Leserkommentare Die Pressemitteilung im KI-Zeitalter – Auslaufmodell oder Neustart?
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- von Sven Winnefeld, Frankfurt a.M.
Ist die Pressemitteilung tot? In den vergangenen Tagen wurde diese Frage auf LinkedIn heftig diskutiert. Kommunikationsberater Stephan Dörner beobachtete, dass Unternehmen viel Aufwand ins Schreiben, aber zu wenig in die gezielte Verbreitung stecken. „Handelsblatt“-Redakteurin Larissa Holzki hielt dagegen: Für sie sei die Pressemitteilung weitgehend irrelevant – bestenfalls nütze sie noch, um die Schreibweise von Namen zu prüfen.
Die Kritik trifft einen wunden Punkt. Denn während sich die Medienlandschaft rasant verändert hat, sieht die Pressemitteilung noch immer so aus wie zu Fax-Zeiten. Doch anstatt das Format abzuschreiben, lohnt ein anderer Blick: Die eigentliche Zielgruppe sind längst nicht mehr nur Journalist:innen, sondern auch KI-Systeme.
Verstopfte Posteingänge, neue Gatekeeper
Journalist:innen wünschen sich in aller Regel eine individuelle und passgenaue Ansprache. Kaum jemand hat die Zeit, sich durch die dreistellige Zahl an Pressemitteilungen zu arbeiten, die täglich in einem durchschnittlichen Posteingang aufläuft. Generative KI hat diesen Trend noch verstärkt: Pressemitteilungen und Pitchmails lassen sich inzwischen per Knopfdruck erzeugen – wenn auch nicht in besonders guter Qualität. Doch die Flut an KI-erzeugten Inhalten macht die Filter noch enger, die Aufmerksamkeitsspanne noch kürzer. Auch mit relevanten News und guten Geschichten wird es dadurch schwerer, zu Journalist:innen durchzudringen.
Für die PR bedeutet das: Gute Medienbeziehungen und gezielte Kommunikation sind wichtiger denn je. Journalist:innen müssen sich darauf verlassen können, dass sie nicht mit wahllosen Anfragen überflutet werden, sondern nur dann etwas bekommen, wenn es wirklich relevant ist. Zudem muss aus der Anfrage unmittelbar hervorgehen, worum es geht und warum es die jeweiligen Empfänger:innen interessieren sollte. (Die übliche Pressemitteilungs-Prosa mit ungeschickt eingewebten Marketing-Botschaften und generischen Sprecher:innenzitaten ist dabei eher hinderlich.) Das Format spielt in diesem Kontext daher zunehmend eine eingeschränkte Rolle – die Pressemitteilung wird oft nur noch als Hintergrundmaterial mitgeschickt und dient vor allem unternehmensintern dazu, Botschaften und Formulierungen zu fixieren.
Gleichzeitig verändern KI-Tools wie ChatGPT die Customer Journey: Immer mehr Menschen informieren sich nicht über Artikel, sondern über Antworten von Maschinen. Gatekeeper ist damit nicht mehr nur die Redaktion, sondern der Algorithmus.
Zwei Versionen – für Menschen und Maschinen
Wie also kann man die Sichtbarkeit von Marken und Produkten in den KI-Antworten erhöhen? Und wie lässt sich sicherstellen, dass die geteilten Informationen möglichst akkurat und aktuell sind?
Die Pressemitteilung muss dort platziert werden, wo KI-Crawler sie schnell finden und statt des verschachtelten Fließtexts braucht es klare, strukturierte Informationen mit prägnanten Überschriften und Aufzählungen – formuliert wie natürliche Fragen, die Menschen an ChatGPT stellen würden. Zusätzlich sollten Vertrauenssignale wie Zertifizierungen, Partnerschaften und konkrete Erfolgszahlen prominent eingebaut werden. Und schließlich erhöht eine strukturierte Aufbereitung mit JSON-LD-Schema-Markup die Chance, dass KI-Systeme die Inhalte korrekt erfassen und in ihren Antworten berücksichtigen.
Die Entwicklung steht aber noch am Anfang, und wir alle tasten uns erst langsam an die Best Practices heran. Wer behauptet, bereits alle Antworten zu kennen, lügt. Klar ist: Die maschinenlesbare Pressemitteilung ist tendenziell länger und tendenziell sperriger als das alte Format. Für Journalist:innen und andere menschliche Leser:innen eignet sie sich deshalb nicht. Wir empfehlen unseren Kund:innen deshalb aktuell, zwei Versionen einer Pressemitteilung anzufertigen – eine für Menschen und eine für Maschinen.
Ob das Format auf Dauer noch den Namen Pressemitteilung tragen wird, ist aus meiner Sicht unklar. Dass es im KI-Zeitalter relevant bleiben kann, wenn wir es entsprechend weiterentwickeln, liegt aber auf der Hand. Es ist höchste Zeit, unsere Pressemitteilungen maschinenlesbar zu machen.
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