Der Sprach-Optimist "Ein Meisterstück" Mensch Boris, genau so redet man mit den „Trumps“

Was für eine Rede! „Mensch, Boris Pistorius, warum bist du nicht Kanzlerkandidat?“, fragt unser Sprach-Optimist Murtaza Akbar (Foto: Agentur Wortwahl) – und hat gute Gründe: Die Rede des Verteidigungsministers auf der Münchener Sicherheitskonferenz ist ein Meisterstück. Klar, überzeugend, persönlich. Genau so hältst Du eine Rede, die wirklich ankommt. Genau so überzeugst Du mit Deiner Rede.

Von Murtaza Akbar, Neu-Isenburg

Was Du derzeit im Wahlkampfendspurt von Politikern aller Parteien hörst, ist vor allem schwammig. Bloß nicht konkret sein. Und kaum ein Wort zu Bildung, Wohnungen, Klima, Pflege, Renten. Stattdessen geht es nur um eines: Grenzen schließen, abschieben.

Und dann kommt Verteidigungsminister Boris Pistorius und zeigt, was Haltung, Substanz und Argumente sind. Seine Grundsatzrede auf der Münchener Sicherheitskonferenz ist die bisher stärkste des Jahres. Eine direkte Antwort auf US-Vizepräsident James David Vance, der im Wildwest-Stil verkündet: „Es gibt einen neuen Sheriff (Trump) in der Stadt.“ Pistorius kontert mit einer glasklaren Rede. Warum sie ein Meisterstück ist und was Du daraus für Deine Reden lernen kannst: 

Jeder Satz aus tiefer Überzeugung

Sichtlich bewegt startet Pistorius:

„Ich habe eine Rede vorbereitet […] Aber ganz ehrlich, ich kann nicht so beginnen, wie ich das geplant hatte. Ich bin leidenschaftlicher Transatlantiker, ein großer Freund Amerikas. Der American Dream hat mich schon früh fasziniert und geprägt. […] Ich kann nicht zur Tagesordnung gehen und die Rede, die wir vorhin vom US-Vize-Präsidenten gehört haben, unkommentiert lassen.“

Er beginnt offen, ehrlich und persönlich. Setzt damit das Fundament, bekennt sich als Freund der USA. Es ist die Ruhe vor dem geplanten Sturm, was seine vibrierende Stimme ankündigt. Danach legt er los:

„‘Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst.‘ Das ist das Selbstverständnis der Bundeswehr und unserer Demokratie.“

Der Arbeitgeber-Slogan der Bundeswehr, früher ob des Kämpfens und der Institution von einigen kritisiert, steht sinnbildlich für die Verteidigung der demokratischen Werte.

„Diese Demokratie wurde vom US-Vize-Präsidenten für ganz Europa in Frage gestellt. […] Er vergleicht Zustände in Teilen Europas mit denen in autoritären Regimen. Meine Damen und Herren, das ist nicht akzeptabel!“

Langer Applaus. Endlich traut sich jemand auszusprechen, was wie ein großer Elefant seit der Rede Vances im Raum steht.

„Das ist nicht akzeptabel und das ist nicht das Europa und nicht die Demokratie, in der ich lebe und gerade Wahlkampf mache. Und das ist nicht die Demokratie, die ich in unserem Parlament erlebe. In dieser Demokratie hat jede Meinung eine Stimme. Sie ermöglicht es, in Teilen extremistischen Parteien wie der AfD ganz normal Wahlkampf zu machen. Genau wie jede andere Partei. Das ist Demokratie.“

Um diese Behauptung zu untermauern, macht er, was sehr gute Reden auszeichnet. Er schildert es aus seinen Augen und wird mit einem Beispiel konkret:

„Hätte der Vizepräsident gestern Gelegenheit gehabt, den Fernseher einzuschalten, hätte er eine Spitzenkandidatin dieser Partei zur Primetime im deutschen Fernsehen gesehen.“

Während Donald Trump die Nachrichtenagentur AP aus seinen Pressekonferenzen künftig ausschließen will, kontert Pistorius:

„In unseren Pressekonferenzen werden übrigens auch Medien zugelassen, die russische Propaganda verbreiten. […] Ausgeschlossen wird niemand.“

Er ordnet die Meinungsfreiheit in der Demokratie ein, Fake News gehören nicht dazu: 

„Demokratie bedeutet aber nicht, dass die laute Minderheit Recht hat und die Wahrheit bestimmt. Und Demokratie muss sich wehren können gegen die Extremisten, die sie zerstören wollen.“

Zum Ende hin wird er wieder persönlich, immer in einfachen Worten: 

„Und ich sag's Ihnen, wie es ist. Ich bin froh, dankbar und stolz, in einem Europa zu leben, das diese Demokratie und unsere Art, in Freiheit zu leben, jeden Tag verteidigt, gegen ihre inneren Feinde und gegen ihre äußeren.“

Er kommt zum Anfang zurück, schließt den Kreis, kontert Vance ein letztes Mal:

„Deswegen trete ich dem Eindruck, den Vizepräsident Vance erweckt hat, energisch entgegen, dass in unserer Demokratie Minderheiten unterdrückt oder zum Schweigen gebracht werden. Wir wissen nicht nur, gegen wen wir unser Land verteidigen, sondern auch wofür. Für die Demokratie, für die Meinungsfreiheit, für den Rechtsstaat und für die Würde jedes Einzelnen, meine Damen und Herren.“

Eine große Rede, die aus einer tiefen, inneren Überzeugung eine fast greifbare Klarheit besitzt. Mit einfachen Sätzen wechselt er zwischen persönlichen Emotionen und gesellschaftlichen Werten. Zentral ist die Mischung aus nachvollziehbarer Empörung und ruhiger Sachlichkeit. Er trifft den Ton, den viele Europäer bislang vermissen (genauso wie ich ihn im Wahlkampf vermisse): klar, unmissverständlich, ohne Angst vor Konfrontation.

Und die Frage aller Fragen: Lieber Herr Pistorius, warum sind Sie kein Kanzlerkandidat?

Der Autor Murtaza Akbar ist Geschäftsführer von Wortwahl – Agentur für Unternehmens- und Onlinekommunikation in Neu-Isenburg. Der gebürtige Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln ist zudem Dozent an der Hochschule Darmstadt sowie Speaker, Präsentations- und Rhetoriktrainer – hier geht’s zu seiner Speaker-Broschüre. Zu erreichen ist Murtaza Akbar per E-Mail oder LinkedIn.

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