Wie können kritische Themen im Lichte multipler Krisen angemessen kommuniziert werden? Antworten darauf gab eine Panel-Diskussion im Rahmen des Krisengipfels. (Foto: Phil Stephan)

Vom Umgang mit Fake News, über die präventive Handhabung mannigfaltiger Gefahrenlagen bis hin zum Dialog mit protestierenden Bürgerinitiativen: Die heutige Krisenkommunikation muss mit vielen Herausforderungen fertig werden. Wie das funktionieren kann, zeigte der diesjährige Krisenkommunikationsgipfel in Köln. Rund 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten der Einladung des Krisennavigators, dem Institut für Krisenforschung Kiel, um sich – teils online, teils vor Ort – in Sachen Krisenkommunikation auf den neusten Stand zu bringen. Auch in diesem Jahr begleitete das „PR-Journal“ die Veranstaltung als Medienpartner.

Ein Pharmaunternehmen verschuldet einen Vorfall, in dessen Folge rund 10.000 Kinder mit Fehlbildungen geboren werden – und thematisiert das selbst auf einer Website. Klingt erst einmal abwegig und man kann nur erahnen, wie die Vorgesetzten von Fabia Kehren, Head External Communication des Pharmaunternehmens Grünenthal, seinerzeit auf diesen Gedanken reagiert haben. „Sie können sich vorstellen, dass es etwas gedauert hat, diesen Vorschlag durchzubringen“, erzählte Kehren auf dem Krisenkommunikationsgipfel dem Publikum – und erntete von vielen der Zuhörerinnen und Zuhörern ein zustimmendes Nicken. Am Ende konnte sich Idee durchsetzen. Denn die Contergan-Tragödie, die in den 1960er Jahren stattfand, begleitet Grünenthal noch heute.

Eine der Herausforderungen hier: Die transparente Aufbereitung des Vorfalls und die gleichzeitige Abgrenzung von diversen Falschmeldungen, die im Internet hierzu kursieren. Mit der Website will Grünenthal Klarheit schaffen: Über die eigenen Fehler im Rahmen dieser Tragödie und darüber, was das Unternehmen mittlerweile macht, um seiner Verantwortung gegenüber den Betroffenen gerecht zu werden. Denn auch in der kommunikativen Handhabung der Tragödie hat das Unternehmen laut Kehren gelernt. Mittlerweile setzt Grünenthal auf proaktive Kommunikation, um mit den Betroffenen den Dialog zu suchen. „Die damalige reaktive, rein rationale Herangehensweise war rückblickend betrachtet nicht der richtige Weg“, resümierte sie. „Kommunikation muss bei so einem Thema auch Emotionen zulassen und proaktiv sein.“

Vielfältiges Sprecherprogramm

Emotionen standen auch bei vielen der weiteren 13 Referentinnen und Referenten des Krisenkommunikationsgipfels im Vordergrund: Anhand von vier Themenkategorien (Business Continuity, Katastrophenvorsorge, Themenmanagement und Psychologie) gaben sie Einblicke in ihre Arbeit. Ein straffes Programm, durch das Frank Roselieb, geschäftsführender Direktor des Krisennavigator, routiniert führte. Als Zeremonienmeister hatte er an diesem Tag die sprichwörtlichen Zügel in der Hand – und die Uhr fest im Blick. Ein Blaulicht am Rednerpult signalisierte den Sprecherinnen und Sprechern, wenn es Zeit war, zum Ende zu kommen. Zum Einsatz kam es selten. Zu erfahren waren die Vortragenden, die ihre Themen anschaulich vermittelten. Kleinere Zeitverzögerung gab es angesichts von vielen interessierten Rückfragen dennoch. Es war zu merken: Krisenkommunikation ist aktueller denn je. Entsprechend viel wollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für ihre eigene Praxis von den einzelnen Vorträgen an diesem Tag mitnehmen.

Schnelles Handeln in der Krise durch gute Vorbereitung

Und die Rednerinnen und Redner lieferten: Auf der Maßnahmenebene gaben sie interessante und hilfreiche Gedanken mit, wie man Krisenkommunikation denken kann. Michael Müller, Leiter der Unternehmenskommunikation von Infraserv, Standortbetreiber des Industrieparks Höchst in Frankfurt am Main, setzt auf eine gute Vorbereitung. Vorgefertigte Textbausteine zu etwaigen Gefahrenlagen helfen, im Krisenfall schnell sprechfähig zu sein. Eine Erstinformation wird so nur wenige Minuten nach Eintritt der Gefahrenlage veröffentlicht. Die Pressemitteilung folgt kurz danach. Eine weitere Anforderung neben der gründlichen Vorbereitung: Das Ohr am Puls derjenigen zu haben, die nahe des Industrieparks leben. Werden diese im Falle eines Störfalls ausreichend informiert? Wie sicher oder gefährdet fühlen sie sich durch die Unternehmen im Industriepark? Um auf Fragen wie diese eine Antwort zu haben, hat Müller eine Umfrage ins Leben gerufen. Mit der klopft er das Meinungsbild bei 12.000 Bewohnerinnen und Bewohnern ab und erhält so ein repräsentatives Stimmungsbild. So wird auch die Krisenprävention mitberücksichtigt.

Aus Risiko- folgt Krisenmanagement

Neben der Darstellung zahlreicher Maßnahmen zeigte der Krisenkommunikationsgipfel auch, dass tradierte Verfahrensweisen in der Krise nach wie vor ihren festen Platz haben. Dazu zählt: In der Krise braucht es Struktur. So hat im Krisenstab von Michael Müller jede Person eine klar definierte Aufgabe. Eine weitere Anforderung nannte Georg Abel, stellvertretender Leiter Krankenhausalarm- und Einsatzplanung und Krisenmanagement bei den Kliniken Köln. Für ihn müssen die zentralen Ansprechpartner in einer Krise rund um die Uhr erreichbar sein. Für ihn ist zudem klar: Aus Risikomanagement folgt Krisenmanagement. „Es gilt die möglichen Risikofaktoren vorab zu identifizieren“, forderte Abel. „Nur dann kann man sich auf diese entsprechend vorbereiten.“

Üben, üben, üben

Einen weiterer Aspekt kam an diesem Tag von der Politik. Stephan Gabriel Haufe ist Pressesprecher im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Seine Aufgabe ist ambitioniert: Haufe baut ein bundesweites Krisenkommunikationssystem im Bereich Strom und Gas auf, um im Falle von Energiemangellagen möglichst schnell reagieren zu können. Sein Appell für den Aufbau eines solchen Systems: Neben der Theorie muss auch die Praxis stimmen. Dafür sollten die für den Fall einer Krise entwickelten Abläufe schnellstmöglich erprobt werden – auch auf die Gefahr hin, dass beim ersten Mal noch nicht alles reibungslos klappt. „Nur so findet man heraus, wo es noch hapert und was noch verbessert werden muss, um im Ernstfall entsprechend gewappnet zu sein“, erklärte der Pressesprecher.

Vertrauensaufbau durch Personalisierung

Daneben gab es auf dem Krisenkommunikationsgipfel auch die ein oder andere kleinere Überraschung. Für eine davon sorgte Kirsten Verbeek, Leiterin Kommunikation Bundesländer und NRW-Sprecherin der Deutschen Bahn. Sie begann ihren Vortrag nahezu pünktlich – und widerlegte so gleich eins der gängigen Vorurteile gegenüber ihrem Arbeitgeber. Die Deutsche Bahn weiß aber auch, auf was es in der Krisenkommunikation ankommt, bzw. wie man die mögliche Krise bestenfalls sogar umgeht. Das zeigte Verbeek anhand der Kommunikation zum Rhein-Ruhr-Express. Eine Herausforderung hier: Der Umgang mit Bedenken von Bürgerinitiativen. Verbeek setzt hier auf Personalisierung. „Das Gegenüber muss ein Gesicht vor Augen haben“, sagte sie. „Nur so gelingt es auch Vertrauen aufzubauen. Insbesondere wichtig ist das bei großen Unternehmen, die andernfalls sehr unnahbar erscheinen.“

Nächste Station: Schwabenländle

Zusammengefasst zeigte der Krisenkommunikationsgipfel, wie vielfältig Krisenkommunikation ist. Aber auch, wie anspruchsvoll und komplex diese sein kann – und wie hilfreich es ist, wenn die Expertinnen und Experten in diesem Segment sich austauschen und voneinander lernen. Die nächste Gelegenheit dazu gibt es im März 2024 im Rahmen des 35. Krisenkommunikationsgipfels. Der findet dieses Mal dann in Stuttgart statt.

Über den Autor: Phil Stephan verantwortet als Senior PR Manager die Kommunikation der Droniq GmbH in Frankfurt am Main. Als freier Mitarbeiter der „PR-Journal“-Redaktion hat er vom Krisenkommunikationsgipfel 2023 in Köln berichtet.


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