Roselieb Frank Krisennavigator II„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ – wenn man dieses Motto auf die Kommunikation im eigenen Unternehmen übertragen würde, hätte man als Kommunikator ein leichtes Leben. Den etwa 200 Teilnehmern des Krisenkommunikationsgipfels 2016 aber liegt die Reputation ihres Hauses sehr am Herzen. Die Vertreter aus Unternehmen, Behörden und Agenturen erfuhren am 16. März in der Ludwigs-Maximilians-Universität in München einiges darüber, wie Krisenkommunikation und Reputationsmanagement gelingen kann. Im Zentrum der Veranstaltung stand das Thema „Vertrauensmanagement“, zu dem am Nachmittag eine Podiumsdiskussion stattfand. Umrahmt wurde diese von neun Best-Practice-Beispielen, in denen Unternehmen, Behörden und Forschungseinrichtungen ihre Strategien zur Bewältigung schwieriger Kommunikationssituationen vorstellten. Durch das Programm führte Moderator und Initiator Frank Roselieb (Foto), Direktor des Krisennavigator – Institut für Krisenforschung.

Zwischen „Dieselgate“ und „Lügenpresse“
Wie gewinnt und behält man das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Geschäftspartner? Was macht eine Vertrauensbeziehung aus und welche Rolle spielt diese gerade im Umgang mit Journalisten? Die Podiumsdiskussion widmete sich diesen Fragen, die auch angesichts der „Lügenpresse“-Vorwürfe zurzeit besonders aktuell sind. An der Diskussion beteiligten sich neben der Gastgeberin Romy Fröhlich, Professorin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU, Vertreter aus Wirtschaft und Journalismus, dem deutschen Presserat und der Kommunikationsforschung.

Fazit der Diskussion: In Krisensituationen können Journalisten Angstgegner oder wichtigster Verbündeter sein. Einige Teilnehmer wussten von Krisen zu berichten, die durch fehlendes Wissen von Journalisten und damit Falschinformation der Öffentlichkeit entstanden. Andere Teilnehmer erinnerten aber auch daran, wie wichtig eine gute Beziehung zu den Medien für die Reputation des eigenen Unternehmens ist. In ihrem Abschlussappel wies Fröhlich eindringlich darauf hin, dass bei allem Hadern heterogene und freie Medien die Voraussetzung für eine gesunde Demokratie seien. Darum zu kämpfen lohne sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Süd- und Osteuropa.

Katastrophenmanagement: Krisenkommunikation im großen Stil
Nach dem Zugunfall von Bad Aibling im Februar war der Vortrag von Rainer Thumann, Abellio GmbH Berlin, von besonderer Aktualität. Als Unternehmenssprecher des privaten Verkehrsunternehmens mit dem Fokus auf Zugverkehr beschäftigt er sich mit der kommunikativen Vorbereitung auf Unglücks- und Krisenfälle im Bahnverkehr. Vorfälle wie der Unfall von Bad Aibling führen dazu, dass Abellio seine Maßnahmen zur Krisenbewältigung stets verfeinert und erweitert. Sie reichen vom Krisenhandbuch über die Einrichtung eines Krisenstabs, extra ausgestatteten Räumen für die Kommunikationsarbeit bis hin zu der Anschaffung von Satellitentelefonen (falls das Telefonnetz zusammenbricht). Vier Pressesprecher haben je eine Woche im Monat Bereitschaftsdienst, damit sie im Krisenfall vor die Presse treten können. Ein Booklet mit den relevanten Ansprechpartnern entlang der Bahnstrecken (Landräte, Feuerwehre, Krankenhäuser usw.) soll die Kommunikationswege verkürzen.

Die ganz großen Geschütze der Krisenkommunikation werden im Katastrophenmanagement des Übertragungsnetz-Betreibers 50Hertz Transmission GmbH aufgefahren. Dessen Netzgebiet umfasst im Nordosten Deutschlands neben fünf Bundesländern mit Berlin und Hamburg auch zwei große Stadtstaaten. Die kommunikative Herausforderung für Andy Matthias Müller, Gesamtverantwortlicher Unternehmenssicherheit und Krisenmanagement: Das Durchdenken von Weltuntergangsszenarien. Käme es zu einer Großstörung, würde nichts mehr funktionieren: Kein Telefon, kein Internet, kein Licht und keine öffentlichen Verkehrsmittel wie Züge oder U-Bahn. Nach kurzer Zeit könnte niemand mehr tanken oder seine Akkus aufladen.
Darum fährt die 50Hertz Transmission GmbH eine filmreife Sieben-Tage-Autarkie-Politik. Das bedeutet: Im Falle eines großflächigen Blackouts besitzt das Unternehmen eine unabhängige Infrastruktur für ihre Kommunikation. Dieselmotorenbetriebene Stromaggregate sorgen dafür, dass weitere sieben Tage lang über eigene Glasfaserkabel kommuniziert werden kann. Um dieses Kommunikationsnetz aufrechterhalten zu können, sind für die Notfallbelegschaft Schutzräume mit einem Nahrungsmittelvorrat für 14 Tage eingerichtet worden. Für den Fall einer weltweiten Epidemie sind außerdem Schutzanzüge vorhanden, die das Personal vor der Kontamination schützen sollen.

Twitter ist der Kanal für die Krisenkommunikation
Mark Mätschke, der Referent des Chempark-Betreibers Currenta stellte einige Maßnahmen speziell für mobile Endgeräte vor. Das Unternehmen, das als Chemieparkbetreiber ständig von potenziellen Krisen bedroht ist, verfügt über eine eigene App. Im Krisenfall können über diese App aktuelle Informationen bereitgestellt und ein Dialog mit den Usern geführt werden. Abseits davon haben die Kommunikatoren für ihre Krisenkommunikation Twitter als den unmittelbarsten Social-Media-Kanal definiert. Auf Nachfrage aus dem Publikum erklärte Mätschke, dass die Medien und Öffentlichkeit über Twitter viel direkter erreicht würden als etwa über Facebook.

Eine weitere wichtige Maßnahme ist eine Darksite. Das ist eine Internetseite, die im Vorhinein speziell für den Krisenfall programmiert wird und alle wichtigen Informationen für Betroffene bereitstellt. Sie kann binnen Minuten online geschaltet werden und so zum Beispiel besorgte Anwohner aufklären. Über eine ebenso im Hintergrund eingerichtete Hotline, deren Nummer regelmäßig über Broschüren beworben wird und die auch auf der Darksite und ggf. Twitter öffentlich gemacht wird, können Betroffene dann persönlich Informationen erfragen. Intern werden die Mitarbeiter per Mail informiert. Für den Krisenstab ist ein speziell ausgerüstetes Fahrzeug in Planung. So sind schon auf dem Weg zum Krisenherd erste Kommunikationsmaßnahmen möglich.

Wie ein roter Faden zogen sich folgende Regeln der Krisenkommunikation durch den Gipfel:

  • Krisenkommunikation fängt vor der Krise an: Gute Kontakte zu Medien pflegen, transparent kommunizieren. Wer erst in der Krise anfängt zu kommunizieren, der ist zu spät.
  • Alle Krisen beginnen freitags nach 17 Uhr: Wer eine Krise richtig bewältigen will, muss erreichbar sein und Informationen bieten.
  • Wer nicht kommuniziert, wird kommuniziert: Wer nicht auf die Medien zugeht und sie versorgt oder sich zu lange Zeit lässt, bereitet den Weg für Spekulationen und Wichtigtuer.
  • Mit einer Stimme sprechen: Ist die Krise eingetreten, muss ihr ein Gesicht gegeben werden. Am besten gibt es einen Sprecher, der alle Informationen und Entscheidungen nach außen trägt.
  • Alles auf einmal auf den Tisch legen: keine Salamitaktiken fahren und nicht versuchen, die Medien Häppchenweise abzuspeisen – das zieht die Krise unnötig in die Länge.
  • Lessons-Learned-Runden einberufen: Im Nachgang einer Krise sollten sich alle Beteiligten zusammensetzen und das Konzept anhand der neuen Erkenntnisse überarbeiten.

Über die Autorin: Miri Köbner ist studierte Germanistin und Philosophin. Sie sammelte journalistische Erfahrung in einem Zeitschriftenverlag und ist seit 2015 bei consense communications tätig. Die inhabergeführte PR Agentur mit Sitz in München berät mittelständische Unternehmen unter anderem zu Krisen- und Change-Themen.


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