Chancen-Kompass Was bleibt von mir in all dem Wandel? Veränderung durch souveräne Weiterentwicklung

Neue Strukturen, neue Ziele, neue Spielregeln – Umbruch ist Alltag. Gerade Kommunikationsverantwortliche, die selbst führen oder beratend an der Seite von Führungskräften stehen, erleben diese Dynamik besonders intensiv: Wie passe ich mich an – ohne mich selbst zu verlieren? Wie bleibe ich erkennbar ich selbst, auch wenn sich das Umfeld permanent verändert – und wie unterstütze ich gleichzeitig andere darin, ihren eigenen Kurs zu halten?

In Zeiten der Veränderung braucht die eigene Geschichte ein besonnenes Reframing, meint Mirjam Berle. (Foto: privat)

Mirjam Berle, Frankfurt am Main

In all meinen bisherigen Rollen gab es Zeiten, in denen ich nicht nur im Umbruch führen und die damit einher gehende Veränderung kommunizieren musste, sondern auch selbst mittendrin steckte. Meine Rolle veränderte sich, gewohnte Strukturen lösten sich auf. Und immer wieder kam die Frage: „Wie schaffst du es eigentlich, so klar und überzeugend über etwas zu sprechen, das dich selbst so stark betrifft?“ Die Antwort lag in einem bewussten Umgang mit meiner Selbstkommunikation – meinem eigenen Selbstverständnis, das ich aktiv weiterentwickeln und umschreiben musste.

Anpassung ohne Beliebigkeit: Die Kunst des inneren Wandels

Viele Menschen erleben Wandel als Bedrohung ihrer Identität. Verständlich – denn unsere berufliche Rolle, unsere Erfolge, unser Selbstbild sind oft eng mit stabilen Rahmenbedingungen verknüpft. Bricht das Äußere weg, geraten auch unsere inneren Landkarten ins Wanken.

Gerade für Kommunikationsverantwortliche stellt sich dann eine doppelte Herausforderung: Wir müssen nicht nur unsere eigene Erzählung bewusst weiterentwickeln, sondern oft auch Führungskräfte dabei unterstützen, ihr Selbstverständnis in Veränderungsprozessen neu zu definieren.

Wie ein Chamäleon, das seine Farbe verändert und sich dennoch selbst treu bleibt, können auch wir – und die, die wir beraten – unseren Deutungsrahmen anpassen, ohne unsere Essenz zu verraten.

Narrative als inneres Navigationssystem

Unsere Identität speist sich nicht nur aus Fakten – sie lebt von den Geschichten, die wir uns über uns selbst erzählen.

  • Wer bin ich als Führungskraft, in meiner Fachverantwortung, als Persönlichkeit?
  • Wofür stehe ich in welcher Situation?
  • Was bedeuten für mich Erfolg, Verantwortung, Vertrauen?

In Zeiten des Wandels brauchen diese Geschichten eine Überarbeitung – kein radikales Neuschreiben, sondern ein besonnenes Reframing. Vielleicht wird aus „Ich bin die, die Stabilität bringt“ jetzt „Ich bin die, die Stabilität im Wandel ermöglicht.“ Oder aus „Ich habe mein Team erfolgreich geführt“ wird „Ich begleite mein Team durch Veränderung mit Klarheit und Empathie.“

In der Selbständigkeit musste ich mich von einer operativen Managerin zu einer strategischen Beraterin entwickeln. Anfangs fühlte sich das wie ein Identitätsverlust an – bis ich verstand, dass meine Kernwerte wie Wirksamkeit und Ermächtigung in beiden Rollen leben, nur in unterschiedlicher Form.

Gerade auch in der Begleitung von Führungskräften oder Organisationen ist dieses Reframing zentral: Wir helfen anderen, ihre neue Rolle nicht als Bruch, sondern als konsequente Weiterentwicklung ihrer bisherigen Geschichte zu begreifen.

Neue Deutungsrahmen schaffen innere Flexibilität

Diese bewusste Anpassung unseres Narrativs ist kein Schönreden. Sie ist ein Akt innerer Selbstführung – und ein Schlüssel, wenn wir andere in Veränderungsprozessen begleiten wollen.

Indem wir unser inneres Bild von uns selbst flexibel halten, gewinnen wir Handlungsfähigkeit zurück. Anpassung wird nicht zum Verrat an uns selbst – sondern zum Ausdruck von Souveränität. Und genau diese Souveränität ist es, die wir auch in der Kommunikation von Veränderungen glaubhaft vermitteln können.

Selbstreflexion: Dein persönliches Narrativ im Wandel

Um dein eigenes Narrativ bewusst weiterzuentwickeln, können diese Fragen helfen:

  • Welche Kernaspekte meiner beruflichen Identität sind wirklich unverzichtbar?
  • Welche Teile meiner Geschichte lassen sich neu interpretieren oder erweitern?
  • Was würde ich einer Kollegin raten, die mit ähnlichen Veränderungen konfrontiert ist?
  • Welche meiner Stärken oder Werte kommen im Neuen besonders zum Tragen?

Nimm dir regelmäßig Zeit für diese Reflexion – idealerweise mit einer vertrauten Person als Sparringspartner. Oft erkennen wir im Gespräch Muster und Möglichkeiten, die uns allein verborgen bleiben.

Führen heißt, das eigene Narrativ aktiv gestalten

Gerade als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, die oft als Übersetzer, Coaches und Sparringspartner agieren, sind wir gefordert, den Weg vorzuleben: Nicht durch starres Ausharren, sondern durch souveräne Weiterentwicklung. Unsere Teams, unsere Kollegen und Kolleginnen, unsere Führungskräfte beobachten genau: Wie gehen wir selbst mit Veränderung um?

Wenn wir ihnen zeigen, dass es möglich ist, im Wandel Haltung zu bewahren – gerade weil wir unser Selbstverständnis bewusst weiterentwickeln –, geben wir ihnen eine wichtige Orientierung.

Was bleibt von mir? – Die Einladung, neu zu erzählen

Am Ende ist die Frage „Was bleibt von mir?" keine Bedrohung. Sie ist eine Einladung: Was will ich bewahren? Was will ich neu erzählen? Was macht mich aus – jenseits von Rollen, Titeln und Erfolgen?

Die Antworten darauf entscheiden nicht nur, wie wir durch Wandel führen und kommunizieren. Sie entscheiden auch, wer wir danach geworden sind.

Gedanken zum Mitnehmen:

  • Werte sind wichtig – aber unsere Erzählung darüber muss mitwachsen dürfen.
  • Wer sein inneres Narrativ bewusst weiterentwickelt, bleibt handlungsfähig im Wandel – für sich selbst und als Begleitung anderer.
  • Flexibilität bedeutet nicht Beliebigkeit – sondern bewusstes, inneres Neudefinieren.
  • Kommunizieren ohne Selbstverlust heißt: die eigene Geschichte selbst schreiben – und andere darin stärken, es ebenfalls zu tun.

Über die Autorin: Veränderung ist die ständige Begleiterin von Mirjam Berle. In ihrer über 20-jährigen Karriere hat sie unzählige Transformationsprozesse und Krisensituationen hautnah miterlebt – als Führungskraft und Kommunikatorin. Als Wegbereiterin für Wandel berät und begleitet Mirjam heute Führungskräfte dabei, neue Wege zu erkennen und souverän zu beschreiten.

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