Fast jeder zweite Kommunikationsprofi kritisiert die schleppende Digitalisierung im eigenen Unternehmen. Dennoch ist die Branche optimistisch: Acht von zehn Kommunikatoren glauben, dass sie auch in fünf Jahren noch attraktiv für ihre Arbeitgeber sind. news aktuell hat PR-Profis aus Unternehmen und Agenturen befragt, wie sie ihr Berufsfeld in Sachen New Work beurteilen und in welchen Bereichen Verbesserungsbedarf besteht. Jetzt sind die Ergebnisse im aktuellen Trendreport erschienen. Das „PR-Journal“ sprach mit news aktuell-Geschäftsführerin Edith Stier-Thompson (Foto) über die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie.

PR-Journal: Soeben ist der news aktuell Trendreport 2020 erschienen. Was genau kann man sich unter diesem Format vorstellen?
Edith Stier-Thompson: Wir führen schon seit vielen Jahren – oftmals gemeinsam mit der Hamburger Agentur Faktenkontor – Umfragen in der Kommunikationsbranche durch und können inzwischen auf eine fundierte Research- und Analyse-Expertise zurückgreifen. Den so genannten ‚news aktuell Trendreport‘, bei dem wir ein für unserer Branche hochrelevantes Thema als Schwerpunkt setzen, machen wir dieses Jahr zum zweiten Mal. Im letzten Jahr ging es um das Dreiecksverhältnis PR-Journalismus-Influencer. In diesem Jahr wollten wir wissen, wie gut die Kommunikationsbranche für die Zukunft aufgestellt ist.

PR-Journal: "Fit for Future? Die Vermessung der Kommunikationsbranche" lautet der Titel des aktuellen Trendreports. Um was genau ging es in der diesjährigen Studie?
Stier-Thompson: Grob geht es um das Thema New Work. Wir wollten wissen, wie Kommunikationsprofis ihr Berufsfeld im Kontext einer sich stetig verändernden Arbeitswelt beurteilen. Es geht unter anderem darum wie weit fortgeschritten digitale Technologien und neue Arbeitsformen tatsächlich bei den Kommunikationsprofis sind und welche Kompetenzen sie für die Zukunft brauchen. 

PR-Journal: Und? Sind die PR-Schaffenden hierzulande gerüstet für die Zukunft?
Stier-Thompson: Ein klares Jein (schmunzelt). Die Antworten zeigen, dass wir insgesamt gut für die kommenden Herausforderungen der Arbeitswelt aufgestellt sind. Aber es gibt in einigen Bereichen noch deutlich Luft nach oben, insbesondere bei digitalen Technologien, interner und Change Kommunikation sowie Gender Equality.

PR-Journal: Das heißt?
Stier-Thompson: Nehmen wir das Thema Digitalisierung. Für eine überwiegende Mehrheit – über 90 Prozent – sind digitale Technologien für die tägliche Arbeit wichtig. Doch in der Umsetzung hapert es noch. Immerhin kritisiert knapp die Hälfte der Befragten, dass die digitale Transformation im eigenen Haus noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Als Hauptbremser nennen die Kommunikationsprofis fehlende Ressourcen – Zeit und Geld – aber auch veraltete Denkweisen beim Management. (Grafik 1-Hauptbremser) Dabei bräuchte es vor allem Mut und Aufgeschlossenheit gegenüber den neuen Tools. Daher überrascht es nicht, dass derzeit vor allem weniger „techniklastige“ Werkzeuge genutzt werden, allen voran Collaboration-Tools oder Messenger Dienste. Je mehr Technik im Spiel, desto geringer die Nutzung im PR-Alltag. Content mit Hilfe von Virtual oder Augmented Reality oder Künstlicher Intelligenz zu erstellen, ist nicht mal bei zehn Prozent der Befragten ein Thema. Und das, obwohl VR, AR und KI seit längerem in der PR-Blase trenden. (Grafik 2- Tools)

PR-Journal: PR-Profis sollten sich also für die Zukunft mehr technische Skills aneignen?
Stier-Thompson: Ja. Das sieht die Branche zumindest als klaren Auftrag. Während in der Gegenwart insbesondere klassische Kompetenzen wie strategisch-konzeptionelles Denken, Textfertigkeit und breites Allgemeinwissen eine sehr wichtige Rolle spielen, nehmen zukünftig Fähigkeiten mit technischem Anspruch einen immer höheren Stellenwert für die Befragten ein. Insbesondere das Produzieren von Multi-Media-Content wird in den kommenden fünf Jahren viel wichtiger, aber auch die datengetriebene Messung und Analyse.

PR-Journal: Und was ist mit den Soft Skills in Zeiten von KI und Co.?
Stier-Thompson: Die sozialen Kompetenzen werden nach Meinung der meisten Befragten nicht an Bedeutung verlieren. Insbesondere adaptive Fähigkeiten wie die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen, werden zukünftig noch wichtiger werden, was angesichts des beschleunigten Wandels auch nötig ist. Sich anzupassen scheint allerdings bei den meisten PR-Praktikern in der DNA zu liegen, denn acht von zehn Befragten glauben, dass sie die Anforderungen, die der Kommunikationsjob in fünf Jahren mit sich bringt, erfüllen werden. (Grafik 3 – Anforderungen) Unsere Branche blickt also selbstbewusst und optimistisch in die Zukunft.

PR-Journal: Wandel muss kommunikativ begleitet werden. Daher haben Sie auch die Rolle von Change und interne Kommunikation abgefragt. Wo liegen die größten Fallstricke?
Stier-Thompson: Beide Kommunikationsdisziplinen haben bereits heute einen hohen Stellenwert, aber für die Zukunft prognostizieren die PR-Profis für beide Bereiche eine weitere Professionalisierung und Intensivierung. (Grafik 4 – Stellenwert) Wir haben daher auch erfragt, was die größten Hindernisse für eine erfolgreiche Umsetzung sind. Häufig scheitert es an fehlender Integration. Über die Hälfte der Befragten bemängeln, dass Mitarbeiter zu wenig in Veränderungsprozesse eingebunden werden, Führungskräfte Veränderung zu wenig vorleben und die Kommunikation noch zu oft auf "Senden" statt auf "Dialog" ausgerichtet ist. (Grafik 5-Hindernisse) Gerade die vergangenen Wochen haben gezeigt, wie wichtig die interne Kommunikation ist und ich hoffe, dass ihre Bedeutung bei den Unternehmenslenkern, aber auch bei den Mitarbeitern nachhaltig erkannt wurde.

PR-Journal: Ein weiteres Ergebnis Ihrer Studie ist, dass das Geschlechterverhältnis in den Führungsetagen der PR noch immer sehr unausgewogen ist. Hat Sie das überrascht?
Stier-Thompson: Nein. Allerdings müssen wir differenzieren. In den Agenturen ist die Geschlechterverteilung bei Leitungspositionen inzwischen ausgeglichen, in den Unternehmen dominieren weiterhin die Männer. (Grafik 6- Geschlechterverteilung) Aktuell setzen Unternehmen wie Agenturen vor allem auf Flexibilisierungsinstrumente wie Teilzeit oder Home-Office, um Karrieren beider Geschlechter gleichermaßen zu fördern. Die Befragten wünschen sich jedoch vor allem mehr Transparenz bei den Gehältern und Jobsharing-Angebote auf Führungsebene. (Grafik 7-Wünsche) Hier gibt es noch eine deutliche Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Allerdings hat auch jeder fünfte Befragte keine weiteren Forderungen. Diese Aussage lässt vermuten, dass in den letzten Jahren in der Kommunikationsbranche doch schon viel in Sachen Gender Equality passiert ist.

PR-Journal: Welchen Arbeitsauftrag sollten sich Führungskräfte und Unternehmen aus den Ergebnissen des Trendreports mitnehmen?
Stier-Thompson: Den Gap zwischen Ist-Zustand und Soll-Zustand analysieren und weiter schließen. Konkret heißt das: Erfolgreiches Management fördert innovative Technologien und New Work, begleitet und steuert den Wandel und lebt ihn im Team vor. Gute Führungskräfte setzen noch mehr auf Flexibilisierung, lassen los und geben Verantwortung ab, treiben Vernetzung, Zusammenarbeit und Kommunikation im Team voran. Nicht zuletzt fördern sie Gender Equality und Diversität insbesondere auf Führungsebene, indem sie mutig die ganze Klaviatur der Instrumente nutzen, zum Beispiel aktiv männliche Führungskräfte zu Elternzeit ermutigen oder Jobsharing bei Leitungspositionen ausprobieren.

Ein ausführlicher Bericht zum Trendreport 2020 ist hier im "PR-Journal" zu finden. Die vollständigen Studienergebnisse des news aktuell Trendreport 2020 können unter diesem Link kostenfrei heruntergeladen werden.


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