Studien Studie: PR-Agenturen haben Nachholbedarf beim Personalmarketing im Web

Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Arbeitgeberattraktivität von PR-Agenturen, wurde an der Universität Leipzig eine Studie zum Personalmarketing auf Agenturwebseiten durchgeführt. Die Analyse von 109 Internetauftritten zeigt, dass nur wenige PR-Agenturen gutes Personalmarketing im Web betreiben. Weniger als die Hälfte der Agenturwebseiten besitzt einen leicht auffindbaren Karriere-Button. Die Mehrzahl der Agenturen macht keine Angaben dazu, ob Stellen vakant sind oder nicht. Wenn Stellenanzeigen veröffentlicht sind, mangelte es oft an Aktualität oder Vollständigkeit der Informationen. Unternehmenskultur und Arbeitgebermarke werden selten als Rekrutierungsargument genutzt.

Kaum eine Woche vergeht, in der der PR-Agentur-Branche nicht existentielle Nachwuchsprobleme bescheinigt und der nahende Fachkräftemangel prophezeit werden. Selbst die vom Agenturverband Gesellschaft PR-Agenturen (GPRA) definierten Mindeststandards für die Einstellung und Entwicklung von Nachwuchskräften werden heiß diskutiert und vermögen die Attraktivität des Arbeitgebers PR-Agentur offensichtlich nicht zu steigern. Der einzelnen PR-Agentur stellt sich somit die Frage, wie sie sich diesem Urteil und damit auch dem Problem des Nachwuchsmangelns entziehen kann. Insbesondere die größeren Arbeitgeber der Branche punkten vermehrt mit standardisierten Traineeprogrammen, die Nachwuchskräfte mit Entwicklungsversprechen locken und ihnen den Jobeinstieg vereinfachen sollen (siehe Serviceplan-Gruppe).

Nur eine Handvoll Aspekte müssen beachtet werden
Doch nicht jede PR-Agentur wird diesen Weg für sinnvoll geschweige denn umsetzbar halten. Glaubt man theoretischen Abhandlungen über die Grundlagen des Personalmarketings, müssen Unternehmen nur eine Handvoll Aspekte beachten, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber bei Bewerbern und Mitarbeitern zu steigern: Gehalts-, Standort-, Leistungs- und Kommunikationspolitik sowie gewisse HRM-Prozesse und Regeln der Mitarbeit (Elemente des Personalmarketing-Mix nach Wirtschaftswissenschaftlerin Ruth Stock-Homburg).

Laut aktuellen Studien zur Arbeitgeberattraktivität (z. B. Universum Young Professionals Studie und Employer-Relations-Studie der Universität Hohenheim) zählen Jobinteressenten insbesondere eine angemessene Vergütung und ein vielseitiges Aufgabenprofil zu den Merkmalen des idealen Arbeitgebers. Als wünschenswerte Zusatzleistungen gelten unter anderem Altersvorsorgeangebote, Weiterbildungsmöglichkeiten und die Vergütung von Überstunden. Unternehmensbezogene Informationen wie Arbeitsklima, soziales Engagement des Arbeitgebers oder wirtschaftliche Situation des Unternehmens werden insbesondere dann interessant, wenn die stellenbezogenen Informationen bei zwei möglichen Arbeitgebern sehr ähnlich sind.

Für den Zweck der Employer-Relations werden Social Media-Kanäle überschätzt
Ein attraktives Jobangebot führt jedoch nur dann zum passenden neuen Mitarbeiter, wenn es dem Arbeitgeber gelingt, potentielle Bewerber darauf aufmerksam zu machen und sie von den Konditionen zu überzeugen. Eine jüngst im „PR-Journal“ vorgestellte Studie zur Personalrekrutierung der PR-Agenturen kam zu dem Schluss, dass einige der umsatzstärksten Agenturen in den sozialen Medien sehr aktiv sind, um einen guten Eindruck bei Bewerbern zu hinterlassen. Doch was nützt die beste Social Media-Strategie, wenn Mitarbeiter und Bewerber einen ganz anderen Weg gehen, um sich über den potenziellen neuen Arbeitgeber oder mögliche Stellenwechsel zu informieren? Laut der Hohenheimer Studie werden Social Media-Kanäle für den Zweck der Employer-Relations von Kommunikatoren heutzutage deutlich überschätzt.

Ebenso wie andere empirische Untersuchungen auch (das „PR-Journal“ berichtete) zeigt die Befragung klare Präferenzen bei der aktiven Informationssuche verschiedener Zielgruppe der Arbeitgeberkommunikation auf: So gilt eine repräsentative und informative Karriere-Webseite als wichtigstes Element einer erfolgreichen HR-Kommunikation. Sowohl Hochschulabsolventen als auch Studierende und abhängig Beschäftigte haben ein hohes, allgemeines Interesse an Arbeitgeberthemen und nutzen vorzugsweise die Webseiten von Unternehmen, um sie als Arbeitgeber kennenzulernen oder sich über interessante Stellen zu informieren – gefolgt von persönlichen Gesprächen mit Freunden oder Mitarbeitern. Weitaus seltener werden für diesen Zweck (selbst von der jüngeren Zielgruppe) andere Quellen wie die Social Media-Auftritte der Unternehmen oder Bewertungsportale genutzt. Entsprechend diesen Ergebnissen tun die Verantwortlichen der Arbeitgeberkommunikation in den Personal- oder Kommunikationsabteilungen gut daran, sich innerhalb ihres Maßnahmen-Mix insbesondere auf Karriere-Webseiten zu fokussieren.

Aktuelle Studie zeigt deutliche Tendenzen
Um Aussagen über die bisherigen Personalmarketing-Anstrengungen in der PR-Agentur-Branche treffen zu können, wurde eine Stichprobe von 109 Agenturwebseiten auf ihre Akquisitions-, Profilierungsfunktion und auf ihren informativen Charakter hin untersucht. Auch wenn die Untersuchung, die im Rahmen einer Studienabschlussarbeit an der Universität Leipzig bis 2015 durchgeführt wurde, keinen Rückschluss auf die gesamte Branche zulässt, werden deutliche Tendenzen sichtbar: Weniger als die Hälfte der Agenturwebseiten (42 Prozent) besitzt einen sogenannten Karriere-Button, mit dessen Hilfe Interessenten zu den Jobangeboten und Karriereinformationen geleitet werden ohne lange suchen zu müssen. Von den Agenturen, die einen solchen Reiter auf ihrer Internetseite integriert haben, haben ihn zwei Drittel direkt auf der Startseite positioniert, bei einem Drittel befindet er sich auf einer der ersten Unterebenen. Nur die Minderheit der Arbeitgeber macht Angaben zu wichtigen Faktoren der Arbeitgebermarke, nämlich zum Agenturstandort (44 Prozent), zu den Werten des Unternehmens (46 Prozent), zum Kollegium (26 Prozent) oder zur Arbeitsweise (13 Prozent). Die meistgenannten Attribute bei der Beschreibung der Unternehmenskultur sind Kreativität und Leidenschaft. Die Agenturen unterscheiden sich auf den ersten Bewerberblick nicht durch individuelle Kulturprofile. Flache Hierarchien werden angepriesen, wenn die Agenturen über ihre Arbeitsweise informieren.

Nur 42 der untersuchten 109 Webseiten enthielten Angaben darüber, ob die Agentur gerade Mitarbeiter sucht oder nicht. Die Mehrzahl der Agenturen machte gar keine Angaben dazu. Nur ein Fünftel der auf den Webseiten veröffentlichten Stellenanzeigen war augenscheinlich vollständig und aktuell. In 30 Prozent der Fälle war die Aktualität der Anzeigen nicht ersichtlich und bei der Mehrheit der Stellenangebote fehlten entweder Angaben zur Unternehmensphilosophie, zur ausgeschriebenen Stelle, zu den Anforderungen an den Arbeitnehmer, zu den Leistungen des Arbeitgebers oder zu Bewerbungsmodalitäten.

Ist der Jobeinstieg erst einmal geschafft, dann stellt sich Arbeitnehmern die Frage, wie sie sich bei ihrem derzeitigen oder einem anderen Arbeitgeber weiterentwickeln können. Nur auf elf Agenturwebseiten (12 Prozent) werden Angaben zu Weiterbildungsmaßnahmen gemacht und in 7 Prozent der Fälle werden Karrieremöglichkeiten in Aussicht gestellt. Bedenkt man die branchenspezifische Notwendigkeit der Weiterentwicklung durch medialen Wandel und ständige Ausdifferenzierung des Berufsfeldes, verwundern diese Zahlen.

Kein Zusammenhang zwischen Agenturgröße und Qualität des Personalmarketings
Nur selten waren die Agenturwebseiten mit einem Blog verlinkt (7 Prozent) oder enthielten Imagefilme mit Personalmarketing-Elementen (8 Prozent). Bei 12 Agenturen (13 Prozent) ließen sich weitere Kanäle identifizieren, z. B. Unternehmensprofile auf Facebook oder Twitter. Sie wurden u. a. genutzt um auf Stellenanzeigen hinzuweisen, Mitarbeiter zu begrüßen oder zu verabschieden und von Betriebsausflügen oder aus dem Unternehmensalltag zu berichten. Am Beispiel der Imagefilme, deren Qualität im Sample sehr stark variiert, zeigt sich deutlich, dass die Nutzung eines Kanals nicht per se einen positiven Einfluss auf die Rekrutierungsbemühungen des Unternehmens hat. Im Gegenteil: Ein langweiliges Video, eine veraltete Facebook-Seite oder ein unübersichtlicher Blog können gar einen schlechten Eindruck bei potenziellen Arbeitnehmern hinterlassen. Die Analyse zeigte zudem, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Agenturgröße und Qualität des Personalmarketings gibt.

Ein Vergleich der Ergebnisse dieser Studie mit den Noten des „PR-Journal“-Website-Check 2014 zeigt, dass selbst exzellent bewertete Agenturwebseiten (Gesamtwertung) nicht automatisch auch exzellentes Personalmarketing beinhalten. Allerdings zeigt sich ein leichter Trend dahingehend, dass bei Agenturen mit gutem Internetauftritt mehr Personalmarketing-Elemente gefunden werden, als bei Arbeitgebern, deren Website bei der Gesamtbeurteilung keinen guten Gesamteindruck hinterließ. Erreichten die Webseiten deutscher PR-Agenturen im „PR-Journal“-Check 2014 eine durchschnittliche Schulnote von 2,4, konnte für die Personalmarketing-Elemente der Webseiten nur eine 4,8 vergeben werden.

Resümee der Studie:
Personalmarketing Agenturen Uni Leipzig16Es gibt nur wenige mustergültige Beispiele für integriertes Personalmarketing auf Agenturwebseiten. Bei der großen Mehrheit der analysierten Agenturauftritte dürfte das Bewerbererlebnis bei der Webseitenlektüre milde gesagt ernüchternd sein, denn es findet sich keine Spur eines zielgerichteten, strategischen Personalmarketings. Dies ist verwunderlich, empfehlen sich die meisten der untersuchten PR-Agenturen ihren Kunden doch als Experten für digitale Kommunikationsstrategien. Möglicherweise lässt sich diese Diskrepanz damit erklären, dass die zuständigen Mitarbeiter andere Kanäle oder Instrumente bevorzugen oder dass die Personalarbeit in PR-Agenturen oft als Nebenaufgabe von PR-Experten betrachtet wird und es kein ausgebildetes HR-Fachpersonal gibt. Als Grund könnte auch vermutet werden, dass der Etat für Personalmarketing in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als Erstes gestrichen wird. Die Webseiten-Analyse lässt vermuten, dass der zeitliche und budgetäre Aufwand für die Akquise neuer Mitarbeiter in den meisten Agenturen eher gering gehalten wird. Vielleicht liegt es auch daran, dass der viel beschriene Fachkräftemangel die PR-Agenturbranche aktuell noch gar nicht erreicht hat und mehr Nachfrage als Angebot herrscht? Auch die angeblich gestiegenen Ansprüche der Generation Y und Z scheinen die Rekrutierungsverantwortlichen der Agenturen nicht in Alarmbereitschaft zu versetzen („PR-Journal“ berichtete).

Sollte dem so sein, darf auch die vorherige Generation nicht vergessen werden. Aus ihr rekrutieren sich wechselbereite Berufserfahrene aus anderen Unternehmen und die eigenen Mitarbeiter. Auch für diese Zielgruppen lohnt es sich, die eigene Arbeitgebermarke und die HR-Kommunikation auf der Agentur-Webseite kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Über die Autorinnen: Juliane Kiesenbauer ist Wissenschaftlerin und Dozentin am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Sie arbeitet derzeit an einem mehrjährigen Forschungsprojekt zum Thema „Kompetenzmanagement für die Unternehmenskommunikation“ in Zusammenarbeit mit globalen Konzernen. kiesenbauer@uni-leipzig.de

Marianne Umlauft ist Absolventin des Bachelorstudiengangs Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig und studiert derzeit im Masterstudiengang „Information and Communication Science“ an der FH Mittweida. Marianne.umlauft@gmail.com

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