Autoren-Beiträge Autorinnenbeitrag: Warum Azubi-Marketing auf Fachlichkeit setzen sollte

 Selbstbewusstsein macht attraktiv. Das gilt auch für Arbeitgeber, gerade bei der Suche nach künftigen Auszubildenden. Denn wer heute als junger Mensch seinen Weg sucht, hat spezielle Vorstellungen. Im Zentrum steht die Suche nach dem, was in der eigenen Zukunft „gut für mich“ ist: gute Bezahlung und eine Ausbildung, die Türen öffnet. Ergo: Junge Menschen wollen gute Weichen für ihre Zukunft stellen und sind leistungsbereit. Azubi-Marketing muss deshalb vor allem ehrlich sein und mit selbstbewussten und vor allem fachlichen Botschaften ausgestattet sein. Das kommt gut an.

Mit Fachlichkeit kann die Pflegebranche bei jungen Leuten punkten. (Kampagnenmotiv: Ministerium für Gesundheit und Pflege Bayern)

Studien belegen, dass es noch nie eine leistungsbereitere junge Generation gab als die aktuelle GenZ der nach 1997 Geborenen. Junge Menschen wollen arbeiten, wollen etwas leisten, wollen lernen und sich weiterentwickeln, wollen sich selbst berufliche Chancen erarbeiten und diese später auch nutzen. Sie wollen „etwas aus sich machen“, aber in erster Linie mit Fokus auf Inhalte und Fachlichkeit; gesellschaftliches Ansehen des Berufs ist relativ gesehen unwichtiger geworden.

Beispiel Pflegeberufe

Nun haben aber gerade Arbeitgeber in lebensnahen Serviceberufen wie der Pflege einen eher unattraktiven Ruf. Hinzu kommt, dass kaum ein Arbeitgeber sein Angebot in Form von Ausbildungsplätzen auf eine Weise darstellt, dass dem potenziellen Azubi ein „das klingt cool, das will ich machen“ entfährt.

Wie aber macht man seine Ausbildungsplätze attraktiv für Bewerber? Was beim Produktmarketing üblich ist, ist bei der Eigenvermarktung als Arbeitgeber – dem sogenannten Employer Branding – häufig noch nicht angekommen. Azubi-Marketing wird als Teil des Arbeitgebermarketings häufig immer noch stiefmütterlich behandelt. Es gibt vielversprechende Ansätze, die mit viel Engagement der Verantwortlichen umgesetzt werden, aber die Personalabteilung macht es oft noch nebenher. Und das zu einer Zeit, in der der Wettbewerb um Auszubildende hart ist. Zwar werden in diesem Jahr laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ rund 3,7 Prozent mehr Azubis eingestellt. Doch auch 2023 bleiben viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Bis Anfang September waren von den rund 520.000 bei den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen noch 177.000 noch zu haben.

Biedere Anzeigen und langweilige Jobvideos

Auch hier gilt die alte Regel, dass der Wurm dem Fisch schmecken muss, nicht dem Angler. Will heißen: Es geht darum, den Wunsch der Zielgruppe zu treffen. Und die findet Standard und Ausbildungsangebote à la „da musst Du erstmal durch“ oder „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ maximal unattraktiv. Trotzdem sieht Azubi-Marketing heute oft noch so aus: Biedere Anzeigen mit einer langweiligen Jobbezeichnung, unter denen sich viele junge Menschen nichts vorstellen können und ohne Bezug auf die zu lernenden Inhalte. Umgekehrt kommt aber auch Anbiedern nicht gut an: Jugendsprache in Werbebotschaften törnen ab. Ein Arbeitgeber würde so nicht sprechen, und junge Menschen in offiziellen Situationen wie von einem Plakat herab auch nicht.

Erster Schritt: Analyse. Zunächst gilt es, die eigene Branche und das eigene Ausbildungsangebot tief und schonungslos zu analysieren: Handwerker konkurrieren mit der Akademisierung der Gesellschaft. Während Betriebe ihre Ausbildungsplätze anpreisen, studieren die Kinder vom Chef. Diese Schere zwischen Gesagtem und Gelebtem nimmt Glaubwürdigkeit und raubt der Attraktivität von Ausbildungen jeglichen Glanz. Nur wer mit innerer Überzeugung kommuniziert, wird als authentisch wahrgenommen und ist glaubwürdig.

Der große Sinn zieht nicht mehr

Jobs in der Pflegebranche sind hingegen körperlich anstrengend und nicht immer gut bezahlt. Mit dem Verweis auf die gesellschaftlich sinnvolle Aufgabe der Pflege lässt sich kein Blumentopf mehr gewinnen. Reines Gutmenschentum ist nicht gefragt. Als Fokus dient dieses GenZ-Klischee nicht, höchstens als Bestätigung.

Gerade angesichts der allgegenwärtigen Krisen haben viele junge Menschen die Erfahrung gemacht, dass sie den großen Problemen unserer Welt ohnmächtig gegenüberstehen. Viele haben sich auf ihre persönliche Entwicklung und auf ihre Wirksamkeit im direkten Umfeld konzentriert und erlebt, dass es ihnen etwas bringt. Deshalb ist die junge Generation auch trotz globaler digitaler Vernetzung extrem heimatverbunden und hat zunächst keine Lust, für einen Arbeitsplatz den Heimatort zu verlassen. Unternehmen, die lokal rekrutieren, können das für sich nutzen.

Mit Fachwissen punkten

Aber der Knackpunkt einer jeden Ausbildung ist ihre Fachlichkeit. Auch die Pflegebranche kann mit Aspekten punkten, die sie selbst oft als derart selbstverständlich ansieht, dass Arbeitgeber sie nicht mal erwähnen: Gerade auch in Abgrenzung zur Medizin mit eigenem Fachwissen und Fachvokabular.

Selbstbewusst schaut Talisa H. deshalb vom Plakat der NeuePflege.Bayern-Kampagne herab: „Progessive Muskel-Dystrophie? Sagt Dir nichts? Mir schon!“ Stolz erzählt sie von ihrem Fachwissen, mit dem sie sich selbst ihren Weg in die Zukunft ebnet. Daher steht unter der Werbebotschaft, die das Ministerium für Gesundheit und Pflege Bayern aussendet: „Eine Ausbildung. Mehr Möglichkeiten.“ Beim Betrachter bleibt hängen: Mit dieser Ausbildung bin ich fit für meine Zukunft. Selbstbewusste Fachlichkeit gewinnt.

Diese Kampagne nimmt junge Menschen ernst und begegnet ihnen auf Augenhöhe. Ohne großflächige Unterstützung aus Ministerien und Verbänden, die offensiv und selbstbewusst für Ausbildungen werben, ist die Azubikrise nicht in den Griff zu bekommen. Das hat das Gesundheitsministerium Bayern erkannt und die Initiative ergriffen.

Junge Menschen ernst nehmen

„Mit unserer Kampagne stellen wir die hohe professionelle Qualität der generalistischen Pflegeausbildung in Bayern in den Mittelpunkt. Als die Kampagne im Gesundheits- und Pflegeausschuss des Bayerischen Landtages vorgestellt wurde, gab es parteiübergreifende Zustimmung. Vor allem aber gab es deutlich positives Feedback von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtungen in Bayern und aus der Kernzielgruppe junger Menschen.“, bestätigt der für die Kampagnenkommunikation Verantwortliche Volker Brand vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.

Inzwischen wurde sie schon mehrfach bei renommierten Awards nominiert, zum Beispiel beim Deutschen Preises für Onlinekommunikation (DPOK). Das Rezept für erfolgreiche Azubi-Kommunikation lautet daher: Selbstbewusste Fachlichkeit statt leerer Floskeln. Junge Menschen ernst nehmen. Und Wirksamkeit im Umfeld statt abstrakter Sinnsprüche.

Über die Autorin: Anja Hogrebe ist Kreativdirektorin der Employer Branding Agentur Castenow und setzt sich dort auch für mehr Ausbildung ein. Als studierte Kommunikationsdesignerin liegt ihr Fokus auf der Konzeption von crossmedialer Kommunikation mit Schwerpunkt Employer Branding.