierung heute Bedeutungen und Verständnisse aufdeckt, die mit dem ursprünglichen semantischen Hintergrund nichts mehr zu tun haben! Die historische Semantik beschäftigt sich mit derlei Veränderungen vor allem in der Nachschau. Die Praktiker dieser Tage aber müssen sich mit der aktuellen Bedeutung sprachlicher Zeichen befassen.

Wörter, deren Codes aktuell von unserer Wertegesellschaft als politisch inkorrekt entschlüsselt sind, sind das Eine. Wie aber steht es um tausendfach gedankenlos verwendete Wörter wie etwa „modern“, „modisch“, „aktuell“, „natürlich“, „gesund“, „Eigentum“, „Wohlstand“, „Partnerschaft“, „Gewinn“? Was interpretiert, versteht und folgert wer, wenn er solche Codes liest oder hört? PR-Texter werden ins gründliche Grübeln kommen, wenn sie sich einen beliebigen Text aus der Tagesarbeit herausziehen und einmal wirklich kritisch drüber schauen.

Die Fehlinterpretation von Codes verursacht Kommunikationsstörungen, die zunächst niemand bemerkt. (Was verstehen Sie unter gestörter Kommunikation?) Schlagzeilen und Werbesprache offenbaren das Problem besonders deutlich, SMS, Twitterdeutsch und Emoticons setzen noch einen drauf, von den englischen Brocken in Reklame und Umgangssprache ganz zu schweigen. Von wegen „No problem“!
Eine Lösung habe ich nicht. Nur die Anregung, die Worte wohl zu wägen, ihre heutige Semantik zu hinterfragen. Eindeutige Formulierungen gegen die Unsicherheit führen zu längeren Sätzen. Aber sie machen dem Empfänger hoffentlich die Nachricht nachvollziehbar und machen ihm zweifelsfrei verständlich, was der Absender gemeint hat. Dann hätte die Nachricht einen guten Text. Also einen Wert.

Über den Autor: Mathias Scheben ist Kommunikationsberater und Coach in Andernach.

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