Rezensionen Herbst: Corporate Imagery - Wie Ihr Unternehmen ein Gesicht bekommt

Rezension von Lars Rademacher, Hannover

Dieter Herbst ist wohl einer der wenigen professionellen Autoren der PR-Szene. In den letzten Jahren hat er sich – zum Teil noch parallel zu seiner langjährigen Tätigkeit bei der Schering AG – einen kleinen Kosmos der PR-Literatur "zusammengeschrieben“ und ist dabei seinem Verlag Cornelsen treu geblieben. Und von außen betrachtet scheint es sich dabei um eine echte Win-Win-Situation zu handeln: Herbst zählt auf einen stabilen Verlagskontakt und hat ein ansonsten bekanntes Problem wie das der Druckkostenzuschüsse bestimmt nicht. Im Gegenteil: Als einer von wenigen Autoren dürfte er aus diesen Bänden tatsächlich Einnahmen generieren. Und das ist schon was. Umgekehrt hat der Verlag Cornelsen mit diesem Autor einen eigenständigen Literaturtypus geschaffen: die Herbst-Bücher, eine programmierte Einführung in alle Themen rund um Kommunikationstechniken, -instrumente und -technologien.

Der Autor selbst stapelt dabei seinen eigenen Anspruch besonders tief: Er will nicht Wissenschaft betreiben, sondern allenfalls angewandet Wissenschaft. Er sieht sich selbst eher als einen Autor populärer Kommunikationsratgeber und nicht als Wissenschaftler. Und genau das macht seinen Erfolg aus. Denn die Bücher von Herbst zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwar für den durchschnittlichen Besucher einer der großen Buchhandelsketten unmittelbar zugänglich sind, aber dennoch stets den aktuellen Stand der Forschung reflektieren. Dort liegt die wesentliche Differenz zu landläufigen Exemplaren der Ratgeberliteratur, die in ihrem Titel genauso viel versprechen wie die Herbst-Bücher, aber in der Regel nicht den Hauch einer Chance haben, diese Versprechen einzulösen.

Die Herbst-Bücher kamen zwar als knapp gehaltene Einführungen daher, wurden mit den Jahren aber zunehmend mutiger – und dicker. Aus anfangs noch überschaubaren 150-Seiten-Büchlein wurden umfassende Werke, zuletzt sein "Praxishandbuch Unternehmenskommunikation“ mit satten 532 Seiten. Und in eben diesem vorerst letzten Band zeigte sich immer deutlicher, dass Herbst über seinen bewusst tief gehängten Anspruch, eine Einführung zu liefern, hinausgeht. Das Ergebnis: Was er schreibt, behält den gleich bleibend gut lesbaren Duktus, treibt die inhaltliche Diskussion (auch im Blick auf die Wissenschaften) eindeutig weiter. Zum Beispiel bietet sein "Praxishandbuch“ eine exzellente Applizierung der Theorien des Wissensmanagements auf die Unternehmenskommunikation, die in der Literatur bisher ohne Beispiel ist.

Diesen Weg beschreitet Herbst in seinem neuen Band konsequent weiter. Denn hatte er zuvor die bekannte Literatur rekapituliert, kommentiert, gestrafft und ergänzt, so geht er nun daran, die rekapitulierenden Teile als Basis zu hinterlegen, den Akzent aber auf Neuerungen zu setzen. Dazu hat er sich für den neuen Band "Corporate Imagery“ erstmals einen Co-Autoren hinzu geholt. Christian Scheier, von dem der Rezensent bislang nichts gelesen hat, wird als Experte für Bildwirkung vorgestellt. Mit seiner Verpflichtung für das Projekt beweist Herbst auch intellektuelle Redlichkeit; denn selbst ein guter Fachautor kann kaum in allen Themen gleichermaßen firm sein.

Der Grundgedanke zum Projekt Corporate Imagery ist nun ebenso schlagend wie verwunderlich: Die PR-Forschung hat sich mit Themen der Bildverwendung und Bilderzeugung sowie mit der theoretischen Abbildung des Bildeinsatzes bislang so gut wie gar nicht aufgehalten. Das kann man als eines der wesentlichen Desiderate der PR-Theorie bezeichnen. Anknüpfungspunkte hätte es mit der Imagery-Forschung im Anschluss an Kroeber-Riel (auf den sich auch Herbst und Scheier beziehen), aber auch mit kunst- und medienwissenschaftlichen Theorien reichlich gegeben. Umso erstaunlicher, dass sich die PR mit diesem (auch nach eigenen Maßstäben) zentralen Thema nie ausreichend beschäftigt hat. Bezogen auf die PR betreten die Autoren also echtes Neuland, was sie aber wiederum nicht so sagen würden. Doch besonders in der Konsequenz ist der vorliegende Band etwas Neues.

Das Ziel des Bandes ist, die möglicherweise verwendeten Bilder zu überprüfen und – wo nötig – umzustellen auf ein wirkungsvollere Bilder, die dem Unternehmen ein klar erkennbares Gesicht verleihen. Die sechzehn Kapitel stellen dabei ein Programm vor, das mit der Entfaltung des Konzepts beginnt. In diesem teilt zeigt das Autorenteam, welche Bilderarten existieren und wie starke Bilder und innere Bilderwelten, die eine emotionale Verknüpfung beinhalten, zusammenhängen. Natürlich – und auch das ist brandaktuell – kommt auch der Bezug auf den Beitrag starker Bilder und Bildwelten zum Unternehmenswert nicht zu kurz. Die entfaltete Konzeption wird zunächst zurückverwiesen auf den Zusammenhang des Corporate Identity Managements, um denn Prozess dann in seine Einzelteile zu zerlegen.

Dabei beginnen die Autoren mit dem Aspekt des Corporate Designs und dessen Bezug zum Thema Bilderwelt. Hier wird es natürlich auch methodisch bei der Frage des Beurteilung und "Messung“ von Bildern (womit die Messung der Bildwirkung gemeint ist). Hier bleibt der Autor eindeutig zu summarisch in seinem Verfahren. Er geht nicht ein auf die nach wie vor bestehenden Probleme der Wirkungsmessung; er sagt nicht, dass es sich bei den Messverfahren um sicherlich probate Wege der Aufmerksamkeitserhebung handelt, aber wohl kaum um klare Methoden zur Erhebung der Wirkung. Denn der Wirkungsbegriff ist nach wie vor schillernd. Das an dieser Stelle konstatierte Manko macht den Band auch am ehesten angreifbar, auch wenn er durch die vorgebaute Argumentation, es handele sich um Praktikerliteratur, sicher wieder ein wenig geschützt erscheint. Und doch schützt gerade dieses Argument den Band überhaupt nicht. Denn muss nicht gerade der unerfahrene Leser davor bewahrt werden, aufs falsche Pferd zu setzen und Methoden zu vertrauen, deren Aussagewert letztlich begrenzt ist?

Es ist spannend zu sehen, wie Herbst und Scheier von diesem Punkt aus, der etwa die Mitte des Bandes markiert, weiter machen. Das von ihnen vorgelegte Corporate Imagery Management (das sie wohl zur besseren Abgrenzung als CMM abkürzen) teilen sie auf in die Handlungsfelder "Erkennen“, "Entwickeln“, "Vermitteln“ und "Steuern und Kontrollieren“. Von jetzt an wird ein konkreter Prozess beschrieben, der auch etwas mit Fragen der Organisationsaufstellung zu tun hat. Er geht aus von der Frage, wer das Thema CMM anstoßen sollte und wie die notwendigen Entscheidungen für das Aufsetzen eines Prozesses vorbereitet werden. Manches in diesen Schilderungen erinnert stark an die Strukturierungsvorschläge von Bruhn zur Integrierten Kommunikation. Und das war letztlich zu erwarten, weil auch Bruhn im Wesentlichen die Prozessschritte der neueren Managementforschung auf das Marketing übertragen hat.

Im Kapitel "Entwickeln“ werden Anleihen genommen bei Leitbildprozessen, die sich ja beileibe nicht in jedem der bekannteren Konzeptionshandbücher der PR wieder finden. Damit macht das Autorenduo also zugleich einen Vorschlag dafür, welches der systematische Ort für die noch etwas losgelöst im Theorieraum schwebenden Ansätze der Leitbildkonzeption sein könnte. Das Kapitel "Vermitteln“ widmet sich dann der Umsetzung, vor allem der Einführungskampagne, das Kapitel "Steuern und Kontrollieren“ stellt – ziemlich lapidar und unverbunden – auf zwei Seiten die gängigen Maßnahmen des Kommunikationscontrolling vor.

Das knapp gehaltene neunte Kapitel zur "Abstimmung von Bilderwelten“ zählt zu den spannendsten, geht es hier doch um die Frage, wie Bilderwelten – besonders in großen Unternehmensgruppen und Konzernen – miteinander  verschränkt und/oder gegeneinander abgegrenzt werden können.

In den Kapiteln 10 bis 16 kommt der eigentliche Praxisteil – also das, was bei Büchern von Manfred Bruhn fehlen würde! Und da bin ich bei der eigentlichen Stärke des Buches: Es präsentiert nicht einfach schematisch und deskriptiv einen Rahmen, sondern konkretisiert im Einzelnen. Hier verbindet das Autorenteam alles, was nützlich ist. Von der Schematheorie über die Lebensstilforschung (hier am Beispiel der Sinus-Milieus) bis zur Werbetechnik. Dieser Roundup, der sich um disziplinäre Grenzen keinen Deut schert, ist lesens- und nachahmenswert und gipfelt – konsequent – in einer Darlegung von Kreativitätstechniken. Die anschließenden Umsetzungsempfehlungen in eine Vielzahl von einzelnen Produkten machen dann im Stil einer integrierten Kampagne deutlich, wie die Wahl der Bilderwelten sich über die Instrumente hinweg durchhalten lässt. Das gewählte Praxisbeispiel, der Enrgieversorger Envia, wird geschickterweise nicht die Autoren vorstellen, sondern von Uwe Vock. Etwas enttäuschend ist dabei die einseitige Jubelrede, obwohl es auch zu dieser Kampagne sicher auch Fehltritte oder Inkonsequenzen zu berichten gäbe. Ein abschließender Serviceteil mit Checklisten, Adressen einem Stichwortverzeichnis unterstützt den hohen Gebrauchswert des Bandes.

Fazit: Die Autoren haben ein spannendes, gut lesbares und lehrreiches Buch geschrieben, das fürwahr eine Lücke schließt. Ob der einhellig positivistische Duktus, der bei Ratgeberliteratur sicherlich dominiert, so weit gefasst werden muss, dass ihm möglicherweise einzubringende kritische Anmerkungen radikal untergeordnet werden müssten, muss sehr deutlich bezweifelt werden. Dennoch: Was die Autoren vorgelegt haben, bringt PR-Praxis und PR-Theorie einen großen Schritt weiter. Schon jetzt ein Klassiker. Punkt.

Buchtitel: Herbst - ImageryDieter Herbst: "Corporate Imagery. Wie Ihr Unternehmen ein Gesicht bekommt. Orientierung und Vertrauen durch starke Bilder"; Cornelsen-Verlag, Berlin; 2004; 244 Seiten; Preis: 24,00 Euro; ISBN: 3-589-23633-7.

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