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Die zweite entscheidende Nachricht ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu mehr Rechten fur Umweltschützer. Umweltverbände haben damit in Zukunft mehr Möglichkeiten, umstrittene Infrastrukturprojekte vor Gericht prufen zu lassen und zu stoppen. Dieses Grundsatzurteil gesteht Umweltverbänden das Recht zu, gegen die Verletzung von Umweltschutz-Vorschriften zu klagen, etwa Gewässer- oder Immissionsschutzregeln. Das war ihnen bisher nach deutschem Recht verwehrt. Nicht nur Umweltgruppen freuten sich deshalb uber diesen Erfolg. Auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sieht diese Entscheidung positiv: "Es stellt sich immer mehr heraus, dass die fruhzeitige Beteiligung von Burgern und Verbänden bei großen Infrastrukturvorhaben am Ende der Akzeptanz und damit der Realisierbarkeit dient".

Die Suddeutsche Zeitung lobte in Ihrem Kommentar das Urteil als ein Meisterstuck, bei dem es keine Verlierer gäbe. „Man muss kein Hellseher sein, um vorherzusagen, dass damit kunftig sehr viel mehr Prozesse gegen geplante Kraftwerke oder Industrieanlagen gefuhrt werden. Und eben darin liegt eine große Chance - nicht fur Stillstand, sondern im Gegenteil fur Fortschritt.“ und weiter: „Wenn nun Umweltverbände ein eigenes Klagerecht bekommen, dann können sie alle ihre Bedenken fruhzeitig vor Gericht formulieren. Dort ist - anders als auf der Straße - ein sachlicher Austausch von Argumenten möglich. Dort können sie rechtskräftig feststellen lassen, ob ihre Bedenken berechtigt sind oder nicht.
Das muss nicht, aber es kann dazu beitragen, das Unbehagen zu reduzieren.“

"Es stellt sich immer mehr heraus, dass die fruhzeitige Beteiligung von Burgern und Verbänden bei großen Infrastrukturvorhaben am Ende der Akzeptanz und damit der Realisierbarkeit dient" – Norbert Röttgen

Rolle der Zivilgesellschaft bei der Konsensfindung
Die Stimme der Burgergesellschaft wird durch diese zwei Entwicklungen weiter gestärkt und verändert unsere Gesellschaft insgesamt. Denn nicht erst seit Stuttgart 21, spätestens aber seit Fukushima, haben sich die Prozesse der Entscheidungsfindung in Politik und Gesellschaft verändert. Die Bedeutung der Zivilgesellschaft bei der Konsensfindung hat stark zugenommen und wird weiter zunehmen. Beschlusse „per Order de Mufti“ sind heute – wenn vielleicht auch rechtlich abgesichert – nicht mehr akzeptiert.

Statt einer nur einseitigen Information top down ist heute ein fruhzeitiger Dialog mit den (lokalen) Interessengruppen zwingend nötig. Ohne die Teilnahme der Zivilgesellschaft an der Entscheidungsfindung gibt es kaum noch Konsens. Die Rolle des einzelnen Burgers wurde gestärkt. Viele sehen dies kritisch, da dadurch Prozesse langwieriger werden und die Umsetzung auch scheitern kann.

Umso entscheidender fur die erfolgreiche Realisierung von Infrastrukturprojekten wie der anstehenden Energiewende ist die professioneller Kommunikation mit den beteiligten Interessengruppen. Der Aufbau eines wirklichen Dialoges auf Augenhöhe, die neutrale und fruhzeitige Information und die Diskussion aller Alternativen auf dem Weg zu einer Konsensfindung ist Aufgabe von Community Relations. Ziel ist es, die Akzeptanz möglichst aller Interessengruppen zu gewinnen.

10 Fehler bei der Kommunikation mit Interessengruppen
Viele Projekte scheitern, weil sich Fronten bilden, die Gegner nicht mehr zu einem wirklichen Dialog in der Lage sind. Fehler - bewusst oder unbewusst - werden auf inhaltlicher Seite gemacht, aber häufiger in der Kommunikation miteinander. Worauf hier zu achten ist, sollen die 10 folgenden Punkte zeigen.

1. Kein Dialog: Es wird kein wirklicher Dialog gesucht, sondern nur verkundet/informiert (top down), was in Planungsentscheidungen „per order de Mufti“ beschlossen wurde. Oder die Öffnung in Richtung der betroffenen Bevölkerung erfolgt zu spät, wenn ein Konflikt schon ausgebrochen ist. In beiden Fällen stößt fehlende Transparenz auf Unverständnis und erzeugt starken Widerstand bei den Burgern. Paradebeispiel hierfur ist Stuttgart 21. Erst, als das Kind schon im Brunnen lag, hat man mit der Schlichterrunde begonnen, einen Dialog zu versuchen. Ob erfolgreich, wird sich noch weisen, zumindest haben die Kontrahenten wieder miteinander gesprochen.

2. Keine ausgewogenen Informationen: Ebenso wenig zielfuhrend ist es, zwar fruhzeitig durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auf die betroffenen Gruppen zuzugehen, doch die Informationen nicht ausgewogen und neutral zu gestalten, sondern als Marketinginstrument fur die eigene Sache einzusetzen. Hier hilft es, möglichst unabhängige Experten einzubinden und einen breiten Informationspool zu schaffen, bei dem alle Interessengruppen zu Wort kommen und sämtliche Alternativen vorgestellt werden.

3. Unverständliche und/oder nicht relevante Information: Neben marketinglastigen, d.h. einseitigen Informationen sind auch jene relativ wertlos, die sich hinter Fachchinesisch und/oder Beamtendeutsch verstecken. Schlimmstenfalls sind diese Informationen gar nicht relevant fur die Sache. Oft wird solch ein Gebahren als taktisches Mittel eingesetzt, um Aussagen zu verschleiern oder strittige Punkte, und Probleme zu verbergen. Doch wer so mit seinem Gegenuber umgeht, darf kein Verständnis oder Dialogbereitschaft erwarten. Maßstab sollte deshalb immer der Laie sein, der von der Thematik das erste Mal erfährt und umfangreiche Erklärungen braucht.

4. Kommunikationsmethoden und Kanäle passen nicht zum Zielpublikum: Nicht nur die Inhalte und die Absicht mussen stimmen, sondern auch die Methoden und Kanäle der Kommunikation. Was nutzt eine Facebook-Plattform oder andere Social Media Aktivitäten, wenn die Betroffenen mehrheitlich solche Kommunikationskanäle nicht nutzen? Hier muss man mit Fingerspitzengefuhl vorgehen und lieber mehrere Kanäle parallel anbieten. Fur den Dialog bieten sich unterschiedliche erprobte Möglichkeiten fur alle Zielgruppen, seien es Workshops oder Burgerforen, Burgerbefragungen, Zukunftswerkstätten und Burgerforen im Internet, Computerplanspiele, etc.

5. Alternativen werden vernachlässigt: Der zentrale Punkt einer Planungsentscheidung muss die gerechte Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange sein. Dazu gehört es, sämtliche technischen Planungsalternativen vor Ort zu prufen und jene auszuwählen, die den breitesten Konsens findet. Doch oft wird dies gar nicht ernsthaft erwogen, sondern man versucht, die vorgefassten Pläne durchzudrucken. Akzeptanz wird dann erreicht, wenn die Strategie verständlich dargestellt und der Nutzen der Maßnahme nachgewiesen werden kann. Der Nachweis, dass alle Alternativmaßnahmen ausgeschöpft sind und Beschränkungen auf das unumgängliche Maß reduziert werden, kann die Akzeptanz auf allen Seiten erhöhen. Denn Nutzen oder Vorteil der einen bedeutet meist Kosten oder Nachteile fur andere. Dies muss klar kommuniziert werden. Dabei muss man die „Verliererseite“ mit ihren Sorgen ernst nehmen und ihr offen begegnen.

6. Kommnikatoren sind nicht glaub- bzw. vertrauenswürdig: Dialog und Diskussion können nur auf Augenhöhe gefuhrt werden, wenn die einzelnen Kommunikatoren mit ihren Motiven, Funktionen und ihrer Motivation klar erkennbar sind. Wer hier nicht mit offenen Karten spielt, darf sich uber fehlende Glaub- und Vertrauenswurdigkeit bei der Gegenseite nicht wundern. Politik und Industrie haben hierbei meist gegen größere Resentiments anzukämpfen, als Wissenschaftler, Verbraucherverbände oder Umweltgruppen. Umso gewissenhafter mussen sich solche Kommunikatoren vorbereiten und umso nachprufbarer mussen ihre Aussagen sein.

7. Gegner werden nicht als kompetent anerkannt: Wenn der Dialog mit Interessengruppen nur als lästiges Übel angesehen und die Gegenseite nicht als kompetent akzeptiert wird, ist die Kommunikation zum Scheitern verurteilt. Oftmals verhalten sich Kommunikatoren in dieser Situation arrogant und konfrontativ, sie sind an einem Dialog auf Augenhöhe nicht interessiert. Auf die Argumente der Gegenseite wird gar nicht eingegangen oder sie werden nicht ernst genommen, es wird abgewiegelt. Solch ein Verhalten, egal, von welcher Seite, ist naturlich inakzeptabel.

8. Fehlende Moderation: Schwierig und konfliktträchtig ist der Dialog mit Interessengruppen immer, doch problematisch wird es, wenn ein solcher Dialog ohne professionelle Moderation stattfinden muss. Moderator kommt von moderat, das bedeutet gemässigt, neutral. Moderation bedeutet denn auch Mässigen oder Schlichten zwischen mehreren Gruppen. Dazu gehört es, weder Partei zu ergreifen, noch Argumente zu werten oder zu kommentieren. Alle Gruppen gleichermassen zu Worte kommen zu lassen. Aktuelles Beispiel ist auch hier Stuttgart 21. Heiner Geißler musste die Rolle des Schlichters ubernehmen, als ein geordneter Dialog der Interessengruppen untereinander nicht mehr möglich war.

9. Kommunikation ist nicht ergebnisoffen: Kommunikation mit Interessengruppen sollte im Idealfall nicht auf ein bestimmtes Ziel hin, sondern ergebnisoffen angelegt sein. Alle Akteure und Betroffenen werden direkt eingebunden, um gemeinsam nach der „richtigen, umsetzbaren Lösung“ zu suchen. Auch wenn eine solche (fruhzeitige) Einbindung der Burgerkompetenz in einen Gestaltungsprozess derzeit noch eher selten ist, wird dies in Zukunft immer entscheidender fur den Erfolg eines Projekts. Hier sei nochmal auf das Zitat von Norbert Röttgen am Anfang des Beitrags hingewiesen. Bereits festgefugte Entscheidungen nur in der Öffentlichkeit zu verteidigen, um nachträgliche Akzeptanz zu erreichen, ist dagegen selten von Erfolg gekrönt.

10. Kommunikatoren verstecken sich hinter der rechtlichen Lage: Oft wird eine ergebnisoffene Diskussion damit abgeblockt, dass bereits ein rechtsgultiges Verfahren stattgefunden habe (siehe erneut Stuttgart 21). Man versteckt sich gerade bei infrastrukturellen Großprojekten gerne hinter dem Fachplanungsrecht, das nur ein begrenztes Beteiligungsverfahren vorschreibt (vierwöchige öffentliche Auslegung der Planungsunterlagen, fakultativer Erörterungstermin), statt die Interessengruppen mit einzubeziehen, solange noch eine realistische Chance der Einflussnahme besteht. Oft dient eine öffentliche Diskussion oder „Bürgerbeteiligung“ der Behörde oder dem Unternehmen nur noch als Feigenblatt, um bereits gefällte Entscheidungen zu rechtfertigen. Doch Akzeptanz kann nur gewonnen werden, wenn die betroffenen Menschen individueller, unmittelbarer und situativer an Entscheidungsprozessen beteiligt werden.

Aber: Auch gut gemeinte und rechtzeitig initiierte Informations- und Beteiligungsangebote an Interessengruppen mussen nicht automatisch zu einer höheren Akzeptanz und zum Erfolg des Projekts führen. Denn neben einem Dialog auf Augenhöhe gehört auch Kompromissbereitschaft auf allen Seiten zu den Voraussetzungen fur die erfolgreiche Umsetzung von Infrastrukturprojekten. Doch die Wahrscheinlichkeit, bei Vermeidung der zehn beschriebenen Fehler im Dialog miteinander zumindest zu einem Kompromiss zu finden, sind durchaus hoch.

Der Autor Frank Brodmerkel ist Inhaber der Agentur Grüne Welle Kommunikation in München, die sich unter anderem mit Community Relations, also der dialogorientierten Kommunikation mit lokalen Interessengruppen, sowie Nachhaltigkeitskommunikation befasst. Zudem wendet er sich mit seinem Beratungsangebot an Kunden aus den Bereichen Cleantech und Erneuerbare Energien.


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