Im Jüdischen Museum in Frankfurt am Main fand die HistoryComms-Conference statt, bei der es um historische Verantwortung in der Unternehmenskommunikation ging. (Foto: PR-Journal)

Genau ein Jahr ist es her, dass als neue Initiative der Leipziger Günter-Thiele-Stiftung am 23. September 2021 das Center for History & Corporate Communication gegründet wurde. Unter seinem Dach sind seither die Bemühungen um die historische PR-Forschung sowie zur Erforschung der Kommunikation von Unternehmensgeschichte vereint. Ein Jahr später fand nun am 30. September die erste #HistoryComms-Conference im Jüdischen Museum Frankfurt in Frankfurt am Main statt. Unter dem Motto „History matters!“ ging es um historische Verantwortung in der Unternehmenskommunikation. 55 Praktikerinnen und Praktiker waren in die Mainmetropole gekommen, um über historische Verantwortung zu diskutieren.

Die lebendige und inhaltlich breit angelegte Tagung sollte aus Sicht der Initiatoren eine Brücke bauen zwischen Kommunikationswissenschaftlern und Unternehmenshistorikern sowie Impulse geben für die Berufspraxis und Weiterentwicklung des Feldes. Gleichzeitig sollte unterstrichen werden, dass sich Corporate History Communication nach Auffassung der Initiatoren, Professor (em.) Günter Bentele (Universität Leipzig) und dem Leipziger Alumnus Professor Felix Krebber (Hochschule Pforzheim, Business School), zu einem beruflichen Handlungsfeld mit besonderer Relevanz für die Unternehmenskommunikation entwickelt.

Großunternehmen und Mittelständler gaben Einblicke in ihre Erinnerungsarbeit

Gemessen an den eigenen Ansprüchen der Initiatoren, war die Tagung ein Erfolg, denn Unternehmenshistoriker und Vertreter der Unternehmenskommunikation tauschten sich aus – nicht zuletzt auch über ihr schwieriges Miteinander in der Vergangenheit. Deutlich wurde auch, dass Corporate History grundsätzlich so zu verstehen sei, dass sie sich nicht nur auf die NS-Zeit bezieht. Zur „dunklen Geschichte“ von Unternehmen gehören eben auch Umweltskandale, der Umgang mit Zwangsarbeitern, die Diskriminierung von Frauen, prekäre Produktionsbedingungen und viele andere Fragen.

So gaben namhafte Großunternehmen wie BASF und Mittelständler wie die Dürr AG Einblicke in ihre Erinnerungsarbeit und den kommunikativen Umgang auch mit kritischen Themen der Unternehmensgeschichte. Dieses transparente Aufgreifen wurde von Claudia Janssen Danyi, Professorin an der Eastern Illinois University (USA), als Teil gesellschaftlicher Verantwortung beschrieben, der sich Unternehmen heute stellen müssten. In ihren Grundannahmen der Corporate Historical Responsibility (CHR) arbeitete sie heraus, dass eine „dunkle Unternehmensgeschichte“ eine moralische Verantwortung darstelle, dass Unternehmenshistorie und ihre (fehlende) Aufarbeitung einen „Social Impact“ und eine gesellschaftspolitische Relevanz habe und ein verantwortlicher und offener Umgang mit der eigenen Geschichte ein Prozess der (Re-)legitimierung sei.

Bevölkerung erwartet Verantwortungsübernahme von Unternehmen

Janssen Danyi, die aus den USA per Zoom zugeschaltet war, unterstrich zudem, dass die Bevölkerung von Unternehmen die Übernahme von Verantwortung in diesen Fragen erwarte. Sie verwies auf eine repräsentative Studie des Center for History & Corporate Communication: Gefragt nach Fehlern von Unternehmen in der Vergangenheit (NS-Zeit, Managementfehler, Skandale), erwarteten 68,8 Prozent, dass die Unternehmen Verantwortung hierfür übernehmen sollten und weitere 68 Prozent erwarteten darüber hinaus eine öffentliche Kommunikation zu diesen Themen.

Ganz konkret benannte Janssen Danyi, die in Eastern Illinois Associate Professor und Director of the B.A. in Public Relations ist, Voraussetzungen und Prinzipien die aus Unternehmensperspektive gegeben sein müssten, um einen glaubwürdigen Umgang mit diesen Fragen bewerkstelligen zu können. Das waren unter anderem Dialog und Dialogbereitschaft, Reue und die Bereitschaft, Wiedergutmachung zu leisten, sowie nicht zuletzt auch Respekt für die Erinnerungen und Identitäten von Opfern und Nachfahren.

Außerdem verheimlichte sie nicht, dass Unternehmen ganz grundsätzlich Spannungen zwischen Vermarktungs- und Verantwortungsansatz ausgesetzt seien und bei unzureichender Aufarbeitung der Vorwurf des Corporate Historical Responsibility Washing drohe.

Klein hob Chancen einer aktiven Erinnerungsarbeit hervor

Den Einstieg ins Thema machte zum Auftakt der Tagung Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung. Er mahnte, die Erinnerung an die Shoah wach zu halten. Gleichzeitig stellte er zur inzwischen fortgeschrittenen, öffentlichen Aufarbeitung seitens vieler Unternehmen fest: „Nach meinem Eindruck hat sich die deutsche Wirtschaft, so sie sich verallgemeinern lässt, nunmehr der Verantwortung hinsichtlich ihrer Vergangenheit in der Zeit des Nationalsozialismus im Wesentlichen gestellt. Manche wenige freiwillig, viele erst auf öffentlichen Druck.“ Dabei hob er die Chancen einer aktiven Erinnerungsarbeit hervor. Dies heiße „allerdings nicht, dass ich eine Historikerkommission beauftrage, die Untersuchung nach ihrem Erscheinen würdige und sie im Anschluss ins Regal stelle. Ich bin mir dagegen sicher, dass eine aktive, gelingende und nachhaltige Erinnerungsarbeit für die Unternehmen auch ein Vorteil sein kann.“

„Kein Thema wie jedes andere“

Nach dem Willen der Initiatoren ist die Tagung Startpunkt für die Fortentwicklung des sich bildenden Berufsfelds ‚Corporate History Communication‘. In ihrem gemeinsamen Vortrag wiesen die Wissenschaftlichen Leiter des Center for History & Corporate Communication, Günter Bentele und Felix Krebber auf die Besonderheiten des Themas Geschichte in der Unternehmenskommunikation hin. Es sei „kein Thema wie jedes andere“, weil ihm mit besonderem Verantwortungsgefühl begegnet werden müsse. Kern jeder Kommunikation seien historisch belegbare Fakten, machten die beiden unisono deutlich.

Ingo Stader vom Praxis-Netzwerk Corporate History Communication führte zur Intention der Tagung aus: „Wir möchten ein Bewusstsein für die Rolle von Geschichte in der Kommunikation schaffen. Hierzu möchten wir neue Formen finden, um die Branche sichtbarer zu machen und mittelfristig gemeinsame Standards für das neue Berufsfeld zu etablieren.“ Sein Netzwerkkollege Matthias Koch ergänzte zu den inhaltlichen Ansprüchen des Handlungsfeldes: „Wir sollten als Geschichts-Kommunikatoren mehr Verantwortungskommunikation betreiben und weniger Heldengeschichtsschreibung“.


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