Unternehmen PR-Eigentor nicht nur für Start-ups: Mit Floskeln, Pseudo-News und Nachhaken Journalisten nerven

Schmiechen Frank Chefredkt GruenderszeneWie kommunizieren Start-up-Unternehmen heute? Im vordigitalen PR-Zeitalter hatten Agenturen und ihre Unternehmenskunden meist eine feste Reihenfolge bei den für sie wichtigsten Medien. An vorderster Stelle kamen „ARD“ und „ZDF“ gefolgt von den Magazinen „Spiegel“, „Stern“ und „Focus“ sowie der „Zeit“. „FAZ“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Welt“ als überregionale Tageszeitungen waren immer ein Erfolg. Nicht zu vergessen „Bild“ oder „BamS“ als auflagenstärkste Zeitungen des Landes; „Bunte“ und „Gala“ für Glamour-Themen. Das galt nicht für alle Kunden, aber für Wirtschafts-, Gesellschafts- und Politikthemen sah die Medienwirklichkeit in etwa so aus. Für Start-ups existieren andere Regeln. Die begehrten Early Adopter, die digitale Trends, Produkte und Apps in ihrer Altersgruppe weiterverbreiten, studieren nur selten „FAZ“ und „Handelsblatt“. Als wichtigstes Medium der Start-up-Branche hat sich die „Gründerszene“ etabliert, die seit zwei Jahren bei Axel Springer erscheint. Im Interview mit dem „PR-Journal“ berichtet Chefredakteur Frank Schmiechen (Foto), wie er die PR von Start-ups bewertet und wie man als junges Unternehmen kommunizieren sollte, will man sich mit positiven Botschaften in den Medien sehen.

Bei Start-up-Gründern scheint es sogar Skepsis gegenüber der Präsenz in den klassischen Medien zu geben da dem Selbstverständnis der Qualitätsmedien zufolge ein neuer Food-Lieferdienst, ein Hemdenwaschservice oder der nächste superkreative Online-Shop kaum mit unkritischer Lobhudelei rechnen kann, bevor das Unternehmen etwas geleistet hat. Die Informationen über sich selbst in den sozialen Netzwerken Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat & Co zu kontrollieren, liegt Start-ups oft näher. Umso interessanter ist es zu erfahren, wie der „Gründerszene“-Chefredakteur die Öffentlichkeitsarbeit von Start-ups beurteilt – speziell in Berlin, der selbsternannten Welthauptstadt für junge Unternehmen. Denn in der „Gründerszene“ wollen sich die jungen Unternehmen in jedem Fall wiederfinden, wenn sie beispielsweise Investorengelder eingesammelt haben oder neue Produkte an den Start bringen.

PR-Journal: Herr Schmiechen, Sie waren viele Jahre bei „Bild“ und der „Welt“-Gruppe. Jetzt leiten Sie die Redaktion eines der führenden Start-up-Medien in Deutschland. Wie unterscheidet sich aus Journalistensicht die PR und Pressearbeit von Start-ups von derjenigen etablierter Unternehmen?
Frank Schmiechen: Die PR-Arbeit von Start-ups kann man nicht über einen Kamm scheren. Es gibt ja mittlerweile Start-ups, die richtig groß geworden sind. Die haben eine sehr professionelle Öffentlichkeitsarbeit. Aber auch kleinere Start-ups machen das inzwischen sehr gut. Eigentlich kann man sagen, dass es zwei Sorten von Start-ups gibt: Die einen wollen unbedingt nach draußen und von sich erzählen, die anderen arbeiten lieber im Verborgenen und halten mit ihrer Geschichte hinter dem Berg. Wie bei etablierten Unternehmen auch besteht die PR-Arbeit für meinen Geschmack zu häufig aus Floskeln und Mitteilungen, die für die Menschen da draußen einfach irrelevant sind. Eigentlich müsste es mehr zu erzählen geben.

PR-Journal: Anhand welcher Kriterien wählen Sie aus, welche Start-ups für „Gründerszene“ so relevant sind, dass Sie über sie berichten?
Schmiechen: Es gibt viele Kriterien. Handelt es sich um ein aktuelles Thema? Sind die Zahlen und das Wachstum interessant? Oder gibt es eine besondere Geschichte, die unsere Leser interessieren könnte? Prominente Namen als Investoren sind immer interessant. Oder wir finden das Produkt richtig gut. Auch umstrittene Ideen finden wir grundsätzlich interessant.

PR-Journal: Wie bewerten Sie die Qualität der Ihnen von Start-ups und deren PR-Agenturen zur Verfügung gestellten Inhalte?
Schmiechen: Die sind für uns ein Anfang – ein Anhaltspunkt, um zu entscheiden, ob sich hier eine interessante Geschichte verbirgt. Aber in keinem Fall ausreichend für redaktionelle Berichterstattung. Wir sind kein Organ, das Material von PR-Agenturen verbreitet. Wir reden lieber selber mit den Gründern. Und machen im besten Fall auch lieber eigene Fotos oder Videos – auch wenn das nicht immer klappt.

PR-Journal: In Start-up-Medien spielen Finanzierungsrunden, Exits und Investoren eine entscheidende Rolle. Inwieweit kommen die Kommunikation der Vorteile des Produkts und das Kreieren von „Unternehmensstories“ zu kurz bei jungen Unternehmen?
Schmiechen: Finanzierungen, Exits und Investoren sind das nachrichtliche Schwarzbrot für Start-up-Medien. Uns interessiert immer die Geschichte dahinter. Zahlen und Daten sind wichtig – wir wollen aber das Produkt kennenlernen, die Leidenschaft, den Antrieb der Gründer. Wir wollen wissen, welche Rolle ein neues Produkt bei der Digitalisierung der Wirtschaft spielt, wie das Geschäftsmodell aussieht. Hinter jeder Zahl versteckt sich eine Geschichte.

PR-Journal: Welche Rolle spielen klassische Medien wie Tageszeitungen, Zeitschriften und Magazine sowie deren Online-Ableger überhaupt noch für Start-ups?
Schmiechen: Klassische Zeitungen und Magazine haben Start-ups entdeckt. „Gründerszene“ ist nicht mehr alleine unterwegs, wenn es um digitale Wirtschaft und Gründer geht. Dafür haben wir einfach mehr Erfahrung und die besseren Kontakte auf diesem Gebiet. Aber auch klassische Meiden haben verstanden, dass hinter der Start-up-Sache eigentlich ein Thema verborgen ist, das in den kommenden Jahren unsere Gesellschaft komplett umkrempeln wird: die Digitalisierung der Wirtschaft.

PR-Journal: Welche Tipps würden Sie Start-ups für ihre Pressearbeit mit auf den Weg geben? Was nervt Journalisten einfach nur?
Schmiechen: Ewiges Nachhaken. Ja, wir lesen die Pressemitteilungen! Und wenn es ein Thema ist, melden wir uns. Versprochen. Und erzählt uns bitte nur Geschichten, die ihr eurem Partner abends auch erzählen würdet. Sonst ist es keine Mitteilung wert.

PR-Journal: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schmiechen.

Beachten Sie zum Thema PR für Start-ups auch den Beitrag über die Agentur Clarity PR, den Sie hier im "PR-Journal" finden.

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