Rezensionen Rezension: Propaganda – ein großes, altes Buch

Propaganda Edward L Bernays CoverTitel: Propaganda; Autor: Edward L. Bernays; erschienen 1928 in New York; deutsche Ausgabe erschienen bei orange-press, 2007
Ein Lehrbuch für Kommunikationsprofis aus Politik und Wirtschaft von 1928? Lächerlich! Oder? Tatsächlich steht „Propaganda“ von Edward L. Bernays, neben Ivy Lee und anderen einer der Väter der Public Relations, wie ein Fels im Ozean voller Büchlein von Dampfplauderern. Bis heute regt das Buch wie kaum ein anderes an zur Reflektion über Begriffe wie Agitation, Manipulation und Propaganda in Werbung, PR und Kommunikationswissenschaft. Sowie über die eigene Verantwortung, wenn wir uns die Wahrheit von Kunden oder Vorgesetzten diktieren lassen – und diese dann gekonnt an die Zielgruppen bringen.

Bernays, 1891 in Wien geboren und am 9. März 1995 in New York gestorben, war zu seiner Zeit der erfolgreichste, innovativste, bedeutendste Vertreter einer neu aufkommenden Zunft von Imagemachern. Wie keiner vor ihm nutzte er die Erkenntnisse seines Onkels Sigmund Freud für die erfolgreiche Gestaltung von Kampagnen für Staaten, Präsidenten, Bananen oder Zigaretten. Der erste Spin-Doctor der Moderne spielte geradezu mit den irrationalen Sehnsüchten von Konsumenten. Persuasive Massenkommunikation war für ihn Wissenschaft, die es zu erforschen und anzuwenden gilt.

Nüchtern und analytisch bringt er seine zentrale Synthese über die Macht von Propagandisten und Kommunikatoren auf den Punkt: „Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land. Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben. Sie beeinflussen unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken. Doch das ist nicht überraschend, dieser Zustand ist nur eine logische Folge der Struktur unserer Demokratie: Wenn viele Menschen möglichst reibungslos in einer Gesellschaft zusammenleben sollen, sind Steuerungsprozesse dieser Art unumgänglich.“

Das wegweisende Buch, damals in der Tat eine Art Enthüllungsbuch, wurde in Deutschland von Kommunikatoren der Nachkriegsgeschichte kaum beachtet. Erst 2007 erschien eine deutsche Ausgabe. Die Passagen über Kampagnen, die Kriege legitimieren sollen, gehören zum Spannendsten. Verblüffend: Das Drehbuch für den Auftritt des ehemaligen US-Außenministers Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat im Jahr 2003, kann man bei Bernays 1928 nachlesen. Powell präsentiert damals falsche Informationen, um die Weltöffentlichkeit für den Irak-Krieg zu gewinnen.

Auch Russlands Trollfabrik in Sankt Petersburg, in der Hunderte von Mitarbeitern für Agitation und Propaganda im Social Web sorgen, ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass die von Bernays entwickelten Methoden der Beeinflussung öffentlicher Meinung bis heute funktionieren. Demokratien und Diktaturen, Markenartikler und NGOs, Politiker und Parteien, Pegida und IS – sie alle greifen, bewusst oder unbewusst, auf die Erkenntnisse und Mechanismen zurück, die der große Bernays in seinem Klassiker niederschrieb.

Mit der Intention seines in New York erschienen Buches jedoch hat er versagt. Der Gründervater der modernen Public Relations, durch und durch Demokrat, wollte den Begriff Propaganda, den Katholiken schon 1622 für die Verbreitung einseitiger Informationen prägten, endgültig rehabilitieren. Daraus wurde nichts. Der kleine Deutsche Joseph Goebbels brandmarkte den Begriff auf ewig als grundböse.

Über den Autor: Dr. Volker Klenk ist seit 2003 Mitinhaber der Frankfurter Kommunikationsberatung Klenk & Hoursch AG. Bevor er den Schritt in die Selbständigkeit ging, sammelte er Agenturerfahrung bei Burson Marsteller, Cohn & Wolfe und Edelman. Zudem war er als freier Wirtschaftsjournalist unter anderem für „Horizont“, die „Frankfurter Allgemeine“ und die „VDI-Nachrichten“ tätig. Klenk lebt mit seiner Familie seit über 25 Jahren im Taunus.

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