Medien Zwischen Anerkennung und Scham - vom kommunikativen Umgang mit dem Absturz der Germanwings-Maschine

Spohr Carsten CEO LufthansaNoch sind nicht alle Opfer identifiziert, der Flugschreiber ist nicht gefunden und der Hergang der Ereignisse an Bord der abgestürzten Germanwings-Maschine in Teilen unklar. Es verbietet sich also aus Respekt vor dem Leid der Angehörigen vorschnell irgendwelche Schlüsse zu ziehen oder Deutungen anzustellen, die am Ende möglicherweise den tatsächlichen Ereignissen nicht entsprechen. Doch unabhängig von den ausstehenden Ermittlungsergebnissen wird bereits der kommunikative Umgang mit dem Unglück diskutiert. Auf der einen Seite wird analysiert, wie das Krisenmanagement von Lufthansa und Germanwings gelingt, auf der anderen Seite wird die Art und Weise der Berichterstattung der Medien diskutiert. Als Zwischenfazit – mehr kann es zu diesem Zeitpunkt nicht sein – wird insbesondere Lufthansa-CEO Carsten Spohr (Foto, © Lufthansa) Anerkennung für seine Medienauftritte und den offenen Umgang mit dem Unfassbaren zuteil. Die Diskussion über die Rolle der Medien fällt deutlich kritischer aus.

Stellvertretend für manche Medienbeiträge, die sich mit dem bis zum Absturz der Germanwings-Maschine weitgehend unbekannten Lufthansa-Chef Spohr beschäftigen, möchten wir auf einen Artikel von Rainer Hank auf der Website der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verweisen. Unter der Überschrift „Aufrecht im Mediengewitter“ attestiert der Autor Spohr eine „schlafwandlerische“ Sicherheit im Umgang mit allen Anforderungen, die in den vergangenen Tagen auf ihn zukamen.

„Katastrophenjournalismus“
Demgegenüber verläuft die Diskussion über die Rolle von Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und TV in den Medien und den sozialen Netzwerken sehr kontrovers. Während es die einen für vollkommen normal halten, Angehörige anzugehen und deren Leid zur Schau zu stellen („Witwenschütteln“ im miesesten Boulevardjargon), schämen sich Journalisten offen für diese Art von „Katastrophenjournalismus“. Aufgefallen ist uns hier ein Beitrag des Journalisten Ben Krischke, der sich in seinem Blog „Medienland“ unter der Überschrift „Moral im Sinkflug oder der Absturz des Journalismus“ deutlich distanziert.
Dabei zitiert er Michael Busch, den Vorsitzenden des Bayerischen Journalistenverbandes, der seine Scham über die Auswüchse bekennt und dazu auffordert, den Pressekodex einzuhalten. Dort heißt es: „Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.“

Die Kodex-Missachtungen gingen in den vergangenen Tagen offensichtlich soweit, dass sich Lufthansa und Germanwings schützend vor die Familien und Freunde der Angehörigen stellen mussten. In einer Pressemitteilung vom 28. März fordern sie Medienvertreter auf, von einer aktiven Kontaktaufnahme mit trauernden Angehörigen abzusehen: „Familien und Freunde der verunglückten Passagiere und Crew-Mitglieder des Germanwings-Flugs 4U 9525 haben sich mit der Bitte an Lufthansa und Germanwings gewandt, sie von etwaigen Medienanfragen zu entlasten. Es sei ihr Wunsch, ungestört und in Ruhe der Verstorbenen zu gedenken.“

Pressekodex-Richtlinie bindend
Der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken verwies darauf, dass die Pressekodex-Richtlinie bindend sei. Zugleich trat er aber vereinzelt geäußerter Kritik an der Anwesenheit zahlreicher Journalisten in der Stadt Haltern am See entgegen, aus der eine Schülergruppe stammte, die unter den Absturzopfern ist: „Es steht außer Frage, dass Journalisten über die Auswirkungen der Katastrophe auf die Kleinstadt und die Schule berichten müssen. Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie.“

An diesem Punkt müssen manche Medien ihre Rolle wohl noch einmal überdenken.

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