Rheinwerk Verlag LogoEs ist eine große Nummer, sich innerhalb von 15 Jahren vom 6-Mann-Büro zum führenden Fachverlag für IT, Design und Fotografie „hochzuarbeiten“. Eine noch viel größere Nummer wird es aber dann, wenn man sich plötzlich gezwungen sieht, in kürzester Zeit den eigenen Namen aufzugeben. Dem Verlag Galileo Press ist dies passiert. Ein kommunikativer Kraftakt war die Folge. PR-Journal Redakteurin Annett Helbig ist der Sache auf den Grund gegangen.

Hintergrund: Streit um „Galileo“
Travelport, ein Anbieter von Softwarelösungen für die Reiseindustrie, erhebt Anspruch auf die Marke „Galileo“. Grund hierfür ist das Computerreservierungssystem (CRS) Galileo, das aus dem 1971 von der United Airlines gegründeten Apollo CRS hervorging. Kurz gesagt: eine vereinfachte, computerbasierte Flugbuchung und Sitzplatzreservierung. Bekannt wurde die offensive Auseinandersetzung mit der Markenproblematik im Zusammenhang mit dem europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS (heute: Airbus Group). Travelport konnte damals gerichtlich erzwingen, dass das europäische Satellitennavigationssystem „Galileo“ nicht unter diesem Namen vermarktet werden darf. Aber auch andere Unternehmen, wie der Fachverlag für IT, Design & Fotografie „Galileo Press“ aus Bonn, müssen mit einem Rechtsstreit rechnen. „Noch ist nicht abschließend entschieden, wem das Recht an der Marke zugesprochen wird. Sollten wir unterliegen, bestünde aber die Gefahr, dass wir in kurzer Frist unsere Produkte vom Markt nehmen müssten“, schreibt Verlagsleiter Tomas Wehren in einem Brief an seine Kunden. „Das wäre natürlich existenzgefährdend.“

Kommunikationsaufgabe: Alles neu.
Um dem vorzubeugen, hat sich der Verlag Mitte 2014 entschieden, aktiv in das Geschehen einzugreifen. Nach 14 Jahren sollte Galileo Press 2015 in Rheinwerk Verlag umbenannt werden – natürlich medial und kommunikativ begleitet von einer entsprechenden Kampagne. Den „Projekthut“ hat sich das Marketing aufgesetzt. Alle Abteilungsleiter wurden aufgefordert, diejenigen Prozesse, Kommunikationsmaterialien und Stakeholder zu definieren, die von einer Umbenennung betroffen sein würden. Von Geschäftsausstattung bis Manuskriptvorlagen, von Lektorat bis Website, von Serverfunktionen bis Handelsinformationen: Eine schier unendliche Liste wurde zu Papier gebracht, die nach einzelnen Abteilungen, Zuständigkeiten und Prioritäten sortiert und in Relation zu einem sechsmonatigen Zeitstrahl gesetzt wurden. Marketingbudget wurde innerhalb des Verlages umgeschichtet – Anzeigen zur Bewerbung von neuen Büchern und Video-Trainings beispielsweise wurden mit dem Claim „Galileo Press heißt von jetzt an Rheinwerk“ belegt.

Um einen kleinen Eindruck zu bekommen. Wir reden von:

  • 336.000 Katalogen,
  • 1.150.000 Aufklebern auf Produkten,
  • 72.323 Mails an Kunden,
  • 28.592 erreichte Personen durch einen Bildpost auf Facebook,
  • 5.863 Video-Aufrufe direkt auf Facebook und
  • 1,1 Mio. Reichweite über Anzeigen in
  • 20 Fachmagazinen und der Branchenpresse.
  • Und unzählige Nerven obendrein.

Rheinwerk ist angekommen, aber Galileo bleibt in den Köpfen
„Die letzten Analysen im Juni haben gezeigt, dass wir kaum an Sichtbarkeit verloren haben“, sagt Britta Behrens aus dem Marketingteam. „Rund ein Drittel aller Suchanfragen drehen sich bereits um die Marke Rheinwerk, zwei Drittel nutzen den Begriff Galileo in der Recherche.“ Was nach einem halben Jahr kommunikativer Schwerstarbeit zunächst ernüchternd klingt, ist in der Verlagsbranche mit Buch-Laufzeiten von 18 bis 24 Monaten ein großer Erfolg.

Im Gespräch mit verschiedenen Interessengruppen wird aber noch immer deutlich: Knapp ein halbes Jahr nach Einführung des neuen Verlagsnamens gibt es noch Informationsbedarf. Teile der Kampagne, wie Produkt-Störer, Anzeigen oder auch die erweiterte Produktbeschreibung auf Amazon.de, gehen deswegen in die Verlängerung. Behrens sieht es positiv: „Es zeigt, wie stark die Marke Galileo Press noch immer ist. Ziel muss es jetzt sein, dass Rheinwerk synonym verwendet wird und an nichts von seiner Kraft verliert.“

Ende 2015 wird man noch einmal einen Schnitt ziehen und entscheiden, in welchem Rahmen die Umbenennung weiterhin aktiv kommuniziert wird.

Über die Autorin: Annett Helbig ist PR-Beraterin bei der MasterMedia Public Relations GmbH in Hamburg, einer Agentur für Öffentlichkeitsarbeit, die sich auf komplexe Themen spezialisiert hat. Zuvor baute sie die Kommunikationsabteilung des Lebensmittelgeschäftes Mutterland auf und unterstützte kleinere und mittelständische Unternehmen unter anderem durch strategische Kommunikationsberatung.


Wir haben die Kommentarfunktion wegen zu vieler Spam-Kommentare abgeschaltet. Sie können uns aber trotzdem Ihre Meinung zu diesem Artikel als Leserbrief direkt zusenden. Falls Sie wünschen, dass wir Ihren Leserbrief als Kommentar dem Artikel hinzufügen, vermerken Sie dies bitte in der Mail an uns.
leserbrief@pr-journal.de