Branche Schukies/Rommerskirchen/Hombach/ Oberauer/PR-Rat: Ein Gspusi mit der Stasi?

In der Vorweihnachtszeit schien eine brisante Geschichte aus der Kommunikationsbranche beinahe "unterzugehen". Wie man nun aus informierten Kreisen in Bonn hört, soll dieser "Fall" inzwischen den beiden Branchen-Selbstkontrollorganen Deutscher PR-Rat und Deutscher Presserat vorliegen. Lesen Sie hier eine "fast unglaubliche Story" (und am Ende gibt's vom selben Autor noch einen "Nachschlag" - vom 17. Dezember in der SZ):


Ein Ex-HVA-Offizier besorgte ein Verlegerdossier - und klagt dafür auf 30.000 Euro Honorar

von Hans Leyendecker, erschienen am 16. Dezember 2004 in der "Süddeutschen Zeitung"


Der Mann, der am Mittwochmittag im Saal 4069 des Bielefelder Landgerichts als Kläger auftrat, ist Mitarbeiter in der geheimsten Truppe des Markus Wolf gewesen. Als Oberstleutnant der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) gehörte Günther Bohnsack der legendären Stasi-Abteilung X an, die mit Desinformationen Politik in westdeutschen Medien machte: Gefälschte Unterlagen wurden an Zeitungen und Zeitschriften expediert und machten Schlagzeilen. Gelegentlich versuchten die Mitarbeiter der 1966 gegründeten Abteilung, West-Politiker mit pikanten Fotos unter Druck zu setzen.

Ob Bohnsack, Fachmann für Irreführungen aller Art, nun im Bielefelder Gerichtssaal die Wahrheit sagte, ist für die Medienbranche von Interesse. 
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Der Fall, den der Einzelrichter Michael Heinen verhandelte, erlaubt seltene Einblicke ins journalistische Milieu und wirft ein Schlaglicht auf das Treiben einflussreicher PR-Berater. Der 64-jährige schwergewichtige Bohnsack, der in einem sehr grünen Sakko und auf eine Gehhilfe gestützt vor Gericht erschien, klagt gegen Gert Schukies, den einstigen Konzernsprecher der Deutschen Post AG, der früher bei Bertelsmann und Nixdorf gearbeitet hat. Angeblich schulde ihm der PR-Manager 30.000 Euro plus Zinseszins für einen recht schmuddeligen Auftrag. Der einstige Desinformations-Experte der Stasi hatte Unterlagen über den Salzburger Verleger Johann Oberauer besorgt. Sie sollten den Mann in Verdacht bringen, mit der Stasi ein Gspusi gehabt zu haben. Die Anwerbung soll angeblich an der Wende gescheitert sein. In dem Medienkrimi treten außerdem der umtriebige Remagener Verleger Thomas Rommerskirchen und der berüchtigte Undercover-Journalist Andre Plath auf, der früher selbst mal in einem Wachregiment der Stasi diente.


Eine verwirrende Geschichte. Ausgangspunkt war die publizistische Begleitung von Schukies' Abschied bei der Post. Oberauer, der in seiner Heimat das Fachblatt "Der Österreichische Journalist" und in Deutschland Spezialorgane wie "Medium Magazin" herausgibt, hatte "unschöne Dinge" (Schukies) über den Ex-Postler publiziert. Schukies wollte sich rächen und bat Plath, "mal über den Oberauer" was zu recherchieren. Da der Mann, der schon mal als Rechercheur für "Spiegel" oder "Bild" arbeitete, beste Verbindungen zu einigen Oberen der Stasi pflegte, kam er rasch mit Bohnsack zusammen. Der gilt in seinen Kreisen als Überläufer, weil er seit Anfang der neunziger Jahre mit westdeutschen Medien eng zusammenarbeitet und auch Mitautor von zwei Büchern über die Stasi ist. Plath erinnerte sich nun, dass Bohnsack in Österreich Agenten geführt hatte. Und der Ex-HVA-Oberstleutnant meinte tatsächlich, dass da was mit Oberauer auf dem Weg gewesen sei. Schukies war elektrisiert. Am 14. 0ktober 2003 trafen sich Schukies, Plath und Bohnsack mittags im Berliner Restaurant "Aigner" am Gendarmenmarkt. Bei dieser Gelegenheit versprach Schukies, es sei ihm 30.000 Euro wert sei, wenn "hieb - und stichfeste, veröffentlichungswürdige Belege" für die angeblichen Verbindungen des Herrn Oberauer mit der Stasi geliefert würden.


Einen Monat später war bei einem weiteren Treffen im Konferenzzentrum des Kölner Flughafens auch Rommerskirchen sowie dessen Frau Katharina Skibowski dabei. Bohnsack trug wieder angebliche Hinweise gegen Oberauer vor - und auch Rommerskirchen wurde hellhörig. Er haßt Oberauer. "Wir bekämpfen uns bis aufs Blut", sagt der Salzburger Verleger. "Wir haben vor Gericht unzählige Verfahren gegeneinander geführt", kommentiert Rommerskirchen, der das Fachblatt "Der Journalist" herausgibt. Es geht um Anzeigen, aber auch um Auflage und Einfluss auf dem Medienmarkt. Rommerskirchen bekam von Bohnsack Papiere über Oberauer in die Hand - und meldete sich bei "WAZ"-Geschäftsführer Bodo Hombach. Der Essener Konzern befand sich damals schon in Fehde mit dem Wiener Verleger Hans Dichand, der ebenso wie die "WAZ" Miteigner der Wiener Boulevardzeitung "Krone" ist. Oberauer hatte mehrmals signalisiert, dass er auf Seiten von Dichand war - also war er für die "WAZ" ein Ärgernis.


Vor Gericht schwadronierte Bohnsack immer wieder darüber, dass der "Bodo" verwickelt gewesen sei. Der habe Interesse an den Unterlagen gehabt - was den Fall von einer Gauner-Komödie zu einem echten Kriminalfall befördern würde. Plath, der als Zeuge nicht gehört wurde, behauptet sogar, Schukies habe ihm signalisiert, dass die "WAZ" hinter allem stünde. Schukies erklärt dazu: "Ich bin Hombach nicht mal begegnet." Rommerskirchen sagt: "Die 'WAZ' hat nichts angestoßen." Und Hombach sagt: "Ich kenne Schukies nicht und die 'WAZ' hat mit dem Fall nichts zu tun."


Richtig ist aber auch, dass Rommerskirchen das Material über Oberauer an die "WAZ" leitete und dass Hombach einen Anwalt in Österreich einschaltete. Dieser gab das Material über Oberauer an einen der besten Rechercheure des Wiener Nachrichtenmagazins "Profil": Der fand die Unterlagen schwach. Da sei nichts dran, erklärte der Stasi-Spezialist des österreichischen Blatts. Die "WAZ" verschloss das Material im Safe. Was ist das alles für ein seltsames Gebräu?


Oberauer widerspricht heftig der Darstellung, dass er fast für die Stasi gearbeitet habe. Bei der Kolportage, dass er in Verdacht stünde, später vom KGB übernommen worden zu sein, gerät der Verleger fast in Verzückung: "Mein Lebenslauf wird dann mal endlich bunt", sagt der 45-jährige ironisch. Der Rest ist eher langweilig: Schukies beteuert, Hombach nicht zu kennen. Hombach kennt Schukies nicht. Rommerskirchen kann sich kaum daran erinnern, Unterlagen - warum auch immer an die "WAZ" weitergeleitet zu haben. Bohnsack sprach im Gerichtssaal immer wieder über "Bodo", um den Fall auf eine andere, wirtschaftlich höhere Ebene zu bringen. Wer hilft wem warum? Der Bielefelder Einzelrichter Michael Heinen ist nicht in alle Tiefen dieser Geschichte gedrungen, sondern hat ein salomonisches Urteil getroffen: Schukies muss 12.500 Euro an Bohnsack zahlen, und die Gerichtskosten teilen sich die Parteien.

Diesen Artikel veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung des Autors Hans Leyendecker.

Ergänzend zu diesem Beitrag "Ein Ex-HVA-Offizier besorgte ein Verlegerdossier ..." vom 16. Dezember hat der Meister des investigativen Journalismus Hans Leyendecker am Tag darauf nochmal "nachgelegt". Auch dieses "Dokument" wollen wir Ihnen nicht vorenthalten - bitte hier klicken zur direkten Weiterleitung.

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