Rezensionen Handbuch Mitarbeiterkommunikation Umfangreicher Überblick zum Stand der Forschung
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- von Markus Kiefer, Heiligenhaus
Mit der 3. Auflage des Handbuchs Unternehmenskommunikation kam es Ende 2022 zu einer Neukonzeption, die dazu führte, dem Thema Mitarbeiterkommunikation einen eigenen Band zu widmen. Die Professoren Sabine Einwiller, Sonja Sackmann und Ansgar Zerfass haben als Herausgeber dafür gesorgt, dass die insgesamt 54 Autorinnen und Autoren einen reflektierten, souveränen Überblick zum Stand der Forschung in der jüngeren Vergangenheit liefern konnten.
In ihrem Vorwort betonen Einwiller, Sackmann und Zerfass zwar mit Recht ihre interdisziplinär angelegte Auswahl der Beiträge. Tatsächlich sind unter den 54 Autorinnen und Autoren aber nur neun Praktiker, wenn auch überwiegend sehr namhafte (u.a. Arndt, Deekeling, Schick, Buchele). Die große Mehrheit sind Professorinnen und Professoren (31) und akademischer Mittelbau beziehungsweise Nachwuchs aus verschiedenen Hochschultypen. Was darf, was will man bei einer solchen Zusammensetzung erwarten? Sicher kein Kompendium mit überwiegend konkreten Handreichungen für die Praxis. Und das ist der Band auch nicht.
Vielmehr geht es wie angedeutet um einen umfangreichen Überblick zum Stand der Forschung in der jüngeren Vergangenheit. Und genau dies leistet dieses Handbuch. Wenngleich in unterschiedlicher Güte, Tiefe und Dichte innerhalb der insgesamt acht Hauptkapitel: I Grundlagen, II Basiskonzepte, III Theoretische und disziplinäre Zugänge, IV Internes Kommunikationsmanagement, V Instrumente und Plattformen, VI Evaluation und Wertbestimmung, VII Informelle Kommunikation, VIII Anwendungsbereiche.
Klärung der zentralen Begriffe
Wer einen vollen Überblick haben will, dem sei der Lektürestart mit der Einleitung der drei Herausgeber nachdrücklich empfohlen. Sie systematisieren das Feld, klären die zentralen Begriffe, beschreiben die zentralen Ziele, Funktionen und Handlungsfelder. Sie beschreiben die Rollen der internen Kommunikationsmanager als Coaches und Lotsen. Fundamental ist ihnen die Abgrenzung zwischen Mitarbeiterkommunikation und Interner Kommunikation ein Anliegen. Letzteres verstanden als ein geplantes kommunikatives Einwirken verantwortlicher Manager auf die diversen Zielgruppen innerhalb eines Unternehmens.
Für den Praktiker-Leser mögen derlei begrifflich-konzeptionelle Differenzierungen ohnehin keine so große Rolle spielen. Er will wissen, was die zentralen Themen, Trends, Instrumente sind, die er für sein Unternehmen und seine Organisation keinesfalls verpassen darf. Dies wird er weniger in den Kapiteln II bis IV finden. Hier ist eher der Ort für den akademisch orientierten Leser.
Praxiswissen für Personal- und Kommunikationsverantwortliche
In den Kapiteln V, VI und VII kommen dann sicher wissbegierige Personal- und Kommunikationsverantwortliche zum Zuge, die als Leser wissen wollen, auf welche Kommunikationskanäle man (noch) setzen kann und wo sich Neues ergibt. An dieser Stelle kann natürlich nicht auf jeden Beitrag einzeln eingegangen werden, aus Platzgründen wählt der Rezensent aus.
Der Praktiker-Leser wird einerseits Bestätigung für Erwartbares finden (beispielsweise von Pia Sue Helferich und Thomas Pleil über Social Networks oder von Frank Wolf und Thomas Böhringer über Mobile Medien). Aber auch Überraschendes, wenn unter anderem beispielsweis Constanze Jecker über die bleibende, wenn auch transformierte Rolle der Mitarbeiterzeitschrift, wenn Jens Seiffert-Brockmann über spielerische Ansätze (Gamification), Desirée Ladwig und Michael E. Domsch ihre Erkenntnisse über die klassische Mitarbeiterbefragung im modernen Gewand als Führungsinstrument berichten oder wenn Alessandra Mazzei, Silviana Ravazzani und Daniel Wolfgruber den überraschenden Wert von Whistleblowern aufzeigen können (im Kontext einer ethischen Unternehmensführung oder einer vorbeugenden Krisenprävention).
Neuartige und wertvolle Impulse
Als besondere Überraschung an präsentierter Qualität erweist sich das achte und letzte Kapitel über Anwendungsfelder. Vor allem weil dort Namen, die vielleicht aus der etablierten Wissenschaft, Forschung und Lehre noch nicht so vertraut sind, mit neuartigen, anregenden, wertvollen Impulsen für die interne Kommunikationspraxis aufwarten. Das gilt insbesondere für den Artikel von Angelika Heizereder, die als Kommunikationsmanagerin für eine soziale Einrichtung der Evangelischen Kirche arbeitet und hier spannende Einblicke in eine moderne Arbeitgeberkommunikation gibt. Oder aber für den Beitrag Martin J. Eppler über Wissenskommunikation, der vier (optische) Navicons für die Gesprächsführung und Moderation von internen Gesprächen vorschlägt. Oder wenn Mats Heide (Professor für Strategische Kommunikation an der schwedischen Universität Lund) den in der Literatur bislang eher stiefmütterlichen behandelten Beitrag der internen Kommunikation im Kontext von Krisen-PR bearbeitet. Erwähnenswert ebenfalls die Verbindungslinien von Ethik, Unternehmenskultur und Mitarbeiterkommunikation, wie sie vom Kommunikationsethiker Daniel Wolfgruber überzeugend gezogen werden. Das ist alles sehr innovativ, ausreichend konkret und anregend und daher für die Übertragung in die Kommunikationspraxis vorstellbar.
Auffällige Selbst-Referenzialität der Scientific Community
Die zumeist ausführlichen Literatur- und Quellenverzeichnisse in allen Aufsätzen seien hier ausdrücklich gewürdigt. Aber die ganz überwiegende Selbst-Referenzialität der Scientific Community ist in Summe schon auffällig. Wünschenswert wäre hier die häufigere Rezeption von gediegenen Fachtiteln mit ihren oft sehr wertvollen Werkstatt-Berichten zu Best und Worst Cases, zum Beispiel im „PR-Report“, „PR-Journal“ oder „KOM“. Auch dies wären ja werthaltige Quellen, gerade auch für studentische Leser.
Guter Wurf
Im Urteil muss man mit Blick auf die unterschiedlichen Leser-Interessen sicher differenzieren. In Kommunikationsagenturen würde man sich vermutlich mehr auf die Kundenbedürfnisse direkt übertragbare Modelle, Prozesse oder Checklisten wünschen als hier ausgebreitet wird. Aber insgesamt ist den Herausgebern ein wirklich bemerkenswert guter Wurf gelungen, der vor allem als sorgfältige Selbstvergewisserung der akademisch orientierten Forschung über die hiermit nachgewiesene Bedeutungszunahme der Mitarbeiterkommunikation beziehungsweise des Internen Kommunikationsmanagements zu verstehen ist, hilfreiche Praxis-Impulse vor allem für strategisch ausgerichtete Kommunikationsmanager eingeschlossen.
Gesamtwerk umfasst vier Bände
Zur Erinnerung sei darauf hingewiesen, dass an dieser Stelle bereits ausführlich die überarbeitete Auflage des Handbuchs Unternehmenskommunikation vorgestellt wurde, herausgegeben von Ansgar Zerfaß, Manfred Piwinger und Ulrike Röttger, Erscheinungsjahr 2022. Dieser 1065-Seiter war allerdings „nur“ der Kern des Standardwerkes, mit seinen früheren ersten Auflagen aus 2007 und 2014. Bei der Neukonzeption entschieden sich Verlag und Herausgeber, das Werk in einer nunmehr vierbändigen Reihe zur Unternehmenskommunikation aufzusplitten und neu zu konzipieren. Der Mitarbeiterkommunikation wurden nun ein eigener Band gewidmet.
Die drei Herausgeber-Persönlichkeiten sind klangvolle Namen der Wissenschaftsszene. Sabine Einwiller, PR-Professorin an der Universität Wien, und Sonja Sackmann, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität der Bundeswehr in München, sind angesichts ihres bisherigen wissenschaftlichen Records zweifellos einschlägig bekannt im Themenfeld dieses Handbuches. Und Professor Ansgar Zerfaß, weltweit einer der meistzitierten deutschen Sozialwissenschaftler als dritter Herausgeber, bedarf hier keiner besonderen Vorstellung.
Titel: Handbuch Mitarbeiterkommunikation. Interne Kommunikation in Unternehmen; Herausgeber: Sabine Einwiller / Sonja Sackmann / Ansgar Zerfaß; Verlag: Springer Gabler, Wiesbaden 2021; Umfang: 636 Seiten; Preis: 159,99 Euro; ISBN 978-3-658-23151-4
Über den Autor der Rezension: Professor Dr. Markus Kiefer (66) war von 2010 bis Ende des Sommersemesters 2022 hauptberuflich an der FOM – Hochschule tätig, als Professor für Allgemeine BWL, mit dem Schwerunkt Unternehmens- und Wirtschaftskommunikation. Seit dem Wintersemester 2022 nimmt er an der FOM und im Wechsel an weiteren Hochschulen Lehraufträge mit Schwerpunkt PR und Unternehmenskommunikation wahr.
Mittelstandskommunikation – Fachbuch von Professor Kiefer
In einem neuen, 48-seitigen Fachband setzt sich Kiefer mit den aktuellen Herausforderungen der mittelständischen Unternehmenskommunikation auseinander. In elf Kolumnen beleuchtet er Themen wie Kommunikationsstrategien, Erfolgskontrolle, den Umgang mit KI oder Führungskräftekommunikation unter Berücksichtigung der spezifischen Besonderheiten der mittelständischen Industrie. Der Titel „Mittelstandskommunikation“ ist im Juli 2024 erschienen und steht auf der Website des Rechtsverlags zum Preis von 4,76 Euro zum Download im PDF-Format zur Verfügung.
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