Das PR-Interview PR-Interview Nr. 99. Uta Rußmann und Peter Winkler: Social Media Präsenz allein schafft keine Partizipation oder Vernetzung

„Das PR-Interview im PRJ“ wird realisiert von k1 gesellschaft für kommunikation, Köln

Rumann Uta FH WienWinkler peter FH WienInterview mit Uta Rußmann (li.) und Peter Winkler (re.) vom Institut für Kommunikation, Marketing & Sales der FH Wien über einen möglichen Richtungswechsel einer „PR 2.0“.

PR-Journal: In Ihrer Studie haben Sie festgestellt: Das Vernetzungs- und Partizipationsverständnis vieler Großunternehmen ist oftmals reine Rhetorik. So, wie viele der (österreichischen) Großunternehmen die Sozialen Medien derzeit nutzen, tragen sie nicht zur gewünschten Vernetzung mit den Stakeholdern bei. Worin besteht das Problem?

Uta Rußmann: Unsere Studie zeigt, dass sich in den umsatzstärksten 500 Unternehmen Österreichs (Stand 2012) zwar in den Jahren 2009 bis 2011 ein starker Anstieg der Nutzung unterschiedlicher Social-Media-Kanäle wie Facebook, Twitter und Youtube zeigt. Die Nutzung beschränkt sich jedoch auf einzelne Kanäle. Ein strategisch kombinierter Einsatz findet sich hingegen selten. Am kritischsten stellt sich die kaum vorhandene Aktivität auf den diversen Kanälen heraus, die wir über einen Untersuchungszeitraum von einem Monat gemonitort haben. In allen untersuchten Kanälen zeigt mindestens ein Drittel der Unternehmen gar keine Aktivität, veröffentlicht also keinerlei Information. Ebenso problematisch ist, dass auf Beiträge der User auch nur sehr selten reagiert wird. Damit wird faktisch kein Raum für Partizipation und Vernetzung geschaffen.

PR-Jounral: Wie müssen die Unternehmen ihren Umgang mit den sozialen Medien ändern, um einen echten Austausch mit ihren Stakeholdern zu ermöglichen?

Peter Winkler: Wie unsere ernüchternden Ergebnisse zeigen, ist es in erster Linie einmal wichtig zu erkennen, dass die technische Infrastruktur allein noch keine Partizipation schafft. Um Themen zu schaffen, die sich für User als relevant und verfolgenswert erweisen, gilt es folgende Aspekte zu beachten: Themensetzung kann und soll von beiden Seiten, also Unternehmen wie Usern, erfolgen. Themen sind nicht als klassische „Verlautbarung“ zu sehen, sondern entstehen und entwickeln sich vielfach erst im Dialog. Damit geht einher, dass sich Themen auch außerhalb des klassischen, massenmedialen Spektrums bewegen werden, gerade dadurch aber auch neue Erkenntnisse über spezialisierte Community-Interessen gewonnen werden können.  All dies lässt darauf schließen, dass sich die Aufgabe der Online-PR immer weniger auf reine Themensetzung, sondern vielmehr auf kontinuierliche Förderung, Rahmung und Begleitung von Dialogdynamiken konzentrieren wird.

PR-Journal: Wie können PR-Verantwortliche den Unternehmen diesen Richtungswechsel vermitteln?

Uta Rußmann: Oftmals denken Unternehmensführungen Entwicklungen in Social Media vor allem als Kontrollverlust und beziehen eine entsprechend reservierte Position. Hier kann Aufgabe von PR-Verantwortlichen sein, für eine differenziertere Sichtweise zu sorgen und neben Risiken auch auf den Mehrwert einer unternehmerischen Betätigung im Social Web zu verweisen: Erstens ist auf die sehr viel spezialisierteren Möglichkeiten des Monitorings von Stakeholderanliegen hinzuweisen. Zweitens lassen sich öffentlichkeitsrelevante Themen und Fragestellungen auf diesem Weg bereits frühzeitig „abtesten“ und unter Einbindung von Usern weiterentwickeln. Und drittens erweist sich das Social Web als sinnvoller Raum, Expertise im direkten Umgang mit öffentlicher Kritik auszubauen.

PR-Journal: Wie können PR-Manager den Übergang gegenüber den Usern glaubwürdig gestalten?

Peter Winkler: Hier gilt es vor allem anzuerkennen, dass Glaubwürdigkeit im Social Web anders hergestellt wird als in den klassischen Massenmedien. So wird gute PR-Arbeit weniger daran gemessen, ob man sich durch Fachexpertise oder schlagende Argumente zu profilieren weiß. Eher geht es darum, sich in Stil und Schwerpunktsetzung an die jeweils adressierte Community anzupassen und dieser auch ihre Eigenständigkeit zuzugestehen. Die viel beschworene „Kommunikation auf Augenhöhe“ stellt sich dabei aber zugegebenermaßen für massenmedial erprobte PraktikerInnen oftmals als schwieriger heraus als angenommen.

PR-Journal: Inwieweit verändert die von Ihnen vorgeschlagene Herangehensweise die Anforderungen an PR-Verantwortliche?

Uta Rußmann: PR-Verantwortliche müssen sich mit dem vielfach sozial verklärten Schlagwort des Dialogs sehr viel intensiver und realistischer auseinandersetzen als bisher. Dabei sind inhaltliche wie technische Eigenheiten der Kanäle sowie damit einhergehende Nutzungsdynamiken zu beachten. Diese Eigenheiten gilt es auch in entsprechenden Social Media Guidelines zu berücksichtigen. Und dabei sollte man sich weder von allzu euphorischen Versprechungen noch dystopischen Szenarien rund um einen Kontrollverlust im Social Web in die Irre führen lassen. Letztlich obliegt es nämlich doch der jeweiligen Unternehmensentscheidung, ob sich der oben skizzierte Mehrwert durch den Einsatz von Social Media wirklich lohnt und ob man auch über die entsprechenden Kapazitäten zu deren kontinuierlicher Nutzung verfügt.

Professor Mag. Dr. Uta Rußmann und Mag. Peter Winkler lehren und forschen an der Stiftungsprofessur für Strategisches Kommunikationsmanagement und Neue Medien der Stadt Wien. Gemeinsam haben sie eine Studie zur Social Media Nutzung der Top 500 Unternehmen in Österreich durchgeführt.

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