Bis 2024 bis zu 80 Prozent der konfessionellen Medien, bis zu 30 Prozent der Fachmedien-Titel sowie bis zu 20 Prozent der Publikumsmedien in Deutschland in ihrer Existenz stark gefährdet. (Branchenanalyse Schickler-Unternehmensberatung / VDZ)

Dramatisch steigende Energie- und Papierpreise sowie kontinuierlich zunehmende Postzustellkosten belasten die Zeitschriftenverlage in Deutschland stark. Die 2021 erreichte Erholung relevanter Geschäftszahlen nach dem Corona-bedingten Einbruch 2020 wird durch die aktuelle Kostenexplosion weitgehend zunichte gemacht. Wie der Medienverband der freien Presse (MVFP) auf seiner Jahrespressekonferenz in Berlin betonte, bedrohen diese nicht kompensierbaren Kostensteigerungen die Vielfalt der journalistischen Medien in Deutschland in ihrer Substanz. Die in der digitalen Transformation und der Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 erwiesene hohe Resilienz und Innovationskraft der Branche stehen demnach vor der größten und komplexesten Herausforderung in diesem Jahrhundert.

Bei Fortschreibung der aktuellen Entwicklungen sind bis 2024 30 Prozent der Zeitschriftentitel in ihrer Existenz stark gefährdet. Das sind über 2.000 von insgesamt über 7.000 Zeitschriftentiteln. Es handelt sich um bis zu 30 Prozent der Titel der Fachmedien, bis zu 80 Prozent der konfessionellen sowie bis zu 20 Prozent der Publikumsmedien in Deutschland. Das zeigt eine repräsentative Branchenanalyse, die die Unternehmensberatung Schickler mit dem VDZ, an dessen Stelle im April der MVFP getreten ist, im März/April 2021 durchgeführt hat (siehe oben stehende Grafik, die aus dieser Quelle stammt). Weil in dieser Analyse weder die jüngsten Steigerungen der Papierpreise von bis zu 150 Prozent noch das Ausmaß der Erhöhung des Mindestlohns in 2022 noch die extrem gestiegenen Energiekosten berücksichtigt sind, ist die konkrete ökonomische Bedrohung einzelner Titel und ganzer Verlage deutlich akuter.

Förderung von Zeitschriften und Zeitungen gefordert

Im Vorfeld der Jahrespressekonferenz unterstrich Rudolf Thiemann, Präsident des MVFP: „Es ist nun mehr als deutlich, dass die Berliner Koalition die Förderung periodischer Presseerzeugnisse im Sinne einer diskriminierungsfreien, ordnungspolitisch unbedenklichen Förderung von Zeitschriften und Zeitungen auf den Weg bringen muss – andernfalls droht ein massiver Schaden für die Pressevielfalt, für die freie Information und Meinungsbildung.“ Von größter Bedeutung sei dafür ein nicht selektiver, objektiver Maßstab für die Förderung, der den Wettbewerb innerhalb der Presse nicht verzerre, so Thiemann weiter.

Philipp Welte, Sprecher des Vorstands des MVFP und Vorstand der Publikumsmedien, sagte auf der Jahrespressekonferenz angesichts der vielschichtigen ökonomischen Bedrohung des Journalismus der Verlage: „Eine gesunde Demokratie braucht gesunde Verlage, denn die freie Presse ist unverzichtbar für die Stabilität unserer Demokratie und für die Vielfalt unserer pluralistischen Gesellschaft. Aber weder die Freiheit an sich noch das Überleben der freien Presse sind im 21. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit.“ Die diskriminierungsfreie Förderung jetzt umzusetzen sei absolut unverzichtbar, um die unabhängigen, journalistischen Leistungen von über 7.000 gedruckten Zeitschriftentiteln und digitalen Kanäle dieser Marken für die Zukunft zu sichern. Welte: „Andernfalls droht ein Verlust von über 2.000 Titeln in den nächsten beiden Jahren“. Die Redaktionen und die Tausenden von Autorinnen und Autoren dieser verlegerischen Angebote informierten auf allen medialen Kanälen Millionen Menschen vertieft über alles, was eine Gesellschaft im Beruf oder im Privaten wissen müsse. „Diese Leistung kontinuierlicher vertiefter Information und Bildung ist ebenso einmalig und demokratierelevant wie die aktuelle Information der Tagespresse.“

Der Ruf nach einer diskriminierungsfreien Förderung findet breite Unterstützung im Mitgliederkreis: 86 Prozent der an der aktuellen MVFP-Trendumfrage teilnehmenden Medienunternehmen halten eine Förderung auch der Zeitschriften für wichtig, um signifikant gestiegene und weiter steigender Kosten für Zustellung, Papier und Energie abzufedern und den Verlagen die Chance auf weitere Investition in die digitale Transformation zu ermöglichen.

Rückblick auf das Geschäftsjahr 2021 der Zeitschriftenbranche

Im vergangenen Geschäftsjahr haben die Zeitschriftenverlage unter Einbeziehung nicht publizistischer (sonstiger) Geschäftsfelder ihren Gesamtumsatz um 3,2 Prozent auf 19,4 Milliarden Euro leicht steigern können (2020: 18,8 Mrd. Euro) – das Vorkrisenniveau konnte damit nicht erreicht werden (2019: 20,2 Mrd. Euro). Erzielt haben sie das leichte Umsatzplus im Wesentlichen durch ein 15-prozentiges Plus der sonstigen Geschäftsfelder von 3,84 auf 4,42 Milliarden Euro. Die Geschäftsbereiche Print-Anzeigenmarkt und Print-Vertrieb verzeichnen für das vergangene Jahr ein Minus von 0,7 Prozent und 4 Prozent.

Genutzt hat den Medienhäusern im Transformationsprozess auch die weiter verstärkte Zusammenarbeit: Wie die MVFP-Trendumfrage zeigt, sind mittlerweile 51 Prozent Kooperationen eingegangen, 30 Prozent haben Allianzen geschmiedet. Die Zusammenarbeit innerhalb der Branche wollen die Zeitschriftenhäuser noch weiter vorantreiben: 31 Prozent planen, künftig Kooperation einzugehen, und 24 Prozent haben Allianzen für die Zukunft geplant.

Ergebnisse der Trendumfrage 2022

Für das Geschäftsjahr 2022 erwarten die Zeitschriftenverleger laut der MVFP-Trendumfrage, die zwei Drittel des Branchenumsatzes repräsentieren, eine gemischte Entwicklung. Deutlichen Umsatzsteigerungen bei Paid Content (+39 Prozent), im digitalen Werbegeschäft (+11 Prozent), im Digital-Vertrieb (+23 Prozent), bei Online-basierten Geschäften (+18 Prozent) sowie bei Veranstaltungen (+ 34 Prozent) stehen erwartete Umsatzrückgänge im Print-Werbegeschäft von -3,5 Prozent und -5 Prozent im Print-Vertrieb gegenüber. Um weitere Umsatzpotenziale zu heben, planen 62 Prozent, neue journalistische Digital-Angebote auf den Markt zu bringen, 37 Prozent neue Audio-Angebote. Auch in neue Print-Produkte werden die Medienhäuser investieren. Demnach wollen 37 Prozent neue Print-Sonderausgaben und 26 Prozent neue periodische Printtitel launchen.


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