Deutscher Presserat LogoKeine Rüge des Presserates, keine Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft gegen die umstrittene „taz“-Kolumne „Abschaffung der Polizei: All cops are berufsunfähig“ von Hengameh Yaghoobifarah. Der Deutsche Presserat hat die Beschwerden gegen das viel diskutierte Stück als unbegründet zurückgewiesen. Das Gedankenspiel der Autorin, der als geeigneter Ort für Ex-Polizisten nur die Mülldeponie einfällt, ist von der Meinungsfreiheit gedeckt, entschied die Freiwillige Selbstkontrolle der Presse. Schon zuvor wurde bekannt, dass die Berliner Staatsanwaltschaft mangels Anfangsverdachts voraussichtlich keine Ermittlungen einleiten wolle. Bundesinnenminister Horst Seehofer reagierte unmittelbar mit scharfer Kritik am Presserat.

„Die Polizei als Teil der Exekutive muss sich gefallen lassen, von der Presse scharf kritisiert zu werden“, bewertete der Beschwerdeausschuss des Presserates die „taz“-Kolumne. Die Satire bezieht sich nach Auffassung des Presserats im Kern auf die gesellschaftliche Debatte über strukturelle Probleme bei der Polizei wie Rechtsradikalismus, Gewalt und Rassismus.

Die Mitglieder kamen mit überwiegender Mehrheit zu dem Schluss, dass der Text nicht gegen die Menschenwürde von Polizistinnen und Polizisten nach Ziffer 1 des Pressekodex verstößt, da sich die Kritik auf eine ganze Berufsgruppe und nicht auf Einzelpersonen bezieht. Die Polizei ist zudem eine gesellschaftlich anerkannte Berufsgruppe, die nicht unter den Diskriminierungsschutz nach Ziffer 12 des Pressekodex fällt, anders als etwa Angehörige von religiösen oder ethnischen Minderheiten.

Die Wortwahl „Mülldeponie“ als einziger Ort für die Polizei berührt aus Sicht des Presserats Geschmacksfragen, über die sich streiten lässt, die aber keine Grundlage für die ethische Bewertung sind. Die Interpretation einiger Beschwerdeführer, Polizisten würden mit Müll gleichgesetzt, ist aus Sicht des Gremiums nicht zwingend. Es handelt sich hier um ein drastisches Gedankenspiel, das aber – wie aus der Kolumne hervorgeht – Raum für unterschiedliche Interpretationen bietet und daher noch unter die Meinungsfreiheit fällt.

Gegen die „taz“ waren aufgrund des Artikels 382 Beschwerden beim Presserat eingegangen, darunter etliche von Vertreterinnen und Vertretern der Polizei. Auch der Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte sich an den Presserat gewandt.

Erneute Kritik von Bundesinnenminister Seehofer

In einer Reaktion auf die Entscheidung des Presserats, keine Rüge an die „taz“ auszusprechen, legte Bundesinnenminister Horst Seehofer am 9. September nach und sprach von einer „unerträglichen Verharmlosung“ und von einem aus den Fugen geratenen Wertesystem.

Der Deutsche Journalisten-Verband weist im Gegenzug die Kritik von Bundesinnenminister Seehofer am Deutschen Presserat entschieden zurück. „Horst Seehofer hat nicht nur Aufgaben als Polizeiminister, sondern ist als Verfassungsminister auch Hüter der Grundwerte“, erklärt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall und fügte an: „Einer dieser Grundwerte ist die Presse- und Meinungsfreiheit, die der Innenminister in seiner Erklärung mit keinem Wort erwähnt.“ Darüber hinaus solle der Minister Geschmack und Werte nicht miteinander verwechseln.


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