Autoren-Beiträge Vom Hype zur Realität: Die Auswirkungen von ChatGPT auf unser digitales Leben

Der erste Hype um ChatGPT hat sich gelegt und die emotionalen Diskussionen sind konkreten Abwägungen und Einsatzplänen gewichen. Folgt man den aktuellen Berichten, so kristallisieren sich zwei thematische Schwerpunkte heraus. Zum einem der Wunsch, ChatGPT unterstützend für die eigenen Aufgaben einzubinden, zum anderen die Sorge um Qualitätsverlust und Datenschutz. Eckhard Klockhaus, der Geschäftsführer der Imory GmbH, die ein Anbieter von digitalen Newsrooms für Unternehmen und Organisationen ist, nimmt eine Abwägung vor.

KI ist mit GPT in der Gegenwart angekommen. Es geht darum, wie mit dem Sprachmodell bestehende Applikationen erweitert und neue Anwendungen realisiert werden können. (Illustration: Imory GmbH / iStock)

Von Eckhard Klockhaus

Über die Risiken und Schwächen von ChatGPT wurde bereits viel diskutiert. Während einige Unternehmen den Einsatz von ChatGPT für unternehmensinterne Themen explizit ausschließen und verboten haben, ist der individuelle Einsatz in anderen Unternehmen im Alltag angekommen.

Aber auch hier sind die Schwächen bekannt: Bei ChatGPT handelt es sich um einen unverbindlichen und veralteten Datenbestand ohne Bezug zu unternehmensinternen Informationen, fehlende Teamfähigkeit und mangelnder Datenschutz und Sicherheit. 

Es geht nicht mehr um das Für und Wider, sondern vielmehr darum, wie mit dem Sprachmodell bestehende Applikationen erweitert und neue Anwendungen realisiert werden können.

Die Themen hierzu sind:

  • Einsatz in einer sicheren Umgebung
  • Nutzung der eigenen Daten für das Training des Systems
  • Teamfähige Anwendungs-Szenarien

Aus technischer Sicht ergeben sich mit dem Sprachmodell völlig neue Möglichkeiten für die redaktionelle Planung und die Kollaboration im Newsroom. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, dass wir mit GPT die Möglichkeiten der Interaktion von Menschen mit Informationen verändern können.

Um die Szenarien zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass wir das Sprachmodell von GPT vom Informationsmodell trennen können. Das Sprachmodell kann alles, was wir mit ChatGPT gelernt haben; das Informationsmodell kennt alle Informationen des eigenen Unternehmens.

Bisher sind wir es gewohnt, Computer so zu bedienen, wie es uns das jeweilige Programm vorgibt. Jeder Zusammenhang, den wir Menschen als logisch empfinden, ist dem Computer unbekannt.

Es ist für uns bis zu ChatGPT selbstverständlich gewesen, dass wir mit Computern anders interagieren als mit anderen Menschen.

Ein Beispiel ist die Interaktion von Mensch zu Mensch: „Kannst Du mir bitte das Protokoll vom Meeting letzten Dienstag noch einmal ausdrucken.“ Interaktion Mensch zu Computer: Starte Microsoft Teams – suche das richtige Team – klicke auf Dateien – suche den Ordner – Doppelklick auf den Ordner - suche die Datei – öffne die Datei in Word – klicke auf Drucken.

Vielleicht stellen wir fest, dass das Protokoll gar nicht in Teams liegt; dann suchen wir in unseren Mails. Oder wir bemerken, dass es noch nicht fertig ist. Dann telefonieren wir und erkundigen uns nach dem Stand. Wir haben uns daran gewöhnt, dass so einfache Aufgaben, wie das Ausdrucken eines Protokolls von uns eine ganze Reihe an Einzelinteraktionen erfordern.

Und genau an dieser Stelle setzt die unfassbare Leistungsfähigkeit von GPT ein. Wir können uns GPT-Technologien so vorstellen, wie die perfekte Arbeitskraft, die Computerfunktionen ausführt. Informationen finden, auswerten, zusammenfassen und transformieren kann. Alles so, dass wir es mit unserer Sprache handhaben können.

Es sind oft die einfachen Dinge, die eine hohe Komplexität in der Umsetzung nach sich ziehen.

  • Wann ist der beste Zeitpunkt, um auf LinkedIn zu posten?
  • Was sind die aktuellen Interessen meiner Zielgruppe in Social Media?
  • Was sind die USPs unseres neuen Produkts, die ich in der Pressemitteilung nennen kann?
  • Gibt es noch Widersprüche in unserem Nachhaltigkeitsbericht?

Schauen wir uns aktuelle Entwicklungen an, gehören folgende Szenarien schon in kurzer Zeit zu unserem Alltag. „Erstelle ein Video für unsere Produktpräsentation.“ Die KI „macht sich auf den Weg“ und sucht nach den Informationen zum Produkt, arbeitet USPs anhand der Informationen von Marktbegleitern heraus, analysiert die Interessen und das Medienkonsumverhalten potenzieller Zielgruppen. Es erstellt das Script für ein Video, sucht in eigenen und in zugänglichen Videoarchiven nach Materialien, kreiert eine virtuelle Person und erstellt das Video.

Das klingt für viele immer noch nach Science-Fiction, aber wenn man sich anschaut, was in den letzten zehn Monaten mit GPT, UnrealEngine, Metahumans und weiteren Entwicklungen möglich geworden ist, wird klar, dass es sich um unsere Gegenwart handelt. Die Frage nach dem besten Prompt, um einen kleinen Text zu erstellen, wird schnell zur Nebensache.

Natürlich können wir uns fragen, ob wir uns darauf freuen, ob uns das Sorge macht und es ist wichtig, dass wir uns mit den absehbaren Konsequenzen auseinandersetzen. Aber es hilft uns nicht weiter, wenn wir uns abwenden und ohne eigene Strategie darauf warten, dass das Thema nicht mehr Hype ist. Selbst wenn wir uns (was ich nicht empfehle) dazu entschließen, dass wir diese Technologien nicht einsetzen, so wird sie unsere Arbeit in der Kommunikation verändern, weil andere sie nutzen.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mir Rundfunkanstalten gesagt haben, sie würden sich nicht mit YouTube beschäftigen, weil es unmöglich sei, dass Jugendliche in ihren Kinderzimmern Inhalte erstellen, die andere Menschen interessiert. Heute wissen wir, dass eben diese Jugendlichen teilweise Einschaltquoten vom Tatort erreichen und einen Medienstaatsvertrag haben.

Die Technik, die seit ChatGPT möglich ist, wird drei Themen nachhaltig verändern. Aber nicht mit einer Chat-Funktion. Die Bildung, die Informatik und die Medienwelt. Und damit auch unseren Job!

Klockhaus Eckhard Gf Imory klein 250Über den Autor: Eckhard Klockhaus (Foto), Gründer, Geschäftsführer und Aufsichtsrat der Imory GmbH, beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Digitalisierung von Unternehmen und Arbeitsprozessen. Als Keynote-Speaker und Blogger zu den Themen der digitalen Zukunft, agilen Prozessen und der Unternehmenskommunikation verbindet er visionäre Ansätze mit pragmatischen Handlungsempfehlungen. Klockhaus hat für zahlreiche Rundfunkanstalten, Medienunternehmen und Verlage in Projekten gearbeitet, bevor er sich dem Thema der redaktionellen Prozesse für Unternehmens-Kommunikatoren gewidmet hat.