Studien EU-Green Claims Directive: Greenwashing verhindern mit KI
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- von Tim Schlüter, Petra Vielhaber und Christopher Morasch, Gelsenkirchen
Tim Schlüter hat in seiner Bachelorarbeit freiwillige Umweltaussagen von Unternehmen aus dem Bereich Outdoor-Kleidung untersucht. Dabei hat er ein KI-gestütztes Verfahren verwendet, um sie auf Konformität zur EU-Richtlinie “Green Claims Directive” zu überprüfen. Für die Kommunikationsabteilungen von Unternehmen könnte dies eine hilfreiche Option werden, ihre eigenen Umweltaussagen zu überprüfen und der EU-Richtlinie zu entsprechen.
Denn mit der neuen Richtlinie wird die Überprüfung von Umweltaussagen zur zentralen Herausforderung für Unternehmen. Ziel der Richtlinie ist es, irreführende Behauptungen auszuschließen und die Nachweisbarkeit von Umweltversprechen zu erbringen. Kommunikatorinnen und Kommunikatoren müssen sicherstellen, dass jede Aussage umfassend belegt, klar nachvollziehbar und konform mit den neuen Anforderungen ist. Sie müssen komplexe Anforderungen erfüllen und ihre Nachhaltigkeitskommunikation grundlegend überprüfen.
Prüfsystem in KI eingespeist
Kern der Arbeit ist ein Prüfsystem, das auf der EU-Green Claims Directive basiert und von Simon Hagedorn und Christopher Morasch 2023 entwickelt wurde. Das System wurde in Chat GPT 4.0 eingespeist, um Umweltaussagen aus der Outdoor-Industrie zu bewerten. Dabei kamen gezielte Techniken des Prompt Engineerings zum Einsatz, um die Anforderungen der Richtlinie in die Logik der KI zu integrieren. Die KI konnte so prüfen, ob die Aussagen den Richtlinienkriterien entsprachen, etwa in Bezug auf Nachvollziehbarkeit, Belegbarkeit und Transparenz.
Prüfsystem zur Vermeidung von Greenwashing nach der EU Green Claims Directive. (Abbildung © Hagedorn / Morasch)
Was ist Prompt Engineering?
Prompt Engineering bezeichnet die Methode, durch gezielte Eingabebefehle (Prompts) eine KI auf spezifische Aufgaben vorzubereiten. In Schlüters Arbeit wurde die KI so trainiert, dass sie die Kriterien der EU-Richtlinie versteht und für die Analyse anwenden kann. Diese innovative Technik ermöglicht es, auch komplexe regulatorische Anforderungen in maschinelle Prüfprozesse zu übersetzen. (Disclaimer: Die Autoren übernehmen keine Garantien zu Richtlinienkonformität überprüfter Umweltaussagen mit diesem Verfahren.)
KI-gestütztes Verfahren zur Überprüfung der Konformität der EU Green Claims Directive. (Abbildung © Schlüter)
52 Umweltaussagen überprüft: Wie “grün” sind Outdoor-Unternehmen wirklich?
Die Outdoor-Branche hat in den letzten Jahren zunehmend versucht, sich als Vorreiter im Bereich Nachhaltigkeit zu positionieren. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, setzen sie auf umweltfreundliche Materialien, ethische Produktionsmethoden und die Förderung von sozialen und ökologischen Initiativen. Doch trotz dieses Engagements bleibt die Frage, wie viel Nachhaltigkeit tatsächlich hinter den Marketingversprechen steckt.
Die Untersuchung zeigt, dass Unternehmen der Outdoor-Industrie zwar Anstrengungen im Bereich Nachhaltigkeit kommunizieren, jedoch Gefahr laufen, mit ihrer derzeitigen Kommunikation gegen die Richtlinie zu verstoßen.
Ergebnis: 77 % der Aussagen nicht EU-konform
Sie ergab, dass 77 Prozent der untersuchten freiwilligen Umweltaussagen den Anforderungen der EU-Green Claims Directive nicht standhalten konnten. Viele Aussagen waren unzureichend belegt, basierten auf schwachen oder intransparenten Nachweisen oder wurden ohne klare Berechnungsgrundlagen kommuniziert. Besonders die Outdoor-Industrie, die sich oft als nachhaltig präsentiert, hat einen Ruf zu verlieren, denn ihre Zielgruppen haben besondere Erwartungen in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Produkte und Naturverbundenheit der Unternehmen.
Wie Unternehmen KI nutzen können, um sich vorzubereiten
Die Green Claims Directive, aber auch viele andere Anforderungen der EU, stellen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren vor große Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation. Der effiziente Einsatz künstlicher Intelligenz kann hier ein entscheidender Faktor werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Effizienz, Transparenz und die Möglichkeit, komplexe regulatorische Anforderungen systematisch umzusetzen. Für Unternehmen, die sich mit der Green Claims Directive konfrontiert sehen, könnte dies ein entscheidender Schritt sein, um das Risiko des Greenwashings weitestgehend auszuschließen und richtlinienkonform zu kommunizieren.
Fazit: KI als effektives Werkzeug gegen Greenwashing
Die vorgestellte Arbeit zeigt das Potenzial von KI-gestützten Systemen, die Nachhaltigkeitskommunikation zu verbessern. Unternehmen könnten derartige Technologien nutzen, um ihre freiwilligen Umweltaussagen frühzeitig zu überprüfen und an die gesetzlichen Anforderungen anzupassen. Insbesondere in der Outdoor-Industrie, die stark mit Nachhaltigkeitsversprechen wirbt, konnte so ein großer Handlungsbedarf festgestellt werden.
Über die Studie: Ausgewertet wurden 52 Umweltaussagen von vier Großunternehmen aus der Outdoor-Industrie. Die Überprüfung mit der KI wurde in dieser Arbeit parallel zur manuellen Überprüfung von Schlüter vorgenommen, um die Ergebnisse zu validieren.
Über die Autoren:
Tim Schlüter absolvierte zunächst eine Ausbildung als Kaufmann für IT-System-Management und studierte im Anschluss Journalismus und PR im Bachelorstudiengang an der Westfälischen Hochschule. Aktuell arbeitet er im Bereich Content-Marketing bei der Shopware AG.
Christopher Morasch ist Professor für PR und Studiengangs beauftragter des Masterstudiengangs Kommunikationsmanagement am Institut für Journalismus und PR der Westfälischen Hochschule. Er ist Gründer und Geschäftsführer von digitell.me, ein auf Onlineumfragen ausgerichtetes Software-Unternehmen.
Petra Vielhaber ist im Hauptberuf Kommunikatoren einer impactorientierten Bankengruppe und Gastdozentin am Institut für Journalismus und PR, der Westfälischen Hochschule.
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