Medien Analyse zum Bahnstreik: Berichterstattung negativer als die Stimmung in der Bevölkerung

Focus-online-Screenshot-BahnstreikJe mehr Stillstand, desto erhitzter die Gemüter. Seit Wochen bewegt der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) die mediale Landschaft. Zur Zeit berät die GDL auf ihrer Hauptvorstandssitzung in Königswinter noch über das aktuelle Angebot der Deutschen Bahn und zukünftige Arbeitsniederlegungen, dabei scheint das Ende der Geduld der Passagiere längst erreicht - so zumindest der vielerorts kommunizierte Eindruck.
Aber woher kommt dieses Bild? Anfang November meldete die ARD in ihrem DeutschlandTrend, dass 51 Prozent der Befragten kein Verständnis für den Streik der GDL gezeigt hätten. Rund die Hälfte der Befragten kann die Forderungen der GDL allerdings nach wie vor durchaus nachvollziehen. Eine Kurzstudie der Medienbeobachtung blueReport zeigt, dass die Berichterstattung – im Bild ein Ausschnitt von „Focus online“ vom 5. November – in den deutschen Online-Leitmedien über Wochen deutlich negativer war, als die Stimmung in der Bevölkerung.

Negative Berichterstattung nimmt zu
In einer Kurzanalyse der Medienbeobachtung blueReport wurden 214 Artikel zum Thema Bahn-Streik aus deutschen Online-Leitmedien („Bild.de“, „FAZ.net“, „Focus Online“, „n-tv online“, „Spiegel Online“, „Sueddeutsche.de“, „Tagesschau.de“) unter anderem auf die Fragen hin untersucht, wer die Botschaften in einem Beitrag transportiert und ob negative oder positive Konsequenzen formuliert werden.

Der Blick auf die Berichterstattung zeigt nicht nur, dass diese kontinuierlich zunahm, sondern tendenziell negativer wurde. Während die Artikel zum ersten Streik im Oktober vor allem Streikankündigungen und eine relativ neutrale Darstellung der Forderungen der GDL abbildeten, änderte sich dies ab dem 17. Oktober. Ab diesem Zeitpunkt dominierten Beiträge, die einen Schwerpunkt auf die negativen Folgen des Streiks setzten.

Zwar ist ein Großteil der Beiträge neutral in seiner Tonalität, insgesamt zeigt sich aber eine mehr als deutliche Dominanz von Beiträgen, die ein negatives Bild des Streiks zeichnen, gegenüber jenen mit positiver Tonalität.

Mangelnde Komplexität und Personalisierung
Neben Themen wie Streikankündigungen, Berichten über Verspätungen und Prognosen zu den potenziellen Folgen des Streiks dominieren vor allem Fragen nach Streikrecht und Streikkultur die mediale Aufbereitung. Im Laufe der Verhandlungen gerät auch Gewerkschaftsführer Claus Weselsky persönlich in den Fokus der Medien. Fragen nach dem Streikrecht der GDL wurden mit jenen nach der Persönlichkeit des GDL-Chefs verbunden.

Berichte über seine Privatwohnung, ein Interview mit seiner Ex-Frau und die in Szene gesetzte Publikation seiner Telefonnummer belegen, wie tief dabei auch in die Privatsphäre Weselskys eingedrungen wurde. Berichte, die die historische und gesellschaftliche Bedeutung des Streiks und des Streikrechts reflektieren, sind unter den untersuchten Artikeln Mangelware.
Die ganze Studie gibt es hier auf der blueReport-Website.

Über die Autorin: Simone Froitzhuber-Wagner ist Marketing und PR Manager für blueReport. Sie veröffentlicht regelmäßig auf dem Corporate Blog des Unternehmens und in Fachmedien.