Mythos Grundgesetz?
Nachhaltigkeit und Verantwortung sind Worte, die sich einreihen in Begriffe wie Freiheit oder Demokratie. Sie beschreiben universelle Werte, Ziele und Wünsche. Auf Ihrer praktischen und operativen Seite sind die damit verbundenen Ansätze in einer Reihe mit anderen regulatorischen Anstrengungen zu sehen, etwa dem Grundgesetz oder dem Strafgesetzbuch. Unternehmen, die Strategien zu gesellschaftlicher Verantwortung umsetzen möchten, geben sich einen mehr oder weniger schlüssigen Katalog an Regeln und Normen und versuchen diesen, ebenfalls mehr oder weniger gelungen, transparent zu leben und zu kommunizieren.

Um hier der Debatte um Schweinefirmen, Greenwashern etc. aus dem Weg zu gehen: Klar ist hier nicht alles Gold was glänzt und klar wird hier in manchen Branchen der beschrittene Weg eher bedächtig und nicht selten gar in die falsche Richtung gegangen. Doch auch wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung in unserem Land keineswegs immer garantiert ist und auch wenn in unserem Büro bereits zweimal Einbrecherbanden alles mitgenommen haben, was nicht niet und nagelfest ist, spreche ich noch lange nicht vom Mythos Grundgesetz oder Mythos Strafgesetzbuch.

Wir brauchen Regeln und das Bemühen um verantwortliche Wirtschaft, die den Erhalt von ökonomischen UND von ökologischen, sozialen und kulturellen Ressourcen im Zentrum hat. Und diese Veränderung braucht einen Namen, damit wir wissen worüber wir uns verständigen. Wie dieser Titel lautet ist im Grunde zweitrangig  - Hauptsache wir wissen was wir meinen. Aber was meinen wir eigentlich?

Was ist nachhaltig?
Allein bei der obigen Definiton (Erhalt von ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Ressourcen) klären sich die meisten Missverständnisse: Nachhaltigkeit heißt z.B. nicht Langfristigkeit und schon gar nicht einfach nur über x-Generationen möglichst viel Geld verdienen!

Und es bedeutet auch nicht den Menschen aus dem Zentrum zu nehmen, wie der engagierte aber leider wenig fundierte Beitrag von Christian Soeder in der FAZ vor gut zwei Jahren, mit dem schönen Titel “Buzzword Nachhaltigkeit” suggerrierte. Im Gegenteil: Schon die Brundtland-Definition machte klar, dass es ausdrücklich um die Chancen und Möglichkeiten der künftigen (Menschen)Generation geht.

Doch worum geht es eigentlich im Kern für die Unternehmen?
Es geht um die Frage welche Beziehung ich als Unternehmer oder ich mit meinem Unternehmen zur Gesellschaft und damit zu meinen Mitarbeitern, zu meinen Kunden und zu meinem Geschäftspartner und Lieferanten haben möchte. Es geht darum sich bewusst zu werden, welche Rolle die eigenen Unternehmung in der Welt spielt, welchen Beitrag sie leistet zum Guten und zum Schlechten.

Es geht nicht darum perfekt zu sein oder gar fertig mit dem “Projekt Verantwortung”. Es geht auch nicht darum mutmaßlich Gott und die Welt um Erlaubnis bitten zu müssen für das eigene Geschäft und die viel beschworene “License to operate”. Wer von dieser Seite aus argumentiert hat nicht verstanden das wir hier über Chancen und nicht über Pflichten sprechen. Das wir hier über Innovation und Kreativität sprechen und nicht über das Abarbeiten von Normenkatalogen und Pflichtberichten.

Ein neues Paradigma
CSR und Nachhaltigkeit können ein neues Paradigma für das Zusammenleben und Zusammenarbeiten von Wirtschaft und Gesellschaft prägen. Das Management von gesellschaftlichen Beziehungen (halt Stopp: ich spreche nicht von Lobbyismus) und den damit verbundenen Wünschen, Erwartungen und Ideen meiner Stakeholder und selbstverständlich meiner eigenen und das Handling der damit verbundenen Themen -das ist CSR. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Doch das neue Paradigma wird nicht realisiert, wenn Unternehmen, aus eigenem Unverständnis heraus oder aber auch getrieben von übereifrigen NGOs und unverständiger Gesetzgebung (halt Stopp: ich spreche nicht von ungebremsten Wirtschaftliberalismus) zu einer Checklisten CSR gelangen, die nichts anderes bewirkt, als das nach Qualitätsmanagement, Risikomanagement, Diversitymanagement und Umweltmangement nun der nächste Kriterienkatalog abgearbeitet und wegkommuniziert (Zitat aus einem Beratungsgespräch: “Berichte schreiben ist hier im Unternehmen Kernkompetenz”) wird.

Kommunikation, Kultur und Verantwortung
Was notwendig ist, ist eine positive Sicht auf Veränderung, denn nichts anderes ist das Ergebnis einer CSR-Strategie. Wenn ich in meinem Unternehmen die Frage stelle: “Wie verdienen wir unser Geld?” dann ist im Grunde niemals die Antwort: nachhaltig. Warum? Weil Wirtschaft noch immer Wachstum bedeutet und Ressourcenverbrauch — beides ist auf einem endlichen Planeten nur schwer nachhaltig zu nennen. Und dennoch: Es liegt einer Chance in dieser mutigen Frage, wenn ich bereit bin auch mutige Antworten zu geben. Doch diese Chancen gibt es nicht ohne Veränderung. Ich brauche dafür aber keine Checklisten sondern eine Unternehmenskultur der Partizipation, des Dialoges, der sinnstiftenden Kommunikation und einer gelebten Weltkultur, die auch erlebbar ist.

Die Arbeit an Nachhaltigkeitskommunikation und Unternehmenskultur beschränkt sich aber in den meisten Fällen auf Pflichtberichte und ein aus Satzbausteinen zusammengezimmertes Leitbild, das im Foyer hinter Glas langsam vergilbt und inhaltlich schon vergilbt was, als geschrieben wurde.

Wirklich relevantes, sinnstiftendes Geschichtenerzählen und eine konkrete Managementarbeit für Werte findet sich hingegen nur in sehr wenigen Unternehmen.

Dazu passt abschließend sehr gut ein weiteres Zitat aus einem Kollegengespräch, dass ich vor einigen Tagen geführt habe:

“Meine Erfahrung aus den letzten Jahren belegt eindeutig:CSR und Nachhaltigkeit sind Bullshit, alles was zählt sind Kennzahlen, die knallhart belegen, wie das Unternehmen damit Geld verdienen kann.”
Der Kollege befindet sich damit im übrigen in bester Gesellschaft. Unzählige Projekte beschäftigen sich mit Reportings, Managementcockpits und KPI-Frameworks, um den passiven Widerstand der Wirtschaft zu brechen. All diese Bemühungen sind keineswegs unnötig -  im Gegenteil. Aber Sie verstellen genauso den Blick auf einige wichtige Fragen ohne die Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung immer blutleere Vorschriften bleiben werden, die nach reinem Gutdünken gebrochen, instrumentalisiert oder verändert werden.

Riccardo Wagner. Köln


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