Branche Internationaler Frauentag: Von wegen Gleichberechtigung

„Warum eigentlich immer nur Einstein? Und nicht Marie Curie?“ Angela Bittner-Fesseler stellt diese Frage nicht ohne Grund. Sie ist Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der SRH Fernhochschule in Riedlingen und forscht zur medialen, öffentlichen Darstellung weiblicher Role Models – Frauen also, deren Leistungen in der Wissenschaft und in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen eine Vorbildfunktion für junge Frauen und Mädchen haben könnten – wenn, ja, wenn sie doch nur präsenter wären.

Weibliche Vorbilder in der Wissenschaft fehlen – verwiesen wird häufig nur auf die männlichen „Klassiker“. (©This is Engineering RAEng / Unsplash)

Nicht immer nur Einstein, bitte!

„Einstein ist ein griffiges, historisches Beispiel“, so Bittner-Fesseler. „Wir alle kennen den alten Herrn mit dem wirren, weißen Haar, der seit Generationen als Sinnbild für geniale Wissenschaftler steht. Ohne Einsteins bahnbrechende Forschungen außer Acht zu lassen: Warum haben wir da nicht auch Marie Curie vor Augen?“ Die französische Wissenschaftlerin (1867-1934) leistete Bahnbrechendes auf dem Gebiet der Strahlenforschung und ist nicht umsonst eine von nur zwei Personen überhaupt, die den Nobelpreis auf zwei unterschiedlichen Fachgebieten – Physik und Chemie – erhalten hat. Das war Einstein nicht gelungen!

Doch ist es eben entscheidend, solche Leistungen auch sichtbar zu machen und auch Frauen anders –in ihrer aktiven Rolle - darzustellen. „Heute sind Professorinnen von der Randerscheinung im akademischen Betrieb zur Selbstverständlichkeit geworden. Diese Entwicklungen helfen, Genderbarrieren aufzubrechen, die Männer noch immer besser in der Forschung vorankommen lassen.“ Und das ermutigt junge Frauen, selbst ihren Weg in der Wissenschaft zu gehen. Um dies noch zu beschleunigen, müssten die Leistungen der Wissenschaftlerinnen aber noch mehr kommuniziert werden – in der medialen Berichterstattung, aber auch durch die Hochschulen selbst.

Noch sehr viel Luft nach oben, leider

Dem schließt sich ihre Kollegin Petra Arenberg, Professorin für Sozialwissenschaften und Kompetenzentwicklung, an: „Frauen können als Vorbilder doppelt wirken. Nicht nur Mädchen und junge Frauen sehen, dass sie herausragende Leistungen erbringen können – auch Männer nehmen dies verstärkt wahr.“ So lösen sich die oben beschriebenen, nicht genaderkonformen Strukturen irgendwann von selbst auf. Doch auch hier sind sich die Professorinnen einig: Bis es so weit ist, bleibt noch reichlich Luft nach oben, um es einmal ganz unwissenschaftlich auszudrücken.

Eine Einschätzung, die Ihr männlicher Kollege Ahmed A. Karim nur bestätigen kann. Der Professor für Neurowissenschaften und Psychotherapeut hat ein Buch über Pionierinnen im Nahen Osten herausgegeben, um auf die psychologische und bildungspolitische Relevanz von weiblichen Vorbildern hinzuweisen. „Was Frauen im Orient, vom Alten Ägypten bis in die Gegenwart, geleistet haben, ist selbst in ihren Herkunftsländern nur wenig bekannt. Dabei wäre es für junge Mädchen und Frauen mit orientalischem Migrationshintergrund auch hierzulande von großer Bedeutung, die Lebensleistungen dieser Pionierinnen zu kennen und sich als Vorbild zu nehmen.“

Oder hätten Sie zum Beispiel gewusst, dass die älteste noch existierende Bildungseinrichtung der Welt, die Universität al-Qarawīyīn, von einer Frau gegründet wurde? Oder dass es eine junge Iranerin war, Maryam Mirzakhani (1977-2017), die als erste und bislang einzige Frau mit der Fields-Medaille, dem „Nobelpreis der Mathematik“, ausgezeichnet wurde? Sehen Sie: wir auch nicht. Leider!

Informationen zum Buch: Karim, A. A. et al. (2021); Female Pioneers from Ancient Egypt and the Middle East: On the Influence of History on Gender Psychology; Verlag: Springer Nature. ISBN: ‎978-981-16-1412-5

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