Branche WMP AG verklagt Ex-CEO Inacker – unappetitliche Einzelheiten eines Skandals

Inacker Michael Vorst WMP EuroComWas für eine unappetitliche Geschichte: Die Lobbyagentur WMP klagt gegen ihren Ex-Chef Michael J. Inacker (Foto) und stellt Strafanzeige wegen schwerer Untreue. Sie wirft ihm vor, den Ruf von WMP in zwei Fällen massiv geschädigt zu haben, so dass Kunden ihre Aufträge zurückgezogen hätten und ein erheblicher Vermögensschaden entstanden sei. Der Aufsichtsratschef von WMP, Bernhard Link, früher Vorstand der Münchner Bank, spricht vom „Kriminalfall Inacker“. In dem einen Fall geht es um ein Positionspapier für das saudische Königshaus, in dem behauptet wird, WMP könne die Berichterstattung von Journalisten in Deutschland beeinflussen. In dem anderen Fall geht es gar um Beihilfe zur Verschleierung von Terrorfinanzierung der Hisbollah, die international als Terrororganisation eingestuft wird. Inacker ließ die Vorwürfe von seinem Anwalt als „haltlos“ zurückweisen. Am 6. Februar berichteten zuerst die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (paid) und „Business Insider“ online über den Skandal.

Porwollik Ulrich CEO WMP Eurocom AGEigentlich sollte im Januar 2021 der große Neuanfang erfolgen. Mit der Verpflichtung von Ulrich Porwollik (Foto) als neuem CEO von WMP sollte Ruhe einkehren und die Streitigkeiten im Gesellschafterkreis aus dem Vorjahr in den Hintergrund gedrängt werden. Im August 2020 war es zu den Rücktritten von vier prominenten Aufsichtsräten gekommen: Hans Eichel (ehem. SPD-Bundesfinanzminister), Wendelin Wiedeking (ehem. Porsche-Chef), Eckhard Cordes (ehem. Metro-Chef) und Michael Fuchs (ehem. CDU-Bundesvorstandsmitglied) (wir berichteten). Damals ging CEO Michael Inacker ging von Bord. Lediglich WMP-Mehrheitsaktionär Hans-Hermann Tiedje, früherer „Bild“-Chefredakteur, blieb bei WMP.

Ende Januar platzte dann die Bombe. Denn Teile dessen, was der Ex-CEO seinem Nachfolger Porwollik „hinterlassen“ hat, waren offensichtlich so gravierend, dass WMP am 29. Januar 2021 eine 22 Seiten umfassende Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingereicht hat. Laut „Business Insider“ werden darin „die beiden filmreifen Fälle minuziös aufgedröselt, samt Tonaufnahmen, Belegen, Verträgen und Zeitungsartikeln“.

Der Fall Saudi-Arabien

Im Jahr 2018 wurde kurz nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi bekannt, dass WMP beauftragt war, für Saudi-Arabien Lobby- und PR-Arbeit in Deutschland zu machen. In einem Konzeptpapier wurde dem Auftraggeber Saudi-Arabien in Aussicht gestellt, dass WMP Zugang zum Bundespräsidenten, dem Kanzleramt, den außenpolitischen und wirtschaftlichen Beratern der Bundeskanzlerin, und zu den 16 Erziehungsministern der Bundesländer herstellen könne. Darüber hinaus könnten auch ein Kontakt zum Präsidenten des Deutschen Fußball Bundes geknüpft werden. WMP-Rechtsanwalt Gerhard Strate aus Hamburg, der die Klageschrift für seinen Mandanten verfasst hat, wird in der „FAZ“ so zitiert: „Dieses Papier ist schlicht nicht mit seriösen Grundsätzen einer auf Kommunikation und Meinungsbildung ausgerichteten Agentur zu vereinbaren.“

Nach Angaben von WMP habe der Aufsichtsrat nicht gewusst, dass das Papier unter „unmittelbarer Kontrolle“ Inackers erstellt worden sei. Deutlich sei das erst nach dessen Abgang geworden. „Das ergab sich aus einer E-Mail-Korrespondenz.“

Der Anwalt beschreibt es so: Inacker habe kurz nach Veröffentlichung der ersten kritischen Artikel über das Vorgehen WMPs versucht, das Papier zu löschen bzw. löschen zu lassen. Ende 2018 hatte die „Bild am Sonntag“ unter dem Titel „Blut-Scheich versucht deutsche Meinung zu kaufen“ über das Strategiepapier berichtet. Daraufhin soll Inacker dann E-Mails an eine leitende Mitarbeiterin des saudischen Informationsministeriums geschickt haben. Er wollte, dass das kritische Papier, die dazugehörigen Mails und alle ausgedruckten Exemplare gelöscht werden sollten. Anwalt Strate in der „FAZ“: „Durch diese E-Mails wurde klar, dass Inacker selbst für dieses Papier unmittelbar verantwortlich war. Das war für WMP ein Super-GAU.“

Inacker weist die Vorwürfe zurück

Inacker lässt die Vorwürfe nicht auf sich sitzen und verweist darauf, dass er mit seiner neu gegründeten Agentur Com-Transform-Media, nun ein Wettbewerber von WMP sei und in Folge dessen verunglimpft werde. Sein Anwalt wird in der „FAZ“ so zitiert: „Das jetzige Vorgehen der WMP, mittels offenkundig haltloser Vorwürfe eine Strafanzeige zu erstatten und zeitgleich dieselben Vorwürfe in der Presse zu streuen, folgt einem bekannten Muster: Es stellt den kaum verhüllten Versuch dar, die Staatsanwaltschaft und einzelne Medien zu eigenen Wettbewerbszwecken zu instrumentalisieren.“ WMP wolle einem neuen Wettbewerber einen „möglichst großen Rufschaden“ zufügen. „Die vom Aufsichtsrat der WMP in den Raum gestellten Anschuldigungen“, schreibt Inackers Anwalt, „entbehren sämtlich einer sachlichen Grundlage.“ Inacker werde diese gegenüber den zuständigen Stellen ausräumen.

Der Fall des Geheimdienstmitarbeiters Jason G.

Das bezieht sich auch auf den zweiten Fall, um den es in der Strafanzeige von WMP geht. Die „Zeit“-Journalisten Holger Stark und Yassin Musharbash hatten ihn im Juli des vergangenen Jahres enthüllt. Nach den Schilderungen bei „Business Insider“ habe sich Inacker demnach kurz nach Bekanntwerden des Saudi-Strategiepapiers mit einem Mitarbeiter eines westlichen Geheimdienstes mit dem Decknamen „Jason G.“ und einem dem Botschafter des Emirats Katar zur EU in Brüssel zum Mittagessen getroffen. Jason G. ist auf unappetitliche Informationen gestoßen: ein Waffendeal mit Kriegsmaterial aus Osteuropa, der mutmaßlich über eine Firma in Katar abgewickelt werden sollte. Und Geldflüsse mehrerer reicher Katarer und Exillibanesen aus Doha an die Hisbollah. Diese Organisation ist im Libanon Teil der Regierung, wird international als Terrororganisation eingestuft und ist in Deutschland seit April verboten.

Weiter berichtet Business-Insider, Jason G. habe sich diese Informationen offenbar vergolden lassen wollen und sei demnach bereit gewesen, ein sogenanntes Non-disclosure-agreement mit Katar zu unterzeichnen: für 750.000 Dollar. Inacker habe angeblich den Kontakt zum Botschafter hergestellt, den Deal eingefädelt. Er sollte 300.000 Dollar erhalten. Das belegen womöglich Audioaufnahmen von einem Abendessen, an dem Jason G. und Inacker teilgenommen haben. Die Aufnahmen liegen der Strafanzeige bei.

WMP-Rechtsanwalt Strate sagte gegenüber der „FAZ“: „Das sind Verfahrensweisen, die den Ruf von WMP massiv schädigen können.“ Aufsichtsratschef Link ergänzt: „Die Jason-G.-Geschichte war niemandem bekannt.“ Seit August 2019 habe es weitreichende Verträge zwischen Inacker als Vorstandschef und dem angeblichen ehemaligen Agenten gegeben. „Diese Verträge blieben der WMP verborgen. Die WMP AG hatte keinerlei Kenntnisse, bis der Fall im Juli 2020 durch den Bericht bekannt wurde.“ Der WMP-Anwalt berichtet von einem Tonbandmitschnitt und von einer Einigung auf eine Zahlung von 300 000 Euro, die Inacker für fair befunden habe. „Auf den Konten der WMP AG sind nie Gelder aus diesen Verträgen von Herrn Inacker eingegangen. In den Büchern der WMP ist Jason G. nie aufgetaucht“, sagt Link.

Der gesamte Sachverhalt wird von der Inacker-Seite bestritten, inklusive der Tatsache, dass Inacker nie ein solches Dossier besessen habe. Merkwürdig mutet es dann aber an, dass sein Anwalt in der „FAZ“ so zitiert wird: „Ganz im Gegenteil: Wie Ihnen der BND bestätigen wird, hat Hr. Dr. Inacker alle Informationen von ,Jason G.‘ umgehend an den BND weitergeleitet und auch ,Jason G.‘ direkt an diesen verwiesen.“

Schadensbegrenzung für WMP

Für WMP, die mit dem festen Vorsatz ins Jahr 2021 gestartet sind, einen Neuanfang zu machen, geht es jetzt erst einmal um Schadensbegrenzung. Auch das ist wohl schwieriger als gedacht, denn WMP-Aufsichtsrat Link und sein CEO Porwollik sind sich sicher, dass Inacker seinen Ausstieg geplant hat und in verschiedene Kundenverträge nachträglich Klauseln eingebaut hat, die Kündigungszeiten verkürzen. Das sei ohne Wissen des Aufsichtsrats geschehen. Link in der „FAZ“: „Im Falle des Ausscheidens von Herrn Inacker gab es von Herrn Inacker persönlich unterzeichnete Vertragszusätze, die den Kunden ein vorzeitiges Kündigungsrecht einräumten. Sie konnten so laufende und rechtmäßige Verträge mit WMP innerhalb eines Monats kündigen. Das verletzt Treu und Glauben.“ Damit sei die Jahresplanung hinfällig gewesen, von Einbußen von mehreren hunderttausend Euro ist die Rede. „Der Umsatzschaden durch diese Nebenverträge ist für die WMP AG immens – ganz abgesehen vom Imageschaden.“ Link hat daher auch darauf hingewiesen, dass neben der Strafanzeige gegen Inacker auch eine Schadenersatzklage in Höhe von einigen hunderttausend Euro in Vorbereitung sei.

Weitere Altlast: Wirecard

Doch auch wenn diese massiven Probleme gelöst werden sollten, droht schon weiteres Ungemach für WMP. Bei dieser zusätzlichen Altlast geht es um Pressearbeit, die WMP für Wirecard geleistet hat. Doch auch hier hat man sich offensichtlich nicht an branchenübliche Usancen gehalten und unterschiedliche Listen von Journalisten geführt. Dies geschah, um vor allem die kritischen Journalisten stärker zu beeinflussen. Ein Vorgang, für den Saatgut-Hersteller Monsanto 2019 schwer kritisiert wurde. Porwollik sagte dazu gegenüber der „FAZ“: „Ich kann Ihnen versichern: Mit mir wird es keine schwarzen Listen von Journalisten – wie in der Inacker-Ära – mehr geben.“

Tiefschlag für die gesamte PR- und Kommunikationsbranche

In dieser Gemengelage scheint es aus heutiger Perspektive unwahrscheinlich, dass die WMP AG diese Vertrauenskrise allzu schnell hinter sich lassen kann. Der Rechtsstreit mit Inacker wird dauern, die Kunden beider Agenturen sind verunsichert und Vertrauen zurückzugewinnen, dauert erfahrungsgemäß lange. Für die PR- und Kommunikationsbranche insgesamt ist es ein Tiefschlag. Auch wenn Verallgemeinerungen hier fehl am Platz sind, wird dieser Skandal nachwirken, denn die Glaubwürdigkeit einer ganzen Branche wird hier in Mitleidenschaft gezogen.