Das PR-Interview PR-Interview Nr. 97. Alain Blaes: Integrierte Kommunikation muss heute völlig anders bewertet werden

„Das PR-Interview im PRJ“ wird realisiert von k1 gesellschaft für kommunikation, Köln

blaes alainInterview mit Alain Blaes (Foto), Gründer und Geschäftsführer der Agentur PR-COM in München, über die Notwendigkeit eines integrierten Kommunikationsansatzes.

PR-Journal: Der integrierte Kommunikationsansatz ist nicht neu. Warum ist es wichtig, gerade jetzt darüber zu reden?

Alain Blaes: Die Differenzierung von Unternehmen, Produkten oder Dienstleistungen wird immer schwieriger. Nehmen wir den Smartphone-Markt: Vor wenigen Jahren noch unglaublich dynamisch, ist die Innovationskurve drastisch abgeflacht und die Produkte sind praktisch 1:1 austauschbar. Das betrifft nicht alle, aber die meisten Branchen und Produkte. Andererseits ist der Markt heute deutlich anspruchsvoller und vielleicht auch unerbittlicher als noch vor ein paar Jahren, Social Media und Online-Communities sei Dank. Mit unerbittlicher meine ich: Fällt ein Produkt oder Unternehmen negativ auf, entsteht augenblicklich ein Meinungs-Strudel, der nicht mehr aufzuhalten und auch nicht mehr steuerbar ist. Einschneidende Veränderungen an zwei Fronten: Deshalb muss die integrierte Kommunikation heute völlig anders bewertet werden als noch vor ein paar Jahren. Mehr denn je ist es notwendig, dass Unternehmen sich erstens zu Marken entwickeln, und sich zweitens zur Transparenz verpflichten. Das geht nicht, wenn jede Abteilung ihr eigenes Kommunikations-Süppchen kocht.

Idealerweise sollten alle Abteilungen eng verzahnt werden, also nicht nur PR oder Marketing, sondern auch Geschäftsleitung oder Vertrieb.  Und Unternehmen sollten sich mit meiner seit Jahren vorgetragenen Forderung auseinandersetzen, einen CCO, also Corporate Communications Officer, nicht nur auf dem Papier oder als Frühstücksdirektor zu installieren. Ohne fähigen CCO ist jede Diskussion über integrierte Kommunikation letztlich hinfällig.

PR-Journal: Wenn Sie sich Agenturen oder beispielsweise auch Ihre Kunden ansehen: Wie gut wird integrierte Kommunikation dort umgesetzt? Wo fehlt es noch?

Alain Blaes: Ich kann am besten von unseren eigenen Kunden sprechen: Es gibt gigantische Unterschiede. Einige nehmen das Thema sehr ernst und gehen einen fast wissenschaftlich-analytischen Weg, um die integrierte Kommunikation umzusetzen. Das gefällt uns natürlich sehr gut. Andere tun es aus vielerlei Gründen gar nicht: Es fehlt entweder Wille oder Bewusstsein, oder es gibt Grabenkämpfe zwischen den Abteilungen, oder das Diktat der Headquarters im Ausland ist nicht zu umgehen – ein übrigens großes Problem auch im Operativen. Woran es in letzter Konsequenz fehlt, ist auch hier ein CCO. Erst er kann für die Durchsetzung einer integrierten Kommunikation auch international sorgen – in den einzelnen Ländern natürlich unter Berücksichtigung der lokalen Kulturen.

PR-Journal: Wie müssen Agenturen und Kommunikationsabteilungen aufgestellt sein, um integrierte Kommunikation betreiben zu können?

Alain Blaes: Agenturen sollten über den eigenen Kommunikations-Tellerrand schauen können und sich eine analytische Vorgehensweise aneignen. Analyse ist leider nicht unbedingt die Kernkompetenz der meisten Kreativen, im Alltag nicht einfach umzusetzen und ein zäher Prozess. Zumal dann, wenn sich Agenturen nur auf einen bestimmten Bereich konzentrieren, etwa die PR oder die Werbung. Aus einer solch eingeschränkten Position heraus ist es auch nicht unbedingt leicht, Kunden glaubwürdig von der Notwendigkeit einer integrierten Kommunikation zu überzeugen. Wichtig wäre, dass sich Agenturen ein spezialisiertes Team aufbauen, das weniger operativ, dafür eher strategisch tätig ist. In Unternehmen ist es eine Voraussetzung, dass Kommunikationsabteilungen eng kooperieren, um die integrierte Kommunikation voranzutreiben. Dass das reicht, glaube ich aber nicht. Ich bin der Überzeugung, dass eine Strategie von ganz oben vorgegeben werden muss, meinetwegen in Abstimmung mit den Abteilungen, die die Abteilungen dann spezifisch umsetzen.

PR-Journal: Welche Bedeutung haben die sozialen Medien für die integrierte Kommunikation?

Alain Blaes: Soziale Medien stellen immer noch eine Art Kommunikations-Ausnahmefall dar und sind sogar in den Köpfen vieler Kommunikationsprofis noch nicht richtig angekommen. Deshalb die immer noch stiefmütterliche Behandlung. Selbstverständlich haben soziale Medien eine hohe Bedeutung für die integrierte Kommunikation, völlig gleichberechtigt mit allen anderen Tools. Sie sind ein zusätzlicher Kanal und erweitern sozusagen den Werkzeugkasten, aus dem wir uns bedienen. Und sie bieten ganz große Vorteile: Geschwindigkeit, Dialog, Transparenz, emotionale Ansprache und Nähe zum Markt, um nur ein paar zu nennen. Aber: Bevor Social Media als Bestandteil der integrierten Kommunikation betrachtet wird, sollten Unternehmen zunächst einmal eine abgegrenzte Social-Media-Strategie entwickeln. Daran scheitert es in der Regel, vor allem weil sie die organisatorischen Aspekte und das Ressourcen-Management nicht in den Griff bekommen, das sehen wir leider immer wieder. Sind diese Hausaufgaben aber gemacht, klappt es dann auch mit der integrierten Kommunikation.

Alain Blaes ist Gründer und Geschäftsführer der Agentur PR-COM in München (www.pr-com.de).

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