Wer es mit Sprache und Kommunikation hat, kommt an dem Mann einfach nicht vorbei: Robert Habeck, Vizekanzler und politischer Sprachpoet, wie ihn unser Sprach-Optimist Murtaza Akbar (Foto) nennt. Das 7-Minuten-Interview mit Marietta Slomka im heute-journal war ein Rhetorik-Schnellkurs mit gleich mehreren goldenen Tipps, die jeder direkt selbst anwenden kann. Nicht nur wegen der mittlerweile weitverbreiteten Aussage „Die kriegst Du nicht, Alter!“, sondern weil sich Habeck in dem Gespräch sogar manchmal selbst überholt hat, wenn er etwa im heute-journal von, Achtung, Tagesthemen spricht. Unbewusst geschickt oder ein klarer Diss an Marietta Slomka? Unser Sprach-Optimist klärt auf. 

Von Murtaza Akbar, Neu-Isenburg

Was soll ich machen? Habeck hat’s halt schon wieder getan. Dieses Mal bei und mit Marietta Slomka im ZDF heute-journal. Wie soll ich als offizieller Sprach-Optimist dieses Landes da an ihm vorbeikommen? Keine Chance, der Mann ist einfach ein politischer Sprachpoet. Selbst oder gerade in Kriegszeiten. Dieses Mal ging’s im Interview mit Slomka ums Gas oder eben zu wenig davon, weil wir ja von Russland abhängig sind. Und immer spricht der erste deutsche Klima- und Energieminister dabei in Bildern, das geht nun mal direkt in den Kopf. Es gibt wohl „schmerzhafte Entscheidungen, da will ich nicht um den heißen Brei herumreden“, die uns alle betreffen werden, meinte er im ZDF. 

Natürlich ist auch von erneuerbaren Energien die Rede und warum Deutschland da – Achtung ein Bild von mir – nur im Schneckentempo vorankommt. Das sieht Habeck aber erwartungsgemäß anders und „disst“ (ja, lassen Sie mich dieses Wort verwenden) in meinen Augen allerdings unbewusst (hab mir die Szene fünf Mal angesehen) Slomka, indem er in einer Aussage die ARD-Konkurrenz erwähnt: „Es gibt aber auch Themen, mit denen man nicht ganz so in die Tagesthemen kommt.“ Und meint damit: „Wir bauen die Windkraft in einem rasenden Tempo aus.“ Also nix Schnecke, aber klar, da kommt der Grüne raus und ergänzt: „Ich nehme mal Bayern, die haben jahrelang die Hände verschränkt, könnt Ihr machen, nur nicht bei uns!“ (Zur Abwechslung mal ein Bild.) Habeck spricht da die Windkrafträder an, die jetzt zwar nicht „millionenfach“ genehmigt werden, wie Slomka es einen Hauch provozierend formuliert (ist ja auch ihr Job), damit Habeck daraufhin sagt: „Aber jetzt wollen sie 800 Windkraftanlagen in Bayern bauen, es sind 800!“ Wow, da hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ja noch den Turbo eingelegt, bevor er die G7-Chefs direkt am Flugzeug mit bayerischem Kulturgut begrüßt hat. 

Slomka kontert selbst mit einem Bild: „Das hilft uns aber nicht bis zum Jahresende, wenn der russische Präsident uns den Gashahn zudreht.“ Und Habeck? „Das stimmt, ich wollte auch nicht ablenken.“ Meine Damen und Herren, welcher Politiker hat das jemals zuvor mal so offen gesagt? Goldener Tipp 2 der Rhetorik (Tipp 1 mit den Bildern kennen Sie ja nun): entwaffnende Offenheit. Denn die meisten Politiker sind mindestens Bachelor-Absolventen im „Nicht-Beantworten-von-Fragen“ und manche haben danach noch ihren Master gemacht im „Ablenken“.

Und dann gibt’s als Bonus noch einen konkreten (!) Tipp vom Minister höchstpersönlich. Da ist alles dabei, Bilder, Zahlen, Offenheit, Ergebnis: „Es gibt eine Faustregel: Pro Grad weniger heizen spart man fünf Prozent Energie. Bei zwei Grad dann logischerweise zehn Prozent.“ Und weiter: „Es geht mehr darum, wenn ich das mal in meiner Sprache sagen darf, den inneren Schweinehund oder den eigenen blinden Fleck zu überwinden. Ich habe auch eine Gasheizung, fragen Sie mich nicht, wann mein letzter hydraulischer Abgleich war.“

Und dann nimmt er sich auch noch selbst auf den Arm: „Der Energie- und Klimaminister Habeck sagt ‚tauscht den Duschkopf aus’, das spart 30 Prozent Energie, hahaha, ein Duschkopf soll uns vor Putin retten. Wenn man aber die Summe sieht, kommt ganz schön was zusammen – und das mal 40 Millionen Haushalte, das macht schon was aus.“

Der Rhetorikkurs von Robert Habeck mit Marietta Slomka war nur runde sieben Minuten lang, so schnell können Sie von ihm lernen, kostet auch nix (außer GEZ-Gebühren). Denn da sehe ich es ähnlich wie der Minister: „Ich will auch nicht in einem Land leben, wo man sich nur noch bewegt, wenn es Geld dafür gibt.“ Er meint damit, fürs Energiesparen Prämien zu zahlen: „Und wenn jemand sagt, ich helfe nur, wenn ich nochmal 50 Euro kriege – dann würde ich sagen: Die kriegst Du nicht, Alter!“

Der Autor Murtaza Akbar ist Geschäftsführer von Wortwahl – Agentur für Unternehmens- und Onlinekommunikation in Neu-Isenburg. Der gebürtige Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln ist zudem Dozent an der Hochschule Darmstadt im Studiengang Onlinekommunikation sowie Speaker, Trainer und Coach zum Thema Sprache und (Kunden-)Kommunikation – hier geht’s zu seiner Speaker-Broschüre. Zu erreichen ist Murtaza Akbar per E-Mail beziehungsweise via TwitterInstagram und Facebook.


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