Der Sprach-Optimist Kandidaten-Check: Der Wahlkampf der Ängste

Die Rhetorikspirale dreht sich gut fünf Wochen vor der Bundestagswahl gefährlich. War ein Wahlkampf je so polarisierend? Statt Zuversicht Angstmacherei, statt Lösungen Schlagworte. Unser Sprach-Optimist Murtaza Akbar (Foto: Agentur Wortwahl) analysiert die Aussagen von Merz, Scholz, Lindner, Habeck und Söder. Sein Optimismus? Nun ja, wird auf die Probe gestellt.  

Von Murtaza Akbar, Neu-Isenburg

War ein Bundestagswahlkampf jemals so destruktiv? Ich bin Sprach-Optimist. Doch in diesem Wahlkampf fühle ich mich wie ein Gärtner, der auf einem Trümmerfeld nach Blumen sucht. Und was finde ich? Angstmacherei, Polarisierung und ein bisschen Lindner. Lösungen? Nee, erstmal gegen Mängel an- und Migration bekämpfen, äh, doch hat Markus Söder so gesagt, bevor er sich korrigiert hat. Du willst Fakten? Ist eher Mangelware im Wahlkampf bisher, aber ich liefere Dir die rhetorischen Fakten sehr gerne. Wer sagt was?

„Die Ich-AG“: Christian Lindner

FDP-Slogan „Alles lässt sich ändern“

„Mein Name ist Christian Lindner. Ich bin – noch – 45 Jahre alt und offensichtlich der schlimmste Albtraum des linksgrünen Mainstreams in unserem Land … Es scheinen eher Ängste zu dominieren. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, das eigene Leben nicht mehr bezahlen zu können … und es gibt auch die Angst, die letzten Deutschen zu sein wegen einer drohenden Überfremdung unseres Landes …“

Angst machen kann er, der Lindner, mit allen rhetorischen Feinheiten. Die FDP hat übrigens selbst richtig Angst: vor der Fünf-Prozent-Hürde. Doch die Partei bleibt seltsam abhängig von der Ich-AG. „Alles lässt sich ändern“ – nur nicht diese One-Man-Show.

„Der Zusammenführer“: Robert Habeck

Grünen-Slogan: „Ein Bündnis. Ein Mensch. Ein Wort.“

„Das Rezept gegen rechts ist sicher nicht, dass man den Rechten hinterherbellt und hinterherläuft … Markus Söder macht gedanklich einen schweren Fehler, indem man die Position der Rechten übernimmt … Die demokratischen Parteien der Mitte müssen in der Lage sein, zusammenzuarbeiten, sonst wird die Republik unregierbar. … Wir setzen darauf, dass die Republik durch Konsens geprägt ist, durch das Aufeinanderzugehen, das Zuhören – und was hassen die Rechten am meisten: genau diese Position.“

Wie immer mag Robert Habeck die bildhafte Sprache, aber beim Konsens gehen ihm die Bilder aus. Er spricht viel komplizierter als sonst, der selbst ernannte „Bündniskanzler“. „Ein Bündnis, Ein Mensch. Ein Wort.“ Es kommen auch andere zu Wort, aber der Robert ist schon der Star. Bisschen Lindner-like.

„Der Nüchterne“: Olaf Scholz 

SPD-Slogan: „Mehr für Dich. Besser für Deutschland.“

„Wir brauchen neues Wachstum. Dafür müssen die notwendigen Entscheidungen jetzt getroffen werden, damit wir in 10, 20, 30 Jahren noch gute Arbeitsplätze haben, die gut bezahlt werden … Ein zentraler Vorschlag ist unser ‚Made in Germany‘-Bonus. Das ist eine Steuerprämie auf Ausrüstungsinvestitionen, die unmittelbar dazu beiträgt, dass Wachstum in Deutschland gefördert wird.“

Olaf Scholz klingt wie eine Bedienungsanleitung für Bürokraten, nüchtern, beiläufig, eintönig. Dabei macht er einen Lösungsvorschlag. Nur „Ausrüstungsinvestitionen“ ist genauso sperrig wie der angebliche Bürokratieabbau, den er forcieren will. Gibt’s nichts Neues, Herr Kanzler?

„Der Konservative“: Friedrich Merz

CDU/CSU-Slogan „Wieder nach vorne“

„Nicht Prämien und Subventionen sind die richtige Antwort, sondern Leistung und Anstrengung … Die Visumserteilung, die aufgrund von humanitären Gründen, von Familiennachzug, von früheren Ortskräften getätigt werden, ist zu hoch … Es müsste wenigstens eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben.“

Okay, das sind drei zusammengesetzte Zitate vom strengen und distanzierten Friedrich Merz. „Wieder nach vorne“, also rückwärtsgewandt, „wieder“ dahin, wo sie schon mal waren? So wie Merz damals Kanzler werden wollte? Er will sogar einen Fehler „meiner Partei“ gestehen, das wäre 2015 mit der Grenzöffnung seiner „Parteifreundin“ Angela Merkel gewesen.

„Der Hardliner“: Markus Söder 

CDU/CSU-Slogan „Wieder nach vorne“

„Wir werden dafür kämpfen, das Staatsbürgerschaftsrecht wieder zu ändern. Diese Art von Turbo-Staatsbürgerschaft wird Deutschland fundamentaler ändern, als viele glauben. Das geht nicht … Und last but noch least: Diese absoluten Quatsch-Ideen von der Ampel wie beispielsweise das Cannabis-Gesetz, das nur zu Problemen führt – Europa wird mit Drogen überschwemmt, auch Deutschland, mafiöse Strukturen versuchen, Einfluss zu nehmen – das muss beendet werden.“

Ich bitte noch, diesen „Versprecher“ von Söder zu berücksichtigen. Er will „Migration bekämpfen, äh Migration begrenzen und Kriminalität bekämpfen …“ Noch Fragen? Wie immer spricht er einfach und polarisierend. Wie der Lehrer mit seinen Schülern. 

Bitte mehr Mut!

Als Schlusswort gerne dies: „Alles lässt sich ändern. Auch ein Bündnis. Ein Mensch. Ein Wort. Denn mehr für Dich, ist besser für Deutschland. Dann geht’s wieder nach vorne.“ Klingt nach Koalitionsoptionen. Jedenfalls viel besser als rechtsgewandte Alternativen. Und bitte mehr Mut statt Angstmacherei. Danke sehr.

Der Autor Murtaza Akbar ist Geschäftsführer von Wortwahl – Agentur für Unternehmens- und Onlinekommunikation in Neu-Isenburg. Der gebürtige Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln ist zudem Dozent an der Hochschule Darmstadt sowie Speaker, Präsentations- und Rhetoriktrainer – hier geht’s zu seiner Speaker-Broschüre. Zu erreichen ist Murtaza Akbar per E-Mail oder LinkedIn.



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