Das PR-Interview Termin mit Thorsten Troge: Ein Gespräch über die gesetzlichen Regeln der Verbandskommunikation

Schwerpunkt Verbandskommunikation „Die Kommunikationsbranche fordert Corona-Zusatzregelungen“ hieß es Anfang April im „PR-Journal“. Hinter dieser Forderung stehen gleich zehn Verbände, die sich zu einer Allianz zusammengeschlossen haben. Gemeinsam formulieren sie Positionen und – wie im oben genannten Beispiel – konkrete Forderungen an die Politik. In diesem Zusammenhang haben wir uns gefragt: Was ist eigentlich Verbandskommunikation? Was dürfen Verbände? Wo sind die Grenzen? Was ist, wenn nicht die politischen Ziele, sondern die werbliche Förderung einzelner Mitglieder im Vordergrund steht? Zeit für einen Termin mit Thorsten Troge, Partner bei der internationalen Full-Service-Kanzlei Taylor Wessing.

Thorsten Troge

PR-Journal: Die Corona-Krise scheint die Stimmen der Verbände zu fördern. Vielerorts werden „Allianzen“ geschlossen. Die Unternehmen der deutschen Kommunikationswirtschaft beispielsweise fordern unter anderem steuerliche Vereinfachungen und Investitionszuschüsse. Darf das ein solcher Verbund überhaupt?
Troge: Klar. Es handelt sich auch hierbei um ganz normale Meinungsbildung und Interessensvertretung in der öffentlichen und politischen Diskussion. Genau das, was viele Verbände zu einem wesentlichen Teil machen. Auch der Zusammenschluss zu einer „Allianz“ oder das Vertreten einer gemeinsamen Position, die mehrere Verbände zuvor abgestimmt haben, ist durchaus üblich und rechtlich unbedenklich. Eine „Allianz“ ist meist nur ein loser Zusammenschluss ohne Organisationsstruktur, also nicht rechtlich als neuer Verband zu verstehen, sondern unterstreicht eine gemeinsame Forderung. „Allianz“ ist also eher ein aufmerksamkeitserregender Begriff, um stärker für die vertretene politische Position zu werben.

PR-Journal: Gesteuert von seinen Mitgliedern kann ein Verband mithilfe seiner Kommunikation aber auch für eine bessere Auftragslage für die Mitglieder sorgen. Steht dann nicht ein wirtschaftlicher Vorteil, vielleicht sogar nur einzelne Mitglieder, im Vordergrund? Gelten dann andere Regeln?
Troge: Die Meinungs- und Pressefreiheit sind sehr hohe Güter. Meinung darf durchaus auch interessensorientiert geäußert werden. Bei Verbänden erwartet man dies sogar, weil sie natürlich Fürsprecher für ihre Branche oder Mitglieder sind. Aber es gibt auch Grenzen. Unwahre Tatsachen sind beispielsweise nicht von der Meinungsfreiheit geschützt. Wahre Tatsachen hingegen dürfen frei berichtet werden und es darf auch eine Wertung vorgenommen oder subjektive Meinung werden. Oftmals ist aber die Abgrenzung schwierig. So kann eine falsche Tatsachenäußerung auch versteckt über eine vorgeblich nur als Meinung verpackte Äußerung verbreitet werden. Wenn ein Verband im redaktionellen Bereich tätig ist – in Newslettern beispielsweise oder in Rundschreiben –, kann man erwarten, dass dieser sich auch mehr oder weniger an journalistische Sorgfaltspflichten hält. Kompliziert wird es, wenn es sich nicht um reine Verbandsarbeit handelt, sondern wenn einzelne Mitglieder im Wettbewerb konkret gefördert oder deren Wettbewerber außerhalb des Verbands herabgesetzt oder behindert werden sollen. Dann kann unter anderem auch das Lauterkeitsrecht greifen, das verbietet, den Wettbewerber herabzusetzen oder unlauter zu behindern.

PR-Journal: Ist so gesehen auch das einzelne Mitglied durch den Eintritt in den Verein oder Verband kommunikativen Einschnitten ausgesetzt?
Troge: Verbandsmitglieder sind zunächst rechtlich genauso zu behandeln wie Nicht-Verbandsmitglieder. Also: Nein. Denkbar ist zwar, dass sich das Mitglied z. B. für bestimmte Themen in Bezug auf öffentliche Kommunikation den Vorgaben des Verbands unterwirft. Ein Verstoß hätte dann aber nur verbandsinterne Folgen. Interessant wird es allerdings bei Verbandsrepräsentanten, wie Vorstandsmitgliedern, Sprechern oder Präsidenten – vor allem dann, wenn sie gleichzeitig Geschäftsführer eines Mitgliedes sind und somit eine personelle Doppelrolle besetzen. Entscheidend ist dann die Transparenz darüber, in welcher Rolle sie gerade auftreten.

PR-Journal: Das heißt, das Mitglied ist als Verbandsrepräsentant in der Pflicht, klarzustellen, in welcher Rolle er sich gerade äußert?
Troge: Das ist jedenfalls empfehlenswert. Als Verbandssprecher sollte man sich an den gemeinsam im Verband festgelegten Zielen orientieren – sonst bekommt man sicherlich auch intern im Verband Probleme. Als bloßes Mitglied ist man in der Regel frei.

PR-Journal: Welche Konsequenzen hat es denn, wenn nun lediglich der Verdacht naheliegt, dass das Mitglied im Sinne des Verbandes gesprochen hat, eigentlich jedoch eigene wirtschaftliche Interessen als Wettbewerber vorliegen?
Troge: Dies kann zunächst einmal interne verbandspolitische Konsequenzen haben. Für den Verband – oder auch das hinter dem Verbandsrepräsentanten stehende Unternehmen – hat dies zudem zur Folge, dass im Fall von lauterkeitsrechtlichen Abwehransprüchen der Betroffenen erhöhte Anforderungen gestellt werden, weil gerade nicht die von der Meinungsfreiheit besonders geschützte Verbandstätigkeit im Vordergrund steht, sondern der Wettbewerb eines Mitglieds. Gilt das Lauterkeitsrecht kann es durchaus sein, dass auch wahre Tatsachen, die einen Wettbewerber schädigen, nicht verbreitet werden, etwa wenn es kein berechtigtes Interesse daran gibt und die Verbreitung nur dazu dient, den Wettbewerber zu schädigen.

PR-Journal: Kann der Verband einen solchen Machtmissbrauch einzelner Mitglieder vorbeugen?
Troge: Wichtig ist stets die interne Kommunikation und Diskussion. Möglicherweise macht es auch Sinn, Richtlinien für Funktionsträger auszuarbeiten und offen zu kommunizieren. Viele Verbände sehen zudem Verwarnungen und Ausschlussverfahren vor, wenn sich ein Mitglied verbandsschädlich verhält.

Dr. Thorsten Troge ist Partner der internationalen Full-Service-Kanzlei Taylor Wessing. Er berät in allen Fragen des Schutzes des geistigen Eigentums und des Wettbewerbsrechts. Seine Tätigkeit umfasst die Beratung und gerichtliche Vertretung auf dem Gebiet des Markenrechts, des Rechts des unlauteren Wettbewerbs und des Urheberrechts. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören die Begleitung von Werbekampagnen, die Beratung von Online-Shops und Internetdienstleistern sowie Lizenz- und F&E-Verträge.