Ehrhart-Christof KomChef-DP-DHL NeujahrsempfDPRGNRW 15Ein Neujahrsempfang am 4. Februar? Geschenkt! Denn wer bei der Veranstaltung der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) im Bonner Posttower nicht dabei war, der hat einen wegweisenden Vortrag versäumt. Vor knapp 60 Gästen – darunter auch DPRG-Präsident Norbert Minwegen und sein Stellvertreter Philipp Schindera, Kommunikationschef bei der Telekom, – zeigte Gastgeber Christof E. Ehrhart (Foto, (c) Cornelia Danetzki-DPRG), Head of Corporate Communications and Responsibility bei der Deutschen Post DHL, auf, wie sehr die Unternehmenskommunikation im Umbruch ist und wie die Entwicklungsperspektiven aussehen. Ehrhart, im Nebenberuf noch Honorarprofessor für Internationale Unternehmenskommunikation am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Leipzig, reflektierte in gut 25 Minuten überaus pointiert, wie sich das Berufsfeld aus Zeiten der Öffentlichkeitsarbeit zum Kommunikationsmanagement in der Postmoderne gewandelt hat. Eine der wichtigsten Herausforderungen für Kommunikationsmanager sei es dabei heute, eine „Corporate Empathy” für ihr Unternehmen entwickeln.

Ehrhart schlug einen Bogen vom Ende der klassischen Öffentlichkeitsarbeit zum modernen Kommunikationsmanagement. Nachdem mit der Ausbreitung des Internets das alte Sender-Empfänger-Modell nicht mehr funktioniert habe und auch „der Redaktionsschluss außer Kraft gesetzt“ worden sei, hätten sich alle Kommunikationsdisziplinen auf die stetig zunehmende Digitalisierung des Alltags einstellen müssen. Die Fragmentierung des sozialen Umfelds – oder aus Unternehmenssicht die Zersplitterung des Umfelds in immer kleinere Zielgruppen – hätten zusätzliche Komplexität und Volatilität gebracht, denen man adäquat begegnen müsse. Immer stärker verlangten nun Fragen zur Sinnstiftung, zum Vertrauen, zur Nachhaltigkeit und Relevanz nach Antworten. Für Kommunikationsmanager bedeute dies, dass sie eine „Architecure of Listening“ installieren müssten.

„Corporate Empathy“
Die neue Logik der Unternehmenskommunikation müsse sich auf Forderungen vieler noch so kleiner Anspruchsgruppen einstellen. Dies gipfele in der Entwicklung einer „Corporate Empathy”, bei der es zunächst statt um „Verlautbarung” eher um den Aufbau und die Pflege von Gemeinschaften gehe, in denen ein Austausch, eine Beteiligung und kontinuierliches Feedback möglich sei. Ehrhart brachte es auf die Formel: „Wir müssen nicht nur der Welt das Unternehmen erklären, sondern wir müssen auch dem Unternehmen die Welt deuten. Dazu gehört, dass wir anstatt getroffene Entscheidungen zu erläutern, dazu beitragen müssen, nachhaltige Entscheidungen überhaupt erst zu ermöglichen.“

Alt hergebrachte Kommunikationsprinzipien modifiziert
Konzentriert, wenn nicht gar gebannt, hörten die knapp 60 DPRG-Gäste den Ausführungen des Praktikers zu, der nach eigenen Worten mit einem leichten Hang zum Theoretischen ausgestattet ist. Geschickt holte er sein Publikum bei alt hergebrachten Prinzipien der Kommunikationsarbeit ab, um sie gleich danach zu modifizieren oder gar gänzlich in Frage zu stellen. So geht nach Meinung Ehrharts eine „One Voice Policy“ heute nicht mehr auf. Da stets ein ganzes Set von Botschaften vermittelt werden müsse, schlug er eine „One Message – many Voices Policy“ vor. Aus „Think global, act local“ müsse vielmehr „Think global, act global“ werden, da es nur noch eine weltweite Öffentlichkeit gebe. Und vom Denkmodell des „Agenda Setting“ müsse man sich ohnehin verabschieden. Ein gesellschaftlicher Diskurs sei heute nicht mehr bestimmbar. Stattdessen komme es darauf an, gesellschaftliche Bedürfnis- und Einschätzungslagen zu erkennen und die Interessen des Unternehmens hiermit abzugleichen, aus „Agenda Setting“ werde somit „Agenda Alignment“.

Was folgt aus den skizzierten Entwicklungen für ein modernes Kommunikationsmanagement? Ehrhart gab seinen Kolleginnen und Kollegen vier Punkte mit auf den Weg:

Flexible Haltung statt Kontrolle
Wer im Sattel bleiben wolle, müsse wie ein Rodeo-Reiter eine flexible Haltung einnehmen. Dazu gehöre auch, teilweise loslassen zu müssen. Wer die absolute Kontrolle haben wolle, werde auf die Dauer nicht genügend Kraft haben, um im Sattel zu bleiben.

Dialogfähigkeit
Die „Architecure of Listening“ bedeute, dass Kommunikationsmanager ihre Arbeitsweise umstellen müssten. Nur wer seine Gestaltungsmacht teile, könne die Kontrolle über die wesentlichen Kommunikationsvorgänge und -ergebnisse behalten.

Permanent im Krisenmodus arbeiten
Wer die Krise als Dauerzustand annehme, können mit dem früher nur für Krisen gedachten Instrumentarium heute gut arbeiten. Wer im permanenten Krisenmodus agiere, sei nie unvorbereitet und werde in Folge dessen auch nicht von neuen Entwicklungen überrollt.

Expertentum ablegen
„Fangen wir an, unternehmerisch zu denken. Lassen Sie uns die Attitüde des ‚Ich sag euch wie wir kommunizieren müssen‘ ablegen, dann werden wir mehr gehört werden“, prophezeite Ehrhart zum Ende seines Vortrags.

Fortsetzung der Diskussion beim Fachtag im Juni
Nach dem lang anhaltenden Beifall dankte DPRG-Landesgruppen-Vorsitzender Udo Seidel Ehrhart für seinen Vortrag. Für Gesprächsstoff war damit reichlich gesorgt. Die fachliche Diskussion dürfte bei den nächsten Treffen im März bei der Haniel Gruppe in Duisburg und spätestens beim DPRG-Fachtag im Juni in Gelsenkirchen seine Fortsetzung finden – dann hoffentlich mit Ehrhart, der der Branche sicher noch einige Denkanstöße geben kann.


Wir haben die Kommentarfunktion wegen zu vieler Spam-Kommentare abgeschaltet. Sie können uns aber trotzdem Ihre Meinung zu diesem Artikel als Leserbrief direkt zusenden. Falls Sie wünschen, dass wir Ihren Leserbrief als Kommentar dem Artikel hinzufügen, vermerken Sie dies bitte in der Mail an uns.
leserbrief@pr-journal.de