Medien Stefan Aust: Die Medien haben den Sprung in das Online-Geschäft nicht geschafft

Einfallslos und mutlos sind die deutschen Verlagshäuser. Und im Internet nicht gut aufgestellt. Am 22. März verabschiedete der Bundesrat in Berlin das umstrittene Leistungsschutzrecht. Fast zeitgleich schoss einer der bekanntesten deutschen Journalisten eine Breitseite gegen die Verleger ab. Was Stefan Aust in einem Gespräch sagte, war wenig schmeichelhaft für die Branche.
Am 18. März hatte Serviceplan zum Campus-Highlight ins Haus der Kommunikation in Hamburg eingeladen. Aust stellte sich eine Stunde lang den Fragen von Serviceplan-Geschäftsführer Jörg Schultheis. Gespräche mit dem ehemaligen Chefredakteur des "Spiegel" und jetzigen Geschäftsführer der N24 Media haben einen hohen Unterhaltungswert. Harmonie ist seine Sache nicht. Er formuliert Headlines, Sätze, die im Kopf hängenbleiben. Seine Kritik war auf den Punkt – und oft allzu berechtigt.

Der "Spiegel"? „Ziemlich langweilig“ findet er den. Mit einer Ausnahme seien keine interessanten Stories in der aktuellen Ausgabe zu finden. So umfangreich über den Papst zu berichten, wen würde das schon interessieren? Das seien old news und damit no news. Überhaupt – der Spiegel. Immer dem Mainstream hinterherlaufen. „Die Redaktion könnte mutiger sein“, fordert Aust. Und er testiert seinem alten Blatt eine „ganz stabile Sinkgeschwindigkeit der Auflage“.

Zum Relaunch des "Stern": „Wozu soll ich etwas kaufen, wenn ich die Inhalte, die drinnen stehen, ohnehin schon alle kenne?“ Der "Focus": Die sollten endlich Schluss machen mit München und nach Berlin gehen.

Die Blätter sind ihm zu wenig aufregend heute. Es fehle die Phantasie. „Schließlich geht es nicht um Nachrichten, sondern darum, Infos in Zusammenhänge zu stellen“, meint Aust. Es soll Spaß machen zu lesen, Lesevergnügen machen. Gibt es momentan eine Zeitschrift, die ihn anspricht? Nein, die gibt es nicht.

An den Online-Konzepten der Zeitungsverlage lässt er kein gutes Haar. Alle deutschen Medien haben den Sprung von Print in das Online-Geschäft nicht geschafft, sagt Aust. Tragfähige Geschäftsmodelle für das Web würden nicht umgesetzt. Überdies seien manche Produkte einfach „grauenhaft schlecht“, so die iPad-Version des "Spiegel".

Wie könnte man als Zeitungshaus im Web Geld verdienen? Nein, keine Paywall. Seine Lösung lautet: Das Angebot im Web muss ein „zusätzliches Produkt“ für die Käufer der Print-Ausgabe sein. Also keine zusätzlichen Käuferschichten ansprechen, sondern den bestehenden Abonnenten added value bieten. Aust: „Die Aufgabe der Verleger ist es, die Leser an die Hand zu nehmen und ins neue Zeitalter zu führen. Und die Werbekunden auch.“

Dieses Modell sei seinerzeit bereits schon entwickelt worden. Warum die Verlage das nicht machen würden? „Weil sie zu kurzsichtig sind. Weil sie meinen, dass sie es besser könnten“, sagt Aust.

Wer also auf den Webseiten der Medien Inhalte konsumieren will, soll dasselbe dafür zahlen wie ein Abonnent der Print-Ausgabe. Und bekommt zusätzlich die Print-Ausgabe zugeschickt. Dies Konzept beruht auf der von Aust geäußerten Prämisse, dass die Medien die wirklich interessanten Inhalte im Web schaffen würden. Gebe es die Medien nicht mehr im Web, wären diese Infos verschwunden.

„Das Kernproblem ist, dass man im Web keine Fläche für Werbung hat“, meint Aust. Damit hat er zum Teil Recht. Allerdings gibt es diverse Lösungsmodelle. Sein altes Blatt bringt zu den Optionen der Verlage im Web eine lesenswerte Übersicht.

Geht es nach Aust, dann hätten die deutschen Zeitungsverlage gute Chancen, im Web Geld zu verdienen. Weshalb also auf das Leistungsschutzrecht bauen? Warum sich nicht auf den guten alten unternehmerischen Geist besinnen und tragfähige Geschäftsmodelle für das Web umsetzen? Auf diese Frage hin kommt Aust in Fahrt und hält ein flammendes Plädoyer - gegen Google.

Mag man über seine Rezepte für die Verlage geteilter Meinung sein, so lassen sich seine Ansprüche an die Journalisten durchaus unterstreichen. „Fleiß und Neugier“ zeichnen einen guten Journalisten aus, der „Blick für Themen“ haben, „zäh“ und vor allem „vielseitig“ sein soll. Wohl wahr. PR-Leute dürfen sich damit auch angesprochen fühlen.

Ein guter Teil der rund 200 Mitarbeiter der Hamburger Niederlassung von Serviceplan besuchte das Gespräch mit Stefan Aust. Die mit rund 1.500 Mitarbeitern größte inhabergeführte Agenturgruppe Europas organisiert in Hamburg und München regelmäßig Veranstaltungen mit Medienprofis. Die Gespräche sind Bestandteil eines umfassenden internen Weiterbildungsprogramms, des Campusprogramms.

Helge Weinberg, Korrespondent des PR-Journals für Norddeutschland, Hamburg

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