Der Sprach-Optimist Wenn die Masken fallen: Scholz versus Lindner in fünf Akten
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- von Thomas Dillmann, Bad Honnef
Olaf Scholz gegen Christian Lindner. Ein peinliches Schauspiel. Hat es jemals zwei Regierungsmitglieder gegeben, die sich solch massive Schuldzuweisungen öffentlich an den Kopf werfen? Unserem Sprach-Optimisten Murtaza Akbar hat es fast die Sprache verschlagen. Er hat die markantesten Zitate herausgefiltert und ja … wer gewinnt das Duell?
Von Murtaza Akbar, Neu-Isenburg
Nachdem ich das 14-minütige Statement von Bundeskanzler Scholz zur Entlassung von Finanzminister Christian Lindner und anschließend dessen beide Statements von insgesamt sieben Minuten Wort für Wort analysiert habe, fehlen mir selbst fast die Worte. Ich wollte eigentlich die Rhetorik … aber lassen wir das, diesen Kindergarten müssen wir anders angehen. Und lassen dabei Vizekanzler Robert Habeck mal außen vor, der sich ja jetzt als Kanzlerkandidat der Grünen mit Bürgerinnen und Bürgern an deren Küchentisch zum Austausch setzen will. Stattdessen mache ich daraus ein TV-Duell Scholz versus Lindner und stelle die Original-Zitate nebeneinander – in 5 Runden.
Bitte sehr, gemütlich machen, ich empfehle ein Getränk mit Popcorn, Chips oder etwas Gebäck. Es geht los.
Runde 1: Wenn der Lehrer dem Schüler die Schuld …
Wenn einer dem anderen aber sowas von komplett die Schuld in die Schuhe schiebt. Und das vom Teleprompter links und rechts im US-Stil am Pult abliest, zu viele Pausen und gar keine Gestik nutzt.
Olaf Scholz: „Ich habe den Bundespräsidenten um die Entlassung des Finanzministers Christian Lindner gebeten, um Schaden von unserem Land abzuwenden. … Der Bundesfinanzminister zeigt keinerlei Bereitschaft, dieses [mein, die Red.] Angebot zum Wohle unseres Landes in der Bundesregierung umzusetzen. Ein solches Verhalten will ich unserem Land nicht länger zumuten.“
Christian Lindner: „Es wäre möglich, in Würde und geordnet dieses Kapitel zu beenden …. Ich habe deshalb den noch amtierenden Bundeskanzler am Sonntagabend vorgeschlagen, für den Fall, dass wir uns nicht einigen … Stattdessen gestern eine Entlassungsinszenierung …“
Runde 2: Wirtschaft fördern wollen beide, ja, was denn nun?
Beide wollen Unternehmen unter die Arme greifen, nur nicht zusammen.
Scholz: „Unsere Unternehmen brauchen Unterstützung, und zwar jetzt. Wer sich in einer solchen Lage einer Lösung, einem Kompromissangebot verweigert, der handelt verantwortungslos. Als Bundeskanzler kann ich das nicht dulden.“
Lindner: „Olaf Scholz hat lange die Notwendigkeit verkannt, dass unser Land einen wirtschaftlichen Aufschwung benötigt. Er hat die wirtschaftlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger lange verharmlost.“
Runde 3: Der Amtseid entscheidet …
Wenn es ums Verklausulieren geht, macht keiner Lindner was vor. Mehr Buzzwords, die einiges befürchten lassen, schafft keiner in weniger Sätzen. Ob das was mit dem Amtseid zu tun hat, weiß ich aber nicht.
Scholz, für den der Amtseid große Bedeutung hat: „Ich habe stets das Wohl des ganzen Landes im Blick … Verklausuliert spricht Christian Lindner von der Hebung von Effizienzreserven in unseren Sozialversicherungssystemen. Dahinter verbergen sich harte Einschnitte bei Gesundheit und Pflege.“
Lindner: „Ich habe Vorschläge zu einer Wirtschaftswende vorgelegt, um unser Land wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Weniger Bürokratie, geringere Steuerlast, eine pragmatischere Klima- und Energiepolitik. Mehr Kontrolle bei der Migration zugleich Stärkung von Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Innovationsfreude …“
Scholz: „Immer wieder habe ich in den vergangenen drei Jahren Vorschläge gemacht … Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen … Es gibt keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich.“
Lindner, für den der Amtseid große Bedeutung hat: „Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen. Stattdessen hat er heute Nachmittag ultimativ von mir verlangt, die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen. Dem konnte ich nicht zustimmen, weil ich sonst meinen Amtseid verletzt hätte.“
Runde 4: Kalkuliert in die Büsche geschlagen?
Der eine wollte sich angeblich in die Büsche schlagen, obwohl er es schon vorher wusste? Hat keiner gesagt, dass es nicht kompliziert ist.
Scholz: „Wer in eine Regierung eintritt, der muss seriös und verantwortungsvoll handeln, der darf sich nicht in die Büsche schlagen, wenn es schwierig wird …“
Lindner: „Sein genau vorbereitetes Statement vom heutigen Abend belegt, dass es Olaf Scholz längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging, sondern um einen kalkulierten Bruch dieser Koalition.“
Runde 5: Lindner will den Genscher machen
Christian Lindner will echt den Hans-Dietrich Genscher machen, der nach der von Helmut Schmidt 1982 im Bundestag verlorenen Vertrauensfrage mit der FDP als Koalitionspartner von der SPD direkt zur CDU gewechselt ist und damit Helmut Kohl zum Bundeskanzler gemacht hat. Lindner macht also Friedrich Merz dann zum Kohl?
Lindner: „Die Freien Demokraten sind unverändert bereit. Verantwortung für dieses Land zu tragen. Und wir werden dafür kämpfen, dies in einer anderen Regierung im nächsten Jahr auch zu tun.“
Scholz: „Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit …“
Der Autor Murtaza Akbar (Foto: Agentur Wortwahl) ist Geschäftsführer von Wortwahl – Agentur für Unternehmens- und Onlinekommunikation in Neu-Isenburg. Der gebürtige Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln ist zudem Dozent an der Hochschule Darmstadt sowie Speaker, Präsentations- und Rhetoriktrainer – hier geht’s zu seiner Speaker-Broschüre. Zu erreichen ist Murtaza Akbar per E-Mail oder LinkedIn.
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