Das PR-Interview „Man kann nicht mehr in jedem Gewerk spitze sein“

Interview mit achtung!-CEO Mirko Kaminski über Agenturkooperationen

Die integrierte Full-Service-Agentur galt lange als Idealtyp einer Agentur. PR, Redaktion, Advertising, Online, Social Media und Bewegtbild – alles aus einer Hand. Big Player wie Media Consulta, Scholz & Friends und fischerAppelt hatten diesen Ansatz früh für sich entdeckt. Nachteil: Kaum eine Agentur schafft Spitzenniveau in allen Bereichen. Warum sollten Top-Kreative in eine Agentur mit PR-DNA wechseln, wenn Kampagnen wenig Kreativanteil haben? Oder PR-Profis zu Werbeagenturen, wenn Pressearbeit lieblos mitschwimmt? In Zeiten des Nachwuchsmangels verschärft sich dieses Problem.

Mirko Kaminski

Wer sich Award-Shortlists anschaut, stellt fest, dass insbesondere die Hamburger Agentur achtung! seit zwei Jahren häufiger mit Partnern nominiert ist. Auf die Elbphilharmonie-Kampagne folgte der BVG-Sneaker – beides umgesetzt mit Jung von Matt. Auch mit Serviceplan, Publicis und Thjnk kooperiert achtung! Entsteht da ein kollaboratives Agenturmodell? Müssen mittelgroße Akteure wie achtung! mit anderen inhabergeführten Agenturen wie Jung von Matt, Serviceplan und thjnk zusammenarbeiten, um Netzwerken etwas entgegensetzen und bei prestigeträchtigen Kampagnen mitmischen zu können? achtung!-CEO Mirko Kaminski im Interview.

PR-Journal: Herr Kaminski, wir möchten mit Ihnen über Kooperationen von Agenturen sprechen. Sie arbeiten nach der Elphi-Kampagne beim BVG-Sneaker erneut mit Jung von Matt zusammen. Auch mit Serviceplan und thjnk setzen Sie Projekte um. Wie kommen diese Kooperationen zustande?
Kaminski: Ich denke, es hat sich herumgesprochen, dass wir bei achtung! sehr kooperativ sind und gerne und gut mit Partnern zusammenarbeiten. Bei einer Zusammenarbeit können sich andere Agenturen darauf verlassen, dass wir performen und zudem wissen, was unser Aufgabenbereich ist. Häufig beginnt eine Zusammenarbeit recht informell. Man tauscht sich beispielsweise auf einem Branchenevent auf persönlicher Ebene aus. Daraus ergibt sich dann meist ein erster Ansatzpunkt, um gemeinsam über Ideen nachzudenken.
Es gibt aber natürlich auch den Fall, dass ein Kunde mehrere Agenturen hat und dann erwartet, dass diese gut zusammenarbeiten – ohne selbst immer dazwischengeschaltet zu sein. Bei unserem Kunden Swiss kooperieren wir zum Beispiel mit Publicis, wobei je nach Projekt wechseln kann, wer am Ruder sitzt. Wir haben also noch deutlich mehr Kooperationen mit anderen Agenturen als diejenigen, die bei Awards sichtbar werden.

BVG Schuh Praesentationsbild achtung

Der BVG-Sneaker - auch ein Produkt einer erfolgreichen Kooperation.

PR-Journal: Insbesondere die Zusammenarbeit mit Jung von Matt fällt auf. Sie haben gemeinsam zahlreiche Preise gewonnen. Wie grenzen Sie Ihre Aufgabenbereiche voneinander ab? achtung! reklamiert zum Beispiel für sich, Werbung und Social Media zu können; Jung von Matt umgekehrt genauso.
Kaminski:
Die Zusammenarbeit bei der Elbphilharmonie hat dermaßen gut funktioniert, dass sich daraus verschiedene weitere gemeinsame Projekte ergeben haben – in beide Richtungen übrigens. Jung von Matt hat keine eigene starke PR-Historie. Das gilt genauso für Agenturen wie thjnk oder Serviceplan. Mit den beiden haben wir auch bereits intensiv zusammengearbeitet. Diese Agenturen haben eine andere wertvolle Heritage. PR ist wiederum die DNA von achtung! und eine Ergänzung zu dem, was andere zu bieten haben. Im Fall des BVG-Sneakers haben wir die Kampagne beispielsweise mit unserem Earned-Media- und PR-Know-how unterstützt.
Darüber hinaus sind wir aber auch konzeptionell tätig, denken Ideen weiter und mit der jeweiligen Partner-Agentur gemeinsam darüber nach, wie eine Kampagne auf den verschiedenen Kanälen am besten funktionieren kann. Wir schicken also nicht nur eine Pressemitteilung raus, sondern gestalten das Konzept gleich so mit, dass die Idee bestmöglich fliegt.

PR-Journal: Wie muss eine Zusammenarbeit organisiert sein, damit sie gut funktioniert?
Kaminski: Es muss immer eine Agentur geben, die den Lead hat und das Projekt oder die Kampagne führt. Das ergibt sich meist natürlich schon daraus, wessen Kunde es ist oder wer die Startidee gehabt hat.

Networks etwas entgegensetzen

PR-Journal: Der Ansatz einer integrierten Full-Service-Agentur ist doch, dass eine Agentur im Zuge einer Kampagne alles abdecken kann und es für Kunden einen Ansprechpartner gibt. Inwieweit stößt dieser Ansatz bei einem immer breiteren Angebot an Kommunikationsdienstleistungen an seine Grenzen?
Kaminski: Ein großes Network mit mehreren tausend Mitarbeitern kann sicherlich weiterhin alles inhouse abdecken. Bei solchen Networks werden Aufträge mit den Agenturen im Netzwerk geteilt, wenn zusätzliche Ressourcen benötigt oder ergänzende Kompetenzen gefragt sind.
Für uns – wie auch für andere inhabergeführte Agenturen – gilt, dass sie nicht alle relevanten Gewerke zu 100 Prozent abdecken können oder in allen Bereichen zur Spitze gehören. Man muss aber heute in einem Bereich richtig gut sein, um dort Top-Qualität abzuliefern! Ich benutze an dieser Stelle immer ein Bild aus der Leichtathletik: Die Ergebnisse in den einzelnen Leichtathletik-Disziplinen werden dann top, wenn sie die zehn Halter des jeweiligen Weltrekords zusammenarbeiten lassen. Die Ergebnisse in den einzelnen Disziplinen werden viel bessere sein als wenn ein einziger Zehnkämpfer alles macht. Man kann heute einfach nicht mehr in jedem Gewerk spitze sein. Daher sollte man mit Blick auf ein unschlagbares Gesamtergebnis mit anderen zusammenarbeiten, die in ihrem jeweiligen Bereich erste Klasse sind.

PR-Journal: Sie arbeiten besonders mit inhabergeführten Agenturen zusammen. Ist das Zufall?
Kaminski: Es ist sicherlich kein Zufall, dass wir als inhabergeführte Agentur mit anderen inhabergeführten Agenturen wie Jung von Matt oder thjnk zusammenarbeiten. Das gibt uns Inhaber-Agenturen die Möglichkeit, den großen Networks etwas entgegenzusetzen. Es kommt durchaus vor, dass wir oder andere Agenturen intern Ressourcenengpässe haben. Dann ist es sinnvoll, untereinander offen über Kooperationsmöglichkeiten sprechen zu können. Voraussetzung ist, dass es auf persönlicher Ebene sehr gut funktioniert.

PR-Journal: Inwieweit profitiert der Kunde von Agenturkooperationen? Profitiert er überhaupt, wenn mehrere Agenturen Ansprüche anmelden und um Kompetenzen ringen?
Kaminski: Der Kunde profitiert deshalb, weil ja keine Agentur Partner an Bord holt, die schlecht sind. Man orientiert sich an den besten in einem Bereich. Es ist doch eine Tatsache, dass man als Agentur eben nicht für jede Aufgabenstellung die besten Leute an Bord beziehungsweise gerade verfügbar hat. Für Kunden sind Agenturkooperationen übrigens etwas ganz Normales. Viele verlangen diesen Austausch und diese Zusammenarbeit. Es muss nur klar sein, wer den Lead hat. Sonst ruckelt es.

PR-Journal: Sie haben achtung! als PR-Agentur gegründet. Wo sehen Sie heute Ihre Stärken?
Kaminski: Wir sind eine Agentur mit PR-DNA, die diese wertvolle DNA um Kreativität und Social- sowie Digitalmarketing-Know-how ergänzt hat. Ich habe früher immer etwas neidisch auf die großen kreativen Werbeagenturen geschaut, weil diese die Kampagnen gemacht haben, die überall zu sehen waren.
Inzwischen aber sieht man zum Beispiel bei Award-Veranstaltungen wie in Cannes, dass fast alle vielfach ausgezeichneten Blockbuster-Kampagnen auf PR aufbauen und sich durch PR-Denke auszeichnen – ausgestattet mit entsprechenden Mediabudgets und verfeinert mit Exekutionsstärke. Deshalb vertrete ich auch weiterhin die These, dass die ganz große Zeit der PR erst noch kommt. Oder besser: Es geht schon los!