Wenn Turnschuhe nichts bringen Der CEO Code BuchcoverBeobachtbar ist das schon länger, selbst in vielen Top-Etagen der eher sehr konservativen deutschen Manager-Führungsriege. Ein offener Hemdkragen, der Verzicht auf eine Krawatte – mit einem veränderten optischen Auftritt sollen vielfach informellere Umgangsformen, eine legere Offenheit und offenere Kommunikation demonstrativ sichtbar gemacht werden. Als bahnbrechend empfanden es viele, wie Daimler-Chef Dieter Zetsche in Jeans und in Turnschuhen an das Rednerpult eines Grünen-Parteitags trat.
An dieses Bild denkt man unwillkürlich, wenn man das Hardcover des „F.A.Z.“-Sachbuches "Wenn Turnschuhe nichts bringen – Der CEO-Code für starke Führungskräfte" in die Hand nimmt.

Dort sieht man, wie eine Männerhand die schwarzen Halbschuhe an die Seite stellt und stattdessen Füße in schwarzen Socken in neongelbe Turnschuhe steigen. Nun ist der erste Eindruck, den Autoren gehe es um die kritische Diskussion von Dresscodes in den Führungsetagen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Benjamin Schulz und Brunello Gianella sind lebenserfahrene Coaches, Trainer und Consultants, die vielfach Führungskräfte vor allem in Konzernen und großen Mittelständler begleitet haben. Ihr Kernanliegen ist das Gegenteil von Äußerlichkeiten. Ihnen geht es um Identität und Authentizität.

Die Autoren äußern eine schonungslose Kritik an dem Mainstream in vielen Führungsetagen, über das sie aus eigenem Erleben berichten. Die gleichen dunkelblauen Anzüge, die gleichen Accessoires, die gleichen Machtspielchen, die gleiche Unnahbarkeit, die glatte Rhetorik, die Gefühlskälte, die mangelnde Emotionalität und mangelhafte Empathie – der gleiche Mainstream. Und wenn Manager dann nicht funktionieren, wenn Aufgabe und Manager-Profil irgendwie doch nicht zusammenkommen, dann holt man die externen Berater und Coaches, lässt diese an der Führungs- und Motivationstechnik der Betroffenen feilen.

Die eigentliche Ursache der vielfach beobachtbaren Reibungen wird so verfehlt, meinen die beiden Coaches. Die Fehler würden schon in der Personalauswahl gemacht, weil eben vielfach noch zu eindimensional auf Skills und Kompetenzen geachtet würde. Nicht aber auf die Motivation der Person, und ob deren zentrale Motivationen auch wirklich zum Unternehmen, zur Tradition, zur Situation und zur vorrangigen Management-Aufgabe passen. Menschen sind nur dann wirklich motiviert, so die Kernthese des Buches, wenn ihre Lebensmotive angesprochen werden. Anders formuliert, wenn die Situation und die Aufgabe im Unternehmen zu den stärksten Persönlichkeitsmotiven des Managers passen. Steve Jobs, bei seiner Rückkehr an die Spitzenposition von Apple, das passte. Hartmut Mehdorn und die Deutsche Bahn, das passte nicht. Ebenso wenig wie die Spielernatur Thomas Middelhoffs zum Familienunternehmen Bertelsmann. Das waren „No Fits“. Eindrucksvoll beschrieben in diesem Buch.

Worin liegt die Lösung? Jedenfalls nicht im Wechsel von Halbschuhen auf Turnschuhe. Und auch nicht in den von Marketing-Agenturen entwickelten Leitbildern, die in Unternehmen oft kaum einer kennt und die von den Mitarbeitern vielfach als verlogen empfunden werden, weil die beschriebenen Werte eben weder die Persönlichkeit und das tatsächliche Tun von Inhaber, Vorstand und Geschäftsführer beschreiben – und schon gar nicht die von den Belegschaften erlebten bzw. für wesentlich gehaltenen Werthaltungen.

Die Lösung liegt in der richtigen Potentialanalyse und Motivationsdiagnostik von Beginn an. Ein Weg, um wirklich die zentralen Persönlichkeitsmotive aufzudecken und dann nur solche Unternehmen und Aufgaben auszuwählen, die zu den Kernen von Persönlichkeiten passen. Hierfür orientieren sich die Autoren an der Motivationsdiagnostik des bekannten amerikanischen Psychologieprofessors Steven Reiss, der mit den folgenden Persönlichkeits-Motiven arbeitet: Macht, Unabhängigkeit, Neugier, Anerkennung, Ordnung, Sparen, Ehre, Idealismus, Beziehungen, Familie, Status, Rache, Eros, Schönheit, Essen, Körperliche Aktivität, Ruhe. In einem interessanten Anhang stellen die Autoren tabellarisch dar, welche Persönlichkeitstypologien sich daraus in geringer oder starker Ausprägung ergeben können. Das ist spannend, fruchtbar, konkret, nachvollziehbar, anregend und im Ansatz auch schon für eine gute Personalauswahl anwendbar, ohne dass man ein Psychologiestudium absolviert haben müsste.

In den Buchkapiteln 4 bis 8 berichten die Autoren jedoch von der gegenteiligen Alltagswirklichkeit in deutschen Unternehmen, wenn die Berater eben oft erst zur Reparatur gerufen werden, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Und wenn sie dann eben auf Personen treffen, die offenbar falsch ausgewählt waren, deren Motivationen in Wahrheit gar nicht zum Unternehmen und dessen gegenwärtiger Konstellation passen. Und vielfach sind das dann Berater, die mit Zahlen und an Symptomen und Kompetenzen operieren – aber nicht den Menschen und dessen emotionale Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Analyse stellen.

Fazit

Richtig wäre aber nach Überzeugung der Autoren diese Analyse: Warum tue ich das, was ich tue? Hebung des impliziten Wissens, der zentralen Emotionen und Motivationen – so geht der Weg zu einer stimmigen, emotionalen, authentischen Führungsfigur, die auch zu den jungen Generationen unserer Zeit passt.

Titel: Wenn Turnschuhe nichts bringen. Der CEO-Code für starke Führungskräfte; Autoren: Benjamin Schulz und Brunello Gianella; Verlag: Fazit Kommunikation GmbH, Frankfurt am Main 2019; Preis: 20,00 Euro; Umfang: 200 Seiten, Hardcover; ISBN 978-3-96251-058-9

Kiefer Markus Prof FOM kleinerÜber den Autor der Rezension: Markus Kiefer (60, Foto) ist Professor an der FOM - Hochschule für Oekonomie und Management. Dort lehrt er BWL, mit dem Schwerpunkt der Unternehmens- und Wirtschaftskommunikation. Darüber hinaus arbeitet er in Seminaren, Vortragsveranstaltungen und Workshops für Weiterbildungs-Akademien der Wirtschaft. Er berät Unternehmen in Fragen der Kommunikationsstrategie, der PR, Mitarbeiterkommunikation, Social Media und Krisenkommunikation. Im Recito Verlag, Essen, ist im Sommer 2018 sein Buch „Unternehmenskommunikation - Erfolgreiche Kommunikationskonzepte aus Wissenschaft und Praxis“ erschienen.


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