Studien Studie: Wie begleitet man den Weg zu Agilität?

Krisenzeiten, wie die aktuelle Corona-Krise, stellen Unternehmen vor umfassende Herausforderungen, die sich auch auf die Kommunikationsabteilungen auswirken. Kommunikationsleiter stehen vielfach vor der Herausforderung, in kürzester Zeit mit neuen Problemsituationen umzugehen und diese adäquat kommunikativ zu begleiten. „Eine Möglichkeit ist, verstärkt auf Agilität zu setzen, um effizienter zusammenzuarbeiten, wie es beispielsweise die Telekom erfolgreich vorgemacht hat“, erklärt Ulrike Röttger, Professorin für Public Relations an der Universität Münster. „Doch diesen Transformationsprozess einzuleiten, Strukturen und Abläufe umzukrempeln und die Mitarbeiter und Führungskräfte dabei nicht zu verlieren – das gelingt nur den wenigsten Unternehmen komplett aus eigener Kraft.“

Professorin Ulrike Röttger

Gemeinsam mit Christian Wiencierz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationswissenschaft in Münster, hat sie daher erforscht, wie externe Berater und Dienstleister die agile Transformation unterstützen können und wie die Zusammenarbeit gelingt – eine Zusammenarbeit, die seit jeher auch von Konflikten geprägt ist. Agilität kann dabei helfen, die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Dienstleistern transparenter und konfliktfreier zu gestalten. „Wir haben gesehen, dass Dienstleister eine unabhängige Perspektive einbringen und vermitteln können – gerade dann, wenn die Unternehmen mitten im Change-Prozess stecken und die Orientierung schwerfällt. Sie können durch Expertise und Erfahrung, aber auch mit speziellen Tools und Methoden diesen herausfordernden Prozess begleiten“, beschreibt Christian Wiencierz den Mehrwert.

Die Rolle der externen Partner wurde bislang in wissenschaftlichen Studien zum Thema Agilität und Transformation nicht berücksichtigt, auch wenn sie in die Mehrzahl der Change-Prozesse eingebunden sind. Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat die Universität Münster von 2017 bis 2019 mehr als 40 Interviews mit Kommunikationsberatungen und Agenturen geführt und zwei Case Studies realisiert – zur B. Braun Melsungen AG mit ihrem Partner TheDive sowie zu dem Berliner Start-up Tandemploy. „Unsere Studienergebnisse geben einen fundierten Überblick über den Beitrag der externen Partner. Wir zeigen, wie Unternehmen geeignete Dienstleister auswählen können und erklären, welche Funktionen diese übernehmen können“, erklärt Röttger.

Communication Insights 7 Erfolgsfak Beratung AGUK CoverDie spannendsten Erkenntnisse wurden in der neuen „Communication Insights - Erfolgsfaktor Beratung“ (siehe nebenstehendes Cover) zusammengefasst. Die Publikation ist speziell für Praktiker aufbereitet und steht hier kostenlos zum Download zur Verfügung.

Die wichtigsten Erkenntnisse kurz zusammengefasst:

  • Unabhängiger Blick von außen. Dienstleister können Kommunikationsabteilungen bei der agilen Transformation einerseits durch Beratung und Begleitung unterstützen und als objektive Partner dabei helfen, blinde Flecken zu erkennen. Andererseits bieten sie verschiedene Dienstleistungen für mehr Agilität an – zum Beispiel Aus- und Weiterbildung in agilen Methoden, Führungskräfte-Coachings, IT-Tools für eine bessere Vernetzung, neue Bürokonzepte und vieles mehr.
  • Eigeninitiative der Kommunikationsabteilung. Entwickeln Führungskräfte und Mitarbeiter, begleitet von externen Beratern, ein individuell zugeschnittenes Agilitätskonzept für ihre Abteilung selbst, so ist dieses Vorgehen zumeist erfolgreicher als ein vorgegebenes Konzept von außen. Die Mitarbeiter können sich besser mit dem neuen Arbeitsstil und den Strukturen identifizieren.
  • Geduld ist gefragt. Agilität ist ein langer, stetiger Lernprozess. Die Transformation hin zu einer agilen Kommunikationsabteilung dauert mindestens ein Jahr, häufig länger. Zentrale Erfolgsfaktoren sind Zeit und Durchhaltevermögen.
  • Vorbild Führungskraft. Den Führungskräften kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie müssen Agilität vorleben und Entscheidungsbefugnisse abgeben. Doch die neue Rolle ist für viele nicht einfach, sodass Beratung und Coaching von Führungskräften wichtig in der Begleitung des Transformationsprozesses sind.
  • Agil zusammenarbeiten. Auch die Zusammenarbeit mit Kommunikations- bzw. Werbeagenturen verändert sich, wenn agiles Arbeiten auf beiden Seiten Einzug hält. Sowohl Unternehmen als auch Agenturen müssen ihre Strukturen und Prozesse abstimmen, um zum Beispiel Kommunikationsmaßnahmen iterativ, das heißt in kleinen Schritten mit vielen Wiederholungen und Abstimmungsschleifen, durchzuführen. Doch eine agile Zusammenarbeit kann dauerhaft für mehr Transparenz, bessere Ergebnisse und eine höhere Zufriedenheit sorgen.

Hintergrund zur aktuellen Studie

Die Studie zur Rolle von Beratern und Dienstleistern für die agile Transformation ist im Rahmen des Forschungsprojekts „Unternehmenskommunikation in agilen Organisationen“ entstanden. Drei Teilprojekte konzentrieren sich auf verschiedene Aspekte von Agilität: Während es in der aktuellen Ausgabe der „Communication Insights“ um den Erfolgsfaktor Beratung geht (Westfälische Wilhelms-Universität Münster), haben sich die vorherigen Ausgaben mit dem agilen Themenmanagement (Issue #6 „It’s all about content“, 2019, Universität Wien) sowie mit der Rolle der Kommunikationsabteilung in agilen Organisationen befasst (Issue #5 „Fast and flexible“, 2018, Universität Leipzig). Das Forschungsprojekt wird von der Akademischen Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunikation gefördert, einer gemeinsamen Initiative von Wirtschaft und Wissenschaft, mit dem Ziel die Unternehmenskommunikation durch Studien und Erfahrungsaustausch weiterzuentwickeln und zu professionalisieren. Sie wurde 2010 gegründet und wird mittlerweile von sechs Universitäten und mehr als 40 deutschen und internationalen Unternehmen unterstützt.

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