Professor Markus Kiefer und Thomas Dillmann stellten ihre Fragen von Bonn aus. Dort waren sie Gast im Ton-Studio der Deutschen Post DHL.

Die 3. Neuauflage des Handbuchs Unternehmenskommunikation ist nach dem Urteil unseres Fachbuchrezensenten Professor Markus Kiefer „ein echtes Ereignis“. Grund genug für die „PR-Journal“-Redaktion mit einem der Herausgeber, Professor Ansgar Zerfaß, und Dr. Juliane Kiesenbauer als Vertreterin der Berufspraxis zu sprechen. Im „PR-Journal“-Podcast-Interview des Monats Januar 2023 stellen sich Zerfaß und Kiesenbauer den Fragen von Chefredakteur Thomas Dillmann und Co-Moderator Markus Kiefer. Unter anderem ging es um die eigenständige Positionierung der Unternehmenskommunikation gegenüber dem Marketing, die nachlassende Bedeutung der Medienarbeit und einen Ausblick in die Zukunft, inwieweit die Corona-Krise und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine möglicherweise Auswirkungen auf eine 4. Neuauflage des Handbuchs in einigen Jahren haben könnte. Nachfolgend einige Auszüge aus dem Interview.

Zunächst stellte Co-Moderator Kiefer die Dimensionen der aktuellen Neuauflage vor.

Kiefer: „Der Hauptband des Handbuchs Unternehmenskommunikation hat eine vierstellige Seitenzahl. Legt man ihn mit den drei weiteren Bänden über Investor Relations, Interne Kommunikation und Public Affairs übereinander, hat man drei Kilo in der Hand. Allein der einführende Hauptband, Herausgeber sind neben Professor Zerfaß auch die Professorin Ulrike Röttger und Manfred Piwinger, hat über 50 Einzelbeiträge, er vereint 60 renommierte Kolleginnen und Kollegen, allesamt namhafte Wissenschaftler aus der Hochschullandschaft, vor allen Dingen aus BWL, Kommunikation, Medienwissenschaften, anderen Sozialwissenschaften. Alle vier Bände zusammengenommen haben 2872 Seiten. Alle Beiträge sind kompetent und wissenschaftlich abgesichert durch die deutsche Forschungsspitze, entstanden in einem zweijährigen Abstimmungsprozess zwischen den Herausgebern und den Autoren. Die Beiträge beziehen sich aufeinander, sind vernetzt und schaffen Zusammenhänge. Das ist viel mehr, als ein Lehrbuch eines einzelnen Wissenschaftlers jemals leisten kann.“

Zur Frage, warum die Neuauflage jetzt erschienen ist, sagte Herausgeber Zerfaß: „Unternehmenskommunikation bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und der Mediengesellschaft. Das sind Rahmenbedingungen, die neu reflektiert werden müssen. Als Beispiel verweise ich nur darauf, wie man beim Management von Kommunikationsabteilungen deutliche Fortschritte gemacht hat. Es gibt inzwischen empirische Erkenntnisse zur Exzellenz in Kommunikationsabteilungen.“

Welche Zielgruppen werden adressiert?

Zerfaß: „Zum einen die Top-Entscheiderebene, also Geschäftsführer und Vorstände, die sich in Grundzügen dieses Wissen aneignen müssen, um überhaupt mit ihren eigenen Mitarbeitenden oder mit Agenturen sprechen zu können. Zum zweiten sind es die Praktiker in der Kommunikation, die ihren Job sehr gut machen, aber nicht das ganze Feld im Blick haben können. Sie finden im Handbuch den Einstieg, um sich den State of the Art des Wissens abholen zu können. Und drittens sind es die Studierenden und diejenigen, die Kommunikation an Hochschulen, Fachhochschulen, Universitäten, Bildungseinrichtungen unterrichten. Sie finden hier kompakt den Einstieg den aktuellen Stand des Wissens.“

Auch zur Frage der Positionierung der Unternehmenskommunikation gegenüber der Marketingkommunikation nahm Zerfaß Stellung: „Dieses Handbuch ist von der strategischen Perspektive der Unternehmensführung her aufgebaut. Deswegen ist es auch in einer bekannten Reihe von BWL-Handbüchern erschienen. Auch wenn manche die Begriffe anders verwenden, ist es so, dass die Unternehmenskommunikation aus betriebswirtschaftlicher Sicht sämtliche Kommunikationsprozesse umfasst, die vom Unternehmen gesteuert werden oder die es betreffen. Daher ist Unternehmenskommunikation immer der Oberbegriff. Das umfasst konzeptionell immer Marketingkommunikation als einen Teil, unabhängig davon, wie das in der Praxis sinnvollerweise organisiert wird.“

Zur Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmens- und Marketingkommunikation erläuterte Juliane Kiesenbauer, die Director Marketing & Communications DACH bei Staffbase ist: „Letzten Endes bringt es für die einzelnen PraktikerInnen nichts, wenn Marketing und Kommunikation nicht zusammenarbeiten. Ich glaube, wenn ich vor dem weißen Blatt stünde, würde ich die Funktionen zusammenlegen. In den letzten Jahren wurden Marketing und Kommunikation – sobald größere personelle Veränderungen anstanden – insbesondere in Großunternehmen zusammenlegt. Ich denke an die Deutsche Bahn zirka 2016 oder an Mercedes-Benz 2021. Und wenn ich es mir aussuchen könnte, wäre das eine Art, die ich auch bevorzugen würde, weil es einfach eine effizientere Arbeitsweise ist und gewisse Abteilungsegoismen und Kanalsilos verhindert. Ich finde es aber bei gewachsenen Strukturen auch absolut akzeptabel, wenn Marketing und Kommunikation in der reinen Aufbauorganisation, also in der Struktur, getrennt sind, solange sie eng zusammenarbeiten.“

Pressearbeit hat an Stellenwert verloren?

Die veränderte Rolle der Presse- und Medienarbeit sprach Co-Moderator Kiefer an. Er wollte von Zerfaß und Kiesenbauer wissen, warum das Thema im aktuellen Handbuch in deutlich geringerem Umfang abgehandelt wird als vor allem in der 1. Auflage von 2007. Kiefer fragte, warum die Pressearbeit in der wissenschaftlichen Betrachtung an Stellenwert verloren hat.

Zerfass: „Bei uns in westlichen Gesellschaften ist es in der Tat so, dass die Bedeutung unabhängiger Medien für die Meinungsbildung in bestimmten Zielgruppen gesunken ist. Das führt natürlich dazu, dass Kommunikationsprofis andere Wege suchen, um ihre Zielgruppen zu erreichen. Gleichzeitig sind unternehmenseigene Medien deutlich professioneller und handhabbarer geworden. Es war schlicht vor zehn oder 20 Jahren für viele nicht möglich, professionelle Videoproduktionen, Podcasts, interaktive Formate zu produzieren.“

Kiesenbauer: „Tatsächlich glaube ich, dass es nicht ein Entweder-Oder sein kann: Wir sehen zwar nicht nur im Handbuch Unternehmenskommunikation, dass die Media Relations einen weniger großen Raum einnehmen als andere Themen. Bei diversen anderen Studien, zum Beispiel der von der Telekom herausgegebenen NextCom-Studie, spielen sie in der Diskussion rund um die Trends der nächsten Jahre ebenso eine kleinere Rolle als je zuvor.
Ich finde, die Media Relations dürfen das nicht für sich als Beleidigung auffassen. Sie sind unverzichtbar. Ich komme ja nun aus dem Start-up-Bereich. Wir haben bestimmte Phasen der Unternehmensentwicklung, in denen Media Relations extrem wichtig sind, und wir haben andere Phasen, in denen die eigene Content-Produktion in den Mittelpunkt rückt. Grundsätzlich finde ich, die Media Relations bleiben und sind wichtig. In jedem Kommunikationsteam muss es Menschen mit journalistischem Verständnis geben. Das ist gesetzt und daran wird sich auch nichts ändern.“

Thomas Dillmann lud seine Gäste noch ein, eine Prognose abzugeben, inwieweit die Corona-Krise und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung in den nächsten Jahren Spuren hinterlassen und möglicherweise Auswirkungen auf eine 4. Neuauflage des Handbuchs Unternehmenskommunikation in einigen Jahren haben könnten.

Einfluss der militärisch strategischen Kommunikation auf die Kommunikation von Unternehmen

Zerfaß: „Interessen- und Wertkonflikte werden nicht nur im globalen Kontext, sondern auch in vielen Unternehmen selbst immer deutlicher. Wie kommuniziert man in solchen Situationen, die nicht nur immer einfach sind und zu schönen Ergebnissen führen? Das ist sicherlich ein Thema, an dem im Moment stark geforscht wird, übrigens auch beeinflusst durch die Forschung im militärischen Bereich. In Schweden und Finnland wurden in den letzten Monaten in ganz kurzer Zeit große Forschungsprogramme und Zentren für militärische strategische Kommunikation an Hochschulen hochgezogen. Dort wird es viele Erkenntnisse geben, die man, glaube ich, im nächsten Schritt auch übertragen kann auf die Kommunikation von Unternehmen.“

Kiesenbauer ergänzte: „Ich freue mich schon darauf, diese Parallele zwischen strategsicher Kommunikation in Militär und Wirtschaft zu lesen. Ich glaube zudem, dass internationale Krisenkommunikation wahrscheinlich im nächsten Band eine größere Rolle spielen wird. Das haben die Autorinnen und Autoren des Beitrags Krisenkommunikation im aktuellen Handbuch auch als Forschungslücke herausgestellt. Die Corona- und Ukrainekrise betreffen uns plötzlich alle und das bedeutet automatisch, dass alles rund um interne und externe Krisenkommunikation neuerdings für alle interessant ist. Das sollte sicherlich vertieft werden.“

Hier gibt es das Podcast-Interview in voller Länge.


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