Kommentare Kommentar: Reichweite geht vor Integrität - neue Impfkampagne setzt auf „Bild“ als Medienpartner

Bild Logo#ZusammenGegenCorona: Über 150 deutsche Unternehmen und Marken rufen zum Impfen auf. Die gemeinsame Aktion gegen die Impfmüdigkeit kommt spät, hoffentlich nicht zu spät. Die Initiatoren aus der Industrie sowie der Agenturwelt haben alles aufgefahren, was Rang und Namen hat. Obendrein haben sie sich die Unterstützung des designierten Bundeskanzlers Olaf Scholz gesichert, der die Kampagne mit einem eigenen Impfappell an die Bürgerinnen und Bürger unterfüttert. Als Medienpartner haben sich die Protagonisten neben der „B.Z.“ vor allem die reichtweitenstarke „Bild“ auserkoren. Hier liegt meiner Meinung nach aber der Makel dieser prinzipiell zu unterstützenden Initiative. Denn Reichweite wiegt hier offensichtlich stärker als Integrität.

Ausgerechnet der Marke „Bild“ wird durch die Einbeziehung als Medienpartner hier die Gelegenheit gegeben, sich plötzlich als großer Impfunterstützer zu positionieren. Dabei war es gerade die „Bild“, die sich vor allem unter der Führung von Chefredakteur Julian Reichelt und zuletzt auch noch unter seinem Nachfolger Johannes Boie damit hervor getan hat, Anti-Coronamaßnahmen nach allen Regeln der Kunst zu kritisieren und teilweise lächerlich zu machen.

Obendrein wurden alle Politiker, die nun ein Einsehen in die Kraft des Faktischen haben und nach 20 Monaten Pandemie – wohlwissend sich selbst zu widersprechen – zu dem Schluss gekommen sind, dass doch eine Impflicht eingeführt werden soll, böse und überhart als Wortbrüchige gescholten. Eine Abwägung findet in der „Bild“-Berichterstattung nicht statt. Ohne Berücksichtigung der dramatischen Entwicklung und ohne Blick auf die schwierige Situation in den Kliniken und Intensivstationen wurden die betreffenden Politiker an den „Bild“-Pranger gestellt.

Ganz aktuell wurden in „bild.de“ am 4. Dezember und in der „Bild am Sonntag“ am 5. Dezember jetzt bekannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als „Die Lockdown-Macher“ vorgeführt. Viola Priesemann, Michael Meyer-Hermann und Dirk Brockmann wurden auf Fotos abgebildet, die mit der Headline überschrieben war: "Experten-Trio schenkt uns Frust zum Fest". Der künftige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprang dem Trio bei und kritisierte: „Die Wissenschaftlerinnen dürfen nicht den gewaltbereiten Querdenkern als Zielscheiben angeboten werden.“

„Bild“ agiert mindestens doppelzüngig. Auf der einen Seite fordert Chefredakteur Boie Respekt voreinander und ruft zum gegenseitigen Verständnis und dem Üben und Aushalten von angemessener Kritik auf, andererseits fährt das Medienhaus eine regelrechte Kampagne gegen die vermeintlich wortbrüchigen Politiker und nun auch noch gegen die Wissenschaftler. Das ist alles andere als glaubwürdig und passt nicht zusammen mit dem Engagement, jetzt die neue Impfkampagne als Medienpartner zu unterstützen. Die einzige Erklärung, die ich für die Einbeziehung von „Bild“ habe: Reichweite wiegt für die Macher stärker als Integrität. Das kratzt an der Glaubwürdigkeit von #ZusammenGegenCorona.