Termine Bezahlte Pressereisen: Ethik und Anstand bei allen Beteiligten Mangelware

grigoriou birgitjpgErstmalig haben Vertreter zweier gewichtiger Organe der Selbstkontrolle der Presse und des PR-Berufsfelds gemeinsam über Ethikregeln und Codices in Zusammenhang mit Pressereisen diskutiert. 40 Gäste waren gekommen und hofften auf eine spannende Diskussion. Aufhänger für die Veranstaltung sind die Enthüllungen rund um die „Luxusreisen“ des Stahlkonzerns ThyssenKrupp im Jahr 2012. Spannend: Neben den Vertretern des Deutschen Rats für Public Relations (DRPR) und des Deutschen Presserats diskutierten Alexander Wilke, Leiter Unternehmenskommunikation von ThyssenKrupp, und Jörg Eigendorf, Leiter des Investigativ-Teams der Zeitung „Die Welt“. Er enthüllte die Machenschaften des damaligen Vorstandsmitglieds Jürgen Claassen und brachte seine Verwunderung über den Mangel an Schuldbewusstsein unter seinen Kollegen zum Ausdruck: „Es steht klar im Pressekodex drin. Der Kodex muss nur klar eingehalten werden.“

Ein strukturelles Problem sieht auch Professor Jürgen Marten, stellvertretender Vorsitzender von Transparency International und Diskussionsteilnehmer. Seines Erachtens müssen Redaktionen ein Selbstverständnis entwickeln und Compliance Regeln einführen. Offensichtlich ist, dass Berichte, die auf Einladungen zu Pressereisen beruhen, nicht immer mit solch einem Hinweis gekennzeichnet sind. Da ist man in der Werbung bereits Lichtjahre weiter, denn Promotion-Artikel haben Kennzeichnungspflicht wie auch Medienkooperationen. Auch PR-Verantwortliche folgen nicht immer den guten Regeln von Moral und Anstand, sehen sich aber auch seitens der Verlage unter Druck gesetzt. Redaktionsangebote wie „Gern berichte ich, wenn Ihr mal ein/zwei Anzeigen schaltet“ sind da nicht selten der Fall.
Pressereisen bleiben wichtig
Wie wäre es aber, wenn kein Journalist mehr an einer Pressereise teilnähme? Fachverlage und Reiseredaktionen würden eingestampft. Und, wenn man nur denjenigen Pressevertretern eine Übernahme von Reisekosten anböte, deren Verlage kein Budget haben? Das verursacht Zündstoff unter den Teilnehmern, die ihren Aufwand aus eigener Tasche bestreiten. Eines sollte klar sein: Pressereisen sind wichtig für alle Beteiligten. Sie vermitteln Hintergrundinformationen, machen bislang Abstraktes erlebbar und für die Presse besser nachvollziehbarer. Man kann schließlich keinen Milchviehbetrieb in die Großstadt versetzen, um den Arbeitsalltag eines Agrarwirts zu veranschaulichen und auf diese Weise das Bewusstsein für das Verhältnis zwischen Aufwand und Milchpreispolitik zu schärfen.
Codices und Verhaltensregeln bekannt machen
Richtlinien und Codices sind bekanntlich nur eine Seite der Medaille. Die Umsetzung in die Praxis braucht da weitaus mehr als auf Papier gedruckte Worte. „It takes Two to Tango“, sagte Alexander Wilke so schön während der Debatte. Ich bin der Meinung „it takes Four to Tango“, nämlich den Arbeitgeber oder Kunden des PR-Verantwortlichen und auch die Verlagsleitung. Hier entsteht – nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen – der Druck, die Verhaltensregeln schnell einmal über Bord zu werfen. Doch vielmehr sollten die Codices doch bekannt gemacht werden. So sind alle Gremien und Verbände dringend dazu aufgerufen, die Codices und Verhaltensregeln im interaktiven Dialog in Köpfe und Herzen derjenigen zu transportieren, die letztlich agieren. Ich jedenfalls freue mich auf weitere zielführende Diskussionen.

 

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