Das PR-Interview PR-Interview Nr. 74 mit Thomas Knüwer: Kommunikation wollen die Parteien nicht

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knuewer-thomasInterview mit Thomas Knüwer, Düsseldorf, zum Online-Wahlkampf der Parteien in NRW

PR-Journal: Wie gut sind die Online-Angebote der NRW-Parteien?

Thomas Knüwer: Für die meisten Parteien ist das Internet eine Plakatwand mit anderen Mitteln. Es geht ihnen nicht darum, neue Wege zum Dialog mit dem Bürger zu suchen – sie wollen ihn zutexten. Sicher, es gibt einige kreative Ideen wie die Möglichkeit bei SPD, Grünen und Piraten, ein Plakat an einer bestimmten Stelle zu finanzieren oder die T-Shirt-Gestaltungs- und -bestellfunktion bei den Grünen.

PR-Journal: Machen die Piraten als internetaffine Partei auch den besten Online-Wahlkampf?

Thomas Knüwer: Gemeinhin würde man erwarten, die Piraten sind besonders innovativ, abgefahren und verrückt. Tatsächlich ist das nicht der Fall. Sie liefern einen sehr sachlichen Auftritt, der vor allem auf die Vermittlung von Inhalten zielt. Dies müsste eigentlich der Mindeststandard im Jahr 2012 sein. Dass die Piraten trotzdem führend sind, zeigt die Rückständigkeit der anderen Parteien. Natürlich können sich Engagierte bei der Programmfindung beteiligen. Das System aber steht derzeit vor einem Neustart und ist bisher nur schwer zu verstehen.

PR-Journal: Welches sind die schlimmsten Fehler bzw. Schwachpunkte?

Thomas Knüwer: Das Internet ermöglicht den tatsächlichen Dialog mit dem Wähler. Die Parteien vermeiden das auf fast peinliche Art und Weise. Hinzu kommt, dass es ja Unterstützer im Web gibt – denen aber stellt man oft nicht einmal das Material zur Verfügung, um sich als Sympathisant zu outen. Bestes Beispiel ist da die FDP: Wahlkampf-Werbematerialien könnten bestellt werden – und kommen per Post. Die können dann die FDP-Anhänger einscannen, um sie auf eigenen Seiten zu verwenden. Obwohl: Das Material steht natürlich unter Copyright. Das wäre also eine Urheberrechtsverletzung.

PR-Journal: Wie professionell nutzen die Parteien die Social Media-Kanäle? 

Thomas Knüwer: Das ist nun das Komplettdesaster. Hannelore Kraft twittert, doch sie tut das eher unbeholfen. Ihr Team kommuniziert manchmal ein wenig – das war es dann. Das Social Web dreht sich eben um Kommunikation – und Kommunikation wollen die Parteien nicht. Geradezu bizarr wird es, wenn Norbert Röttgen sagt, das persönliche Gespräch mit dem Wähler sei ihm wichtiger. Wer das aber sucht, stößt auf einen Terminkalender, bei dem er so exakte Ortsbezeichnungen findet wie "Samstag, 15 Uhr Rhein-Sieg-Kreis". Der ist ja nicht so groß... Geht es anders? Ja. Die SPD bietet alle Termine zum Download für digitale Kalender an. Das ist nicht sensationell innovativ, sondern sollte schlichter Standard sein. 

Thomas Knüwer berät mit seiner Agentur „KpunktNull“ (www.kpunktnull.de) Unternehmen für das „digitale Zeitalter“. Außerdem betreibt er seit Jahren den angesehenen Blog indiskretionehrensache.de.

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