Branche Studie: Mehrheit der Deutschen glaubt nicht an die Unabhängigkeit der Medien

BR Medien Studie 2016 Emnid GrafikEine Mehrheit der Deutschen glaubt, dass die aktuelle Berichterstattung „der Medien“ einer Lenkung unterworfen ist. Als Handelnde im Hintergrund gelten insbesondere Politik (Regierung und Parteien) und Wirtschaft (Lobbyismus und Druck von Werbekunden). Die „Zweifler“, aber auch junge Leute unter 30 Jahren und Ostdeutsche sind davon besonders überzeugt. Das ist das Ergebnis einer telefonischen Repräsentativbefragung von 1.000 deutschsprachigen Personen ab 18 Jahren in Deutschland, die das Institut TNS emnid, Bielefeld, vom 11. März bis zum 2. April 2016 im Auftrag des Bayerischen Rundfunks, München, durchgeführt hat. Der Mediendienst „dwdl.de“ berichtete bereits Anfang März darüber. Demnach gehen 47 Prozent der Deutschen von Vorgaben für das öffentlich-rechtliche Fernsehen und vier von zehn Befragten für die Tageszeitungen und den öffentlich-rechtlichen Hörfunk aus.

Grafik: Nur ein Drittel der Befragten hält die Berichterstattung der deutschen Nachrichtenmedien für wirklich unabhängig. Die anderen glauben an eine Einflussnahme von Regierung, Wirtschaft und Parteien. (Angaben in Prozent.)

Beim öffentlich-rechtlichen System wird schon aufgrund seiner institutionellen Verfassung politische Einflussnahme unterstellt, auch wenn diese in der Vorstellung der Menschen nicht immer direkt erfolgen muss.

Die Medien gelten einer Mehrzahl der Deutschen als Teil oder zumindest als Stütze des Establishments. Eine gesellschaftliche Kontrollfunktion im Sinne des Konzepts der „vierten Gewalt“ wird am ehesten noch den Wochenzeitungen und Nachrichtenmagazinen, öffentlich-rechtlichem Fernsehen und Tageszeitungen zugestanden.

Journalisten werden besser beurteilt als die Medien

Die Journalisten selbst kommen in der öffentlichen Wahrnehmung besser weg als ihre Auftrag- beziehungsweise Arbeitgeber. So hat die überwältigende Mehrheit der Deutschen ein grundsätzlich positives Bild von Journalisten. Dies steht teilweise im Gegensatz zu der Einschätzung „der Medien“ als Institution. Selbst unter den überaus medienskeptischen „Zweiflern“ ernten Journalisten breite Zustimmung. Zur Einordnung: Im Unterschied zu anderen Umfragen, in denen das Berufsbild des Journalisten deutlich schlechtere Bewertungen erfährt, wurde hier nicht nach dem gesellschaftlichen Ansehen gefragt und keine Vergleichsliste mit anderen Berufsgruppen vorgelegt. Die Wertschätzung beruht in erster Linie auf dem Respekt vor der Bedeutung des Berufsstandes für die Demokratie und auf der Anerkennung für die Professionalität der Journalisten. Defizite werden an Stellen festgemacht, die auch an den Medien insgesamt kritisiert werden: Einseitigkeit, mangelnde Wahrnehmung der Funktionen als Kontrolleur des Establishments oder Anwalt des Publikums.

Medienanbieter bleiben Leuchttürme der Information

Doch trotz aller Skepsis und Kritik, die etablierten Medienanbieter aus Rundfunk und Presse (einschließlich ihrer Internetangebote) bleiben für die Bürger Leuchttürme bei der Information über das tagesaktuelle Geschehen. Fernsehen und Hörfunk bleiben dabei die wichtigsten Quellen der Deutschen: 70 Prozent informieren sich (fast) täglich im Fernsehen, 67 Prozent im Radio. Die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind dabei die mit Abstand wichtigsten Anlaufstellen.

Tageszeitungen – die „Qualitätspresse“ deutlich stärker als Boulevardzeitungen – und Internetquellen werden von knapp der Hälfte der Bevölkerung täglich genutzt, für vier von zehn Deutschen ist das aktuelle Geschehen zudem Gesprächsstoff im persönlichen Austausch.

Unter den Netzquellen besitzt Social Media inzwischen die höchste Bedeutung beim täglichen Kontakt mit aktueller Information. Die Angebote der etablierten Medien ebenso wie Internet-Portale (Provider, Suchmaschinen etc.) haben jedoch insgesamt ein weiteres Nutzerpotenzial. Allerdings „stolpern“ viele Menschen auf Providerportalen eher zufällig über Nachrichten, während eine gezielte Informationsnutzung vor allem bei Angeboten der Medien, zum Teil aber auch in Social Media, stattfindet. Internetquellen sind für die Meisten additiv zu den traditionellen tagesaktuellen Medien zu sehen: 91 Prozent derer, die sich täglich im Internet informieren, nutzen dazu täglich auch Fernsehen, Radio oder Tageszeitungen. Bei den Unter-30-Jährigen sind es 81 Prozent.

Leistungen und Defizite der etablierten Nachrichtenmedien

Wird die unbestimmte Vorstellung von „den Medien“ auf konkrete Angebotsklassen heruntergebrochen, erscheint das Bild vieler Menschen deutlich klarer: Die Verständlichkeit als wichtigstes professionell-handwerkliches Qualitätskriterium steht ebenso wie die grundsätzliche Glaubwürdigkeit der Angebote für weite Teile der Medienlandschaft bei einer großen Mehrheit der Bevölkerung außer Frage. Kritischere Einschätzungen findet man hier für Boulevardzeitungen und (in geringerem Maße) für den privaten Rundfunk sowie unter den „Zweiflern“ zum Teil auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Qualitätspresse (Tages- und Wochenzeitungen).

Zweifel an der (institutionellen) Unabhängigkeit

Dagegen bestehen bei weiten Teilen der Bevölkerung Zweifel an der (institutionellen) Unabhängigkeit von Politik und Wirtschaft. Im Vergleich der Medientypen zeigen sich die bekannten Unterschiede in der Leistungsbeurteilung: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Qualitätspresse genießen trotz Abstrichen in punkto Unabhängigkeit in der aktuellen Berichterstattung einen klaren Vertrauensvorschuss gegenüber dem privaten Rundfunk und der Boulevardpresse.

Die BR-Studie zum Vertrauen in die Medien wird auf der Website des BR zum Download angeboten.

(Quelle: Website des Bayerischen Runfunks)

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