Branche re:publica 2025 23 Bühnen, 650 Sessions, 1.100 Redner:innen
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- von Monika John, Hamburg
Die re:publica 2025 fand vom 26. bis 28. Mai in der Station Berlin statt und stand unter dem Motto „Generation XYZ“. Die Digitalkonferenz brachte erneut tausende Vordenker:innen, Kreative und Digitalbegeisterte aus ganz Europa zusammen, um die Herausforderungen und Chancen des digitalen Wandels generationenübergreifend zu diskutieren. Monika John, Vorstandsmitglied des PR Club Hamburg und Dozentin an der Macromedia University, hat ihre persönlichen Highlights zusammengetragen.

„Die Demokratie brennt. Autokraten weltweit machen sich zu Nutze, wovor wir hier seit vielen Jahren warnen. Wer Technologie kontrolliert, kontrolliert die Narrative. Die Narrative formen die Realität. Wer also die Narrative kontrolliert, der kontrolliert die Realität“, warnte Johnny Haeusler, Mitgründer der re:publica, in seinem Eröffnungsstatement.
Er betonte, dass die digitale Zukunft nicht von Algorithmen bestimmt werden dürfe, sondern von den Menschen selbst gestaltet werden müsse: „Die Art und Weise, wie wir Technologie nutzen und was wir daraus machen, ist kein Schicksal, sondern eine Entscheidung.“
Digitale Räume & Dialog der Generationen
Neben Bundeskanzler Friedrich Merz sprachen auf der re:publica auch der neue Digitalminister Karsten Wildberger, Außenminister Dr. Johann Wadephul und Gregor Gysi.
Das diesjährige Motto „Generation XYZ“ konnte dabei durchaus verstanden werden als ins Gespräch miteinander kommen, voneinander lernen und gesellschaftliche Spaltung überwinden, denn rund 5.000 Jugendliche der Tincon, der parallel stattfindenden Konferenz, mischten sich unter die Besucher:innen und so bot sich;für alle die;Gelegenheit zum Dialog der Generationen. Auch Karin Prien, seit Anfang Mai Ministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey besuchten die Tincon.
Patricia Cammarata, Theresia Crone und Oğuz Yılmaz diskutierten mit Johnny Haeusler, wie sich unsere digitalen Räume verändert haben und wie wir sie gemeinsam gestalten wollen. Crone (#reclaimTikTok) stellte dabei fest, dass es keine Organisierung gebe, wenn es um Regulation von Big Tech gehe.
Politik auf der Bühne – Haltung zeigen im digitalen Raum
Ricarda Lang, Bundestagsabgeordnete und Ex-Grünen-Vorsitzende, sprach über Mut, Verantwortung und klare Worte in der Öffentlichkeit. Sie betonte, wie wichtig es sei, gesellschaftliche Debatten in sozialen Medien pointiert, humorvoll und konstruktiv zu führen und dass politischer Dialog über Parteigrenzen und Generationen hinweg gelingen müsse. Die Reaktionen auf ihren Auftritt waren überwiegend positiv: Ihr persönlicher und humorvoller Ton und ihre Offenheit wurden als bereichernd wahrgenommen.
Eine der meistbeachteten Rednerinnen auf der re:publica 2025 jedoch war Heidi Reichinnek, Co-Vorsitzende der Linken. Ihr Auftritt zog ein großes, vor allem junges Publikum an, was auch an ihrer starken Präsenz und Authentizität in den sozialen Medien liegt. Sie sprach über die Rolle von Social Media im Wahlkampf und wie es ihr gelang, die Linke digital sichtbar zu machen und die Fünf-Prozent-Hürde zu meistern. Inhaltlich sorgte Reichinnek mit klaren politischen Positionen für Aufmerksamkeit, konnte kritische Stimmen rund um das Thema Antisemitismus in ihrer Partei jedoch nicht völlig entkräften.
Analysen & Ausblick – zwischen Desillusion und Handlungsspielraum
Annika Brockschmidt, Historikerin, Autorin und Journalistin mit Schwerpunkt auf Rechtsextremismus und der religiösen Rechten in den USA, fokussierte sich auf der re:publica 2025 insbesondere auf den Einfluss rechter und religiöser Strömungen auf Gesellschaft und Demokratie. Ihr Beitrag wurde als wichtiger Impuls für das Verständnis internationaler politischer Dynamiken und deren Auswirkungen auf Europa wahrgenommen.
Albrecht von Lucke, Redakteur der politischen Monatszeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik analysierte, wie die großen Hoffnungen auf eine friedliche, digitale und postmaterielle Gesellschaft gescheitert sind. Nach dem Ende des Kalten Krieges glaubte man an eine Ära ohne Krieg und an die befreiende Kraft des Internets. Diese Illusionen seien durch die Rückkehr von Krieg nach Europa und die Kehrseite der Digitalisierung zerstört worden. Die Digitalisierung, einst als Motor für Freiheit und Demokratie gefeiert, habe neue Abhängigkeiten, Überwachung und Ressourcenverbrauch geschaffen. Statt einer friedlichen Welt erlebten wir heute eine Remilitarisierung Europas, bei der digitale Technologien eine zentrale Rolle spielen.
Von Lucke forderte, die Realität anzuerkennen: Europa müsse sich verteidigen können, und die Gesellschaft wiederum sich ehrlich mit den Ambivalenzen von Digitalisierung und Sicherheit auseinandersetzen. Die Zeit naiver Hoffnungen sei vorbei – es brauche neue, realistische Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart.
Ingo Dachwitz, netzpolitik.org, machte sehr eindringlich und kenntnisreich auf den Digitalen Kolonialismus aufmerksam. Es handele sich um eine neue Form des Kolonialismus, die nicht mehr Länder, sondern den digitalen Raum erobere. Die Ausbeutung habe sich verlagert: Statt nach Gold würde heute unter schlechten Bedingungen nach Rohstoffen für Smartphones und E-Autos gesucht. Anstelle von Gewalt herrschten Überwachung und Kontrolle. Statt Sklaven schufteten nun schlecht bezahlte Klickarbeiter:innen in digitalen Sweatshops, um soziale Netzwerke zu moderieren oder Künstliche Intelligenz zu betreiben. Digitale Infrastrukturen seien die neuen Werkzeuge der Macht.
Wie immer ein Highlight: Maja Göpel. Glasklar, logisch und mit großer Vernunft findet sie häufig überraschende Lösungen für drängende Probleme. Die Transformationsforscherin und Nachhaltigkeitsexpertin trat auf der re:publica 2025 mit einem Vortrag auf, in dem sie die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen kritisch beleuchtete. Sie beschrieb, wie die Welt heute zwischen „digitalem Mittelalter“ und „illusionärem Fortschritt“ schwanke: Während vor wenigen Jahren noch der Durchbruch in eine nachhaltige und gerechte Zukunft möglich schien, dominierten nun das Recht des Stärkeren und ein zunehmender Wirklichkeitsverlust. Göpel analysierte, wer diese destruktiven Entwicklungen vorantrieb und warum viele Menschen ihnen folgten. Sie thematisierte dabei die Rolle von Aufmerksamkeitsökonomie, pluralistischer Ignoranz und gesellschaftlicher Resilienz. Hoffnung und die Fähigkeit, gemeinsam zu handeln, seien entscheidend, um gegen diese Trends zu steuern.
Ein Schlusswort – nach Johnny Haeusler
Wir möchten deutlich machen, dass die Entwicklung der Demokratie nicht von Algorithmen bestimmt wird, sondern von uns selbst und von allen, die begreifen, wie unser Umgang mit Technologie die Gesellschaft prägt. Es liegt an uns, wie wir die digitale Welt gestalten – das ist keine Frage des Zufalls oder eines vorgegebenen Schicksals, sondern das Ergebnis bewusster Entscheidungen. Die digitale Zukunft entsteht nicht einfach von selbst, sondern wird durch die Weichenstellungen und Entscheidungen geprägt, die wir heute treffen.
Die re:publica 2025 war wieder ein wilder Ritt durch die digitale Gegenwart und Zukunft: Zwischen Hoffnung und Ernüchterung, zwischen Utopie und Realität. Mein Highlight? Die vielen Gespräche, die inspirierenden Begegnungen und das Gefühl, dass wir alle gemeinsam an einer besseren (digitalen) Welt basteln – auch wenn der Weg steinig bleibt. Bis nächstes Jahr!
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