Macht der Bilder Ein Foto und seine Wirkung: Trump spielt mit dem Mythos der Unbesiegbarkeit
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- von Jost Listemann, Berlin
Am Samstag, den 13. Juli kurz nach 18:00 Uhr Ortszeit drückt der AP-Fotograf Evan Vucci auf den Auslöser seiner Kamera und fotografiert Donald Trump nur Sekunden nach dem Attentat umringt von seinen Leibwächtern in kämpferischer Pose. Im gleichen Moment startete eine globale Verwertungskette in Lichtgeschwindigkeit: Das Netzwerk der Associated Press (AP) verschickt das Bild innerhalb von Minuten über die Newsrooms und Social-Media-Kanäle weltweit.
Es handelt sich um Bild wie ein Scoop: Vermutlich hat AP mit einem einzigen Bild noch nie so viel Umsatz (und Reputation) in so kurzer Zeit generiert.
Geschäft auf Gegenseitigkeit
Die Wirkung des Bildes ist kein Zufall, auch wenn es einen zufälligen Moment festhält. Wie immer auf amerikanischen Wahlkampfveranstaltungen war auch dieser Auftritt sicherlich detailliert orchestriert: Trumps Wahlkampfregie hatte den bekannten AP-Fotograf Evan Vucci in der ersten Reihe platziert, auf den wenigen Metern zwischen dem Van des Ex-Präsidenten und dem Rednerpult. Blickrichtung seitlich von unten auf den Kandidaten, im Hintergrund nur blauer Himmel und die Flaggen am hinteren Rand der Bühne. An der Bühnenkante in Butler (Pennsylvania) verbindet sich die Erfahrung und Reaktionsschnelligkeit des Fotojournalisten mit dem weltweiten Netzwerk der AP und Trumps medialer Performanz. Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Er liefert – Agenturen, Broadcaster und Plattformen verbreiten und verdienen. Trump ist gut fürs digitale Medien Business, und Heldengeschichten verkaufen sich besonders gut.
Gefühle von Bewunderung bis Verängstigung
Vuccis pyramidale Bildaufteilung erinnert an kulturelle Codes von Herrschaft und Heiligkeit: Die Gräber ägyptischer Pharaonen, die Portale griechischer Tempel und der Heilige Geist des Katholizismus zeigen sich in dreieckigen Formen. Auch die Perspektive ist gelernt, denn Heldenfiguren sehen wir meist von unten. Heroen stehen oft auf Sockeln oder sind gleich übergroß und tonnenschwer. Michelangelos David ist über fünf Meter hoch, der steinerne Lincoln in Washington hat gar seinen eigenen Tempel. Die Bildgestaltung des AP-Fotografen vereint gleich zwei heroisierende Perspektiven: eine dreieckige Silhouette mit einer Blickrichtung von unten auf den Protagonisten. In diesem visuellen Setting kommt Trumps Kämpferfaust mit blutverschmiertem Gesicht überdimensional zur Wirkung, überhöht die Figur durch die perspektivische Überzeichnung. Die Ästhetisierung macht Trumps Geste unwiderstehlich, schürt Gefühle von Bewunderung bis Verängstigung. Gleichzeitig ist das Bild zweifellos authentisch, nicht toxisch inszeniert, sondern Abbild eines wahrhaften Moments. „Trumps politische Instinkte und sein Gespür für Bilder sind Superkräfte“, schreibt Andrian Kreye in der „Süddeutschen Zeitung“. Dem gegenüber sind die Videoaufnahmen des gleichen Moments eher unspektakulär, chaotisch. Trumps Faust wirkt darauf eher wie die aggressive Reaktion eines gealterten Wüstlings – nichts Heroisches, nur blanke Wut.
Evan Vuccis Bild macht den Unterschied: Das Attentat, Trumps Reaktion und das Können des Fotografen verbunden mit der Vertriebspower der AP haben die Figur Donald Trump einzigartig aufgeladen. Der republikanische Parteitag konnte schließlich nicht mehr anders, als sich kollektiv vor ihrem Heros in den Staub zu werfen: Bigger than life erschien Donald Trump mit einem kleinen Verband am Ohr – ansonsten offensichtlich unverletzt aus einem mythischen Kampf auf Leben und Tod zurückkehrend. Die quasireligiöse Verzückung der Delegierten und die kalkulierte Unterwerfung seiner ehemaligen Konkurrenten sollen Trump unbesiegbar erscheinen lassen.
Trumps knallharte Agenda bleibt
Die tagelange Heroisierung auf der republikanischen Convention in Milwaukee schiebt sich wie ein medialer Schleier vor die politische Agenda, für die Trump gewählt werden will: Kaum Regulierungen für die Ölindustrie beim Fracking und freie Hand für die Tech-Giganten bei der Entwicklung von AI. Der Konkurrent China soll zurückgedrängt werden, wenn nötig militärisch. Die Nato-Partner werden erpresst, ihre zwei-Prozent-Zusagen zu erfüllen, vornehmlich durch den Kauf amerikanischer Waffen. Steuersenkungen und die aggressive Bekämpfung von Minderheitenrechten und Migration stehen ganz oben auf seiner innenpolitischen Agenda.
Es ist ein Programm für die Medien, die Plattformen und die Superreichen Amerikas: Nicht nur Elon Musk erkennt sich darin wieder und will Trump mit 45 Millionen Dollar monatlich unterstützen. Auch Zuckerbergs Meta hatte Tage vor dem Attentat bereits die Beschränkung von Trumps Social Media-Accounts aufgehoben. Nach Bidens katastrophalen TV-Auftritt scheint nun auch „das Valley“ mit dem vermeintlichen Sieger sein zu wollen. Die großen Social-Media-Plattformen von X bis Insta werden den politischen Entscheidungen ihrer Eigentümer höchstwahrscheinlich Folge leisten. Unsichtbar, aber wirkmächtig. Und Murdochs Fox News? Hat nie aufgehört, Trump zu huldigen.
„Er sieht sich jetzt auch größer als das Amt“
Derweil fühlt sich Trump offensichtlich unverwundbar, ja unbesiegbar: Bei der Wahl im November will er jetzt nur noch den Sieg akzeptieren, keine Niederlage an der Wahlurne. Damit erhebt er sich nicht nur über das Votum der amerikanischen Wählerinnen und Wähler. Er sieht sich jetzt auch größer als das Amt.
Und Biden? Er verlässt die Arena. Jetzt ist Trump der „Alte“…
Über den Autor: Jost Listemann berät Führungspersönlichkeiten und Unternehmen in Phasen der Transformation. Darüber hinaus unterrichtet er an der Universität Halle am Institut für Politikwissenschaft und an der Media University Berlin im Fachbereich Journalismus und Unternehmenskommunikation. Seit 2003 ist er geschäftsführender Gesellschaft der TIME:CODE:MEDIA GmbH.
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