Autoren-Beiträge Die Krise hinter der Krise: Was die Diskussion über die Rolle der Medien mit unserer Branche macht

Koebner Miri Foto2Das Spannungsfeld ist bekannt: Unternehmen auf der einen Seite möchten in den Medien vorkommen, jedoch nicht in negativen oder streitbaren Kontexten. Journalisten auf der anderen Seite suchen nach interessanten Geschichten. Am liebsten mit einem Bruch, einem Rückschlag, einer unerwarteten Entwicklung. Auf dem Krisenkommunikationsgipfel in München wurde dieses Jahr häufig gesprochen über tendenziös und unsauber recherchierende Medienvertreter. Journalisten interessierten sich vor allem für dreckige Wäsche, hieß es immer wieder. Ist das tatsächlich so oder spiegelt sich in dieser zum Teil sehr emotional vorgetragenen Kritik das wachsende Misstrauen der Öffentlichkeit wieder? Die Journalistin und PR-Beraterin Miri Köbner, die für das „PR-Journal“ vom Krisenkommunikationsgipfel berichtet hat, setzt sich in diesem Autorenbeitrag kritisch mit diesem Reizklima auseinander.

Ist das Vertrauen noch zu retten?

Unternehmenskommunikatoren berichteten von Journalisten, die aufhören zu recherchieren, wenn sie merken, dass die Ergebnisse nicht in ihrem Sinne sind. Lieber werden Spekulationen zu einer journalistischen Metawahrheit verdichtet und finden so den Weg in die Zeitungen. Es werden nicht alle Seiten gehört. Überhaupt arbeiteten bei den Medienhäusern zu viele Praktikanten, die ihr Handwerk gar nicht richtig gelernt haben. Und dies waren nur einige der Vorwürfe die auf dem Krisenkommunikationsgipfel zu hören waren. Erstaunlich insbesondere deshalb, weil die Tagung unter dem Motto „Vertrauensmanagement“ stand. Es sieht so aus, als gäbe es eine handfeste Krise, die nicht auf der Agenda stand.

Meinungsfreiheit – ja aber...

Aktuell findet eine rege Debatte darüber statt, was guten Journalismus ausmacht. Neu angeheizt wurde sie zuletzt durch Jan Böhmermann. Wie weit dürfen Medien gehen und was sollen sie leisten? Dabei wird ihnen gegenüber immer wieder eine Misstrauenshaltung eingenommen. Ein Beispiel: Der Presserat entschied im März, den Diskriminierungsschutz im Pressekodex bestehen zu lassen. Daraufhin wurde heftig diskutiert, was das für die Berichterstattung heißt. Sogar Zensur-Vorwürfe wurden erhoben. Zur Erinnerung: In der Diskussion ging es darum, ob die Herkunft von Straftätern in der Berichterstattung grundsätzlich genannt werden sollte. Der Presserat empfiehlt, sensibel mit dieser Information umzugehen und zu hinterfragen, ob sie für das Verständnis des Berichts notwendig ist.

Misstrauen in der Kommunikationsbranche

Diese Diskussion stellt die kritische und achtsame journalistische Grundhaltung in Frage. Das zeigt, dass wir nicht darauf vertrauen, dass jeder Journalist diesen Anspruch an sich hat. Auf dem Krisenkommunikationsgipfel jedenfalls schienen viele Kommunikationsverantwortliche dieses Misstrauen in sich tragen. Macht es die aktuelle Journalismus-Debatte leichter, Argwohn und Ablehnungen offen zu äußern?

Gleichzeitig berichteten auf dem Kongress auch Journalisten von den Verschleierungstaktiken der Unternehmenskommunikation. Die Medien gehen per se kritisch um mit den Informationen, die sie aus Pressestellen erhalten. Was macht dieses offene Misstrauen mit unserer Branche?

Teufelskreis Misstrauenshaltung

In der Debatte um Qualität und Vertrauen scheinen sich die Fronten zu verhärten. Eine sehr gefährliche Entwicklung, denn sie führt dazu, dass sich sowohl die Kommunikatoren, als auch die Journalisten nicht mehr an ihren Idealen messen.

Das könnte zum Beispiel zu einer solchen Abwärtsspirale führen: Ein Pressebeauftragter hört und glaubt, dass die Qualität des Journalismus in Deutschland fragwürdig ist. Wenn er den Journalisten sowieso nicht mehr vertrauen kann, dann kann er sich auch gleich an die drei Medien halten, die schon immer gut über seine Firma geschrieben haben. Er ignoriert damit das Prinzip der Gleichbehandlung der Medien. Das wiederum werden die anderen Journalisten bemerken – und abstrafen. Wenn nun von Unternehmensseite die Bringschuld nicht mehr beachtet wird, werden sie auch ihre Holschuld nicht mehr so ernst nehmen. Die Qualität von Kommunikation und Journalismus leidet. Vorwürfe wie die vom Krisenkommunikationsgipfel werden sich verstärken. Womit wir wieder am Anfang des Teufelskreises wären: das gegenseitige Vertrauen verschwindet.

Der misstrauischen Haltung folgt nicht selten auch ein Kreislauf mit wirtschaftlichen Folgen: Qualitäts- und Enthüllungsjournalismus erzielen bekanntermaßen die höheren Auflagen. Je höher die Auflage, desto mehr lässt sich durch Anzeigen verdienen. Für das Medium bedeutet das wirtschaftliche Stabilität und damit Unabhängigkeit – die Grundlage für freien Journalismus. Wenn sich auf Unternehmensseite die Haltung etabliert, nur noch im Kontext wohlwollender Berichterstattung zu werben, entzieht dies unabhängigen Medien über kurz oder lang die Existenzgrundlage. Wenn die journalistische Arbeit durch wirtschaftlichen Zwang verändert wird, ist das ein Eingriff in die Pressefreiheit. Eine solche Entwicklung bereitet dem unkritischen Journalismus den Weg und sorgt für eine Gleichmachung der Medien.

Medienvielfalt stützt demokratische Strukturen

Es sollte im Sinne der ganzen Branche sein, diese(n) Teufelskreis(e) zu durchbrechen. Vielleicht hilft ein Dialog, um das gegenseitige Vertrauen wieder aufzubauen? Die Debatte wird ja bereits geführt. Sie sollte allerdings nicht nur von misstrauischen, destruktiven Kreisen geführt werden. Mit etwas Vorschuss-Vertrauen auf beiden Seiten wäre viel erreicht, um wieder konstruktiver und lösungsorientierter diskutieren zu können.

Die Satire-Debatte um Jan Böhmermann zeigt, welches Medienverständnis etwa in Südosteuropa und anderen Ländern herrscht. Wer vor diesem Hintergrund für vielfältige und kritische Medien kämpft, der wirkt an einem großen Ganzen mit. Dr. Romy Fröhlich und viele andere vertraten auch diesen Standpunkt l auf dem Krisenkommunikationsgipfel leidenschaftlich.

In Deutschland existiert eine sehr heterogene Medienlandschaft. Und das ist auch gut so. Sie stützt eine demokratische Grundhaltung, weil sie Meinungsfreiheit, Redefreiheit und Pressefreiheit lebt. Den Preis für die Pressefreiheit zahlen Kommunikatoren und Journalisten gleichermaßen, indem sie sich selbst und ihre Arbeit ständig hinterfragen. Sie haben es in der Hand, diesen Zustand zu erhalten. Dafür lohnt sich jede Anstrengung.

Über die Autorin: Miri Köbner ist studierte Germanistin und Philosophin. Sie sammelte journalistische Erfahrung in einem Zeitschriftenverlag und ist seit 2015 bei consense communications tätig. Die inhabergeführte PR Agentur mit Sitz in München berät mittelständische Unternehmen unter anderem zu Krisen- und Change-Themen.

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