Das PR-Interview Künstliche Intelligenz Krisen lassen sich nicht prompten
- Details
- von Annett Bergk, Hamburg
Was passiert, wenn eine KI auf einen Shitstorm trifft? Kann ein Prompt Vertrauen retten? Und warum ist gerade die beste Technik oft hilflos, wenn niemand Verantwortung übernimmt? Patrick Hacker, Leiter der europaweiten Krisenkommunikation bei Team Farner und stv. Geschäftsführer von komm.passion, erklärt im Interview, was KI heute wirklich leisten kann – und warum kluge Vorbereitung und menschliche Haltung wichtiger sind als jedes Tool.

PR-Journal: Herr Hacker, in der Kommunikationsbranche wird derzeit viel über KI diskutiert. Was kann sie in der Krise leisten?
Patrick Hacker: KI kann einiges, aber nicht alles. Sie kann unterstützen, sortieren, strukturieren. Wenn die Vorarbeit geleistet wurde, ist sie ein echtes Werkzeug für die Textgenerierung, die Analyse von Kommentaren oder die Aufbereitung von Szenarien. Aber wer im Krisenmoment erst anfängt, eine KI zu trainieren, ist eindeutig zu spät dran. Wir benötigen Schnelligkeit in der Krise. Und die entsteht nicht durch Technik, sondern durch Struktur.
PR-Journal: Heißt das, die eigentliche Arbeit passiert vor der Krise?
Hacker: Ganz genau. Die besten Systeme helfen nicht, wenn Daten fehlen, Rollen unklar sind oder niemand weiß, auf welchen Kanälen was passiert. Die Unternehmen, die in der Krise stabil bleiben, sind die, die vorher schon definieren und üben. Wenn Kommunikationsabteilungen gemeinsam mit KI-Teams Szenarien durchspielen, Stakeholder identifizieren, Reaktionslinien vorbereiten, dann kann die Technik im Ernstfall sehr hilfreich sein. Aber eben als Teil eines Prozesses, nicht als Ersatz für ihn.
PR-Journal: Wo sehen Sie die größten Missverständnisse in der aktuellen Debatte?
Hacker: Viele setzen große Hoffnungen in KI und erwarten, dass sie ihnen im Ernstfall schwierige Entscheidungen abnimmt. Doch so funktioniert Kommunikation nicht – schon gar nicht in der Krise. Es geht nicht nur um Informationen, sondern um das Abwägen von Interessen, das Erkennen von Risiken und das Setzen klarer Prioritäten. Dabei kann KI zwar unterstützen, indem sie Muster erkennt oder erste Entwürfe liefert, doch die eigentliche Entscheidung bleibt komplex, situationsabhängig und zutiefst menschlich. Wer meint, sich in kritischen Momenten allein auf Tools verlassen zu können, verkennt den Kern professioneller Kommunikation. Es braucht Fingerspitzengefühl, Kontextbewusstsein und vor allem: Vertrauen.
PR-Journal: Vertrauen in Menschen oder in Systeme?
Hacker: In Menschen. Immer. Systeme können Prozesse vereinfachen, auch strategische Planung unterstützen. Aber das, was Vertrauen schafft, bleibt menschlich: wie man mit Zielkonflikten umgeht, wie man sich erklärt und wie man Haltung zeigt. Das kann man nicht automatisieren.
PR-Journal: Was braucht es in den Agenturen und Kommunikationsabteilungen, damit KI funktioniert?
Hacker: Organisatorisch braucht es zwei Dinge: eine klare Arbeitsteilung und ein gutes Zusammenspiel der Beteiligten. Spezialisierte Teams sollten sich darum kümmern, KI-Systeme zu konfigurieren, zu trainieren und kontinuierlich zu verbessern. Gleichzeitig braucht es Menschen, die strategisch denken, in Stresssituationen einen kühlen Kopf bewahren und glaubwürdig kommunizieren können. Gerade wenn es heikel wird, kommt es auf sie an.
PR-Journal: Wenn das die Gegenwart ist – wohin entwickelt sich der Einsatz von KI?
Hacker: Spannend finde ich die Idee, dass KI-basierte Datenabfragen künftig manche Faktenanfragen erübrigen könnten, etwa zur letzten Wartung einer Anlage oder zur Zahl der Personen an Bord eines Fliegers. Solche Informationen direkt in Systeme einzubinden, kann Teams im Ernstfall deutlich entlasten. Trotzdem bleibt ein zentraler Punkt bestehen: Die meisten Krisen lassen sich intern erkennen, bevor sie extern eskalieren. Wer Hinweise aus dem Kundenservice, aus der Werkstatt oder von der Rezeption ernst nimmt, wer die Signale im eigenen Haus versteht, ist klar im Vorteil. Und diese Aufmerksamkeit für Zwischentöne kann keine KI ersetzen.
- Zugriffe: 591