Kommentare Kerlikowskys Kommentar über... ostdeutschen Nicht-Aufschwung und persönliche Erfahrungen

Foto: KerlikowskyGuten Tag! Es dürften inzwischen ungefähr fast soviel Gelder in die frühere DDR geflossen sein wie die Bundesrepublik Schulden hat: 1,5 Billionen Euro. Aber eine wirtschaftliche Dynamik, ein sich selbst tragender Aufschwung, sie sind nicht sichtbar. Die neuen Bundesländer fallen in der Entwicklung gegenüber Westdeutschland wieder zurück.

Ich maße mir ein Urteilsvermögen an, weil ich, geborener Berliner, noch teilweise in der DDR zur Schule gegangen bin. Nach der Enteignung meines Vaters in der Niederlausitz bin ich mit der Familie wieder nach West-Berlin gekommen. 1984 fuhr ich das erste Mal von München aus
zur Leipziger Messe, und seitdem zu jeder weiteren. Ich nutzte die Möglichkeit, die jeder mit einem westdeutschen Pass hatte, mir meine alte, zweite Heimat anzusehen. In der Vorwendezeit habe ich die ersten Vorträge von Ostdeutschen über Technologie-Transfer Ost- West und die erste Reise von westdeutschen Unternehmern in die DDR organisiert.

So kannte ich die Strukturen und die Menschen in Betrieben, in staatlichen Organisationen und in Ministerien. Eins war immer sichtbar: das über Generationen entstandene Bürgertum, damit der Mittelstand, waren praktisch ausradiert. Kinder von Akademikern konnten in der Regel nicht studieren. Sie flüchteten vielfach in den Westen. Das Sagen hatten in Betrieben die Parteigenossen, nicht die Unternehmensleiter. Und alte Genossen beherrschen noch heute teilweise die Verwaltungen, staatliche Betriebe und Unternehmen.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Ostdeutschlands können nicht an mangelnden Subventionen liegen. Dazu ist zuviel Geld geflossen. Es fehlt das ostdeutsche Unternehmertum, eben das gewachsene Bürgertum. Das gibt es nur vereinzelt. Marktwirtschaft als Erfolgsrezept kann nur
funktionieren, wenn die Menschen auch eine entsprechende Haltung dazu haben. So trifft man, wenn man durch Ostdeutschland reist, selten erfolgreiche ostdeutsche Unternehmer; doch viele Ostdeutsche, die alten Zeiten nachtrauern, in denen sich Anstrengung meist nicht lohnte. Keine Bundesregierung hat begriffen, daß Subventionen und großzügige Programme für Arbeitslose eher kontraproduktiv sind. So findet man in Ostdeutschland meist nur Kleinbetriebe, die Ostdeutschen gehören, und Großbetriebe, die von westlichen Firmen, natürlich mit viel Steuergeldern, aufgebaut wurden. Ihre Manager geben zu: sie hätten sich auch ohne Subventionen dort angesiedelt. Daß Politiker aufhören, Steuergelder sinnlos als Geschenke zu verteilen und Unternehmer nicht von alten Genossen gebremst werden, das wünscht uns allen Ihr

Dr. Horst Kerlikowsky
Berlin, den 19. Mai 2006

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P.S. Sie finden in dieser Ausgabe unter anderem folgende Themen:

Erdöl: Der Chef von Exxon Mobil hält die hohen Preise für Erdöl für spekulativ bedingt. Eine Knappheit sieht er nicht und erwartet wieder niedrige Preise

Autoindustrie: Die Hersteller produzieren immer mehr in Mittel- und Osteuropa oder kaufen dort vermehrt Teile ein. Doch Deutschland scheint für Design- und Forschungszentren der Branche ein besonders attraktiver Standort zu sein

 

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